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»Es gibt heute nicht viel zu tun«, sagte er. »Unsere Leute sind geradezu widerlich gesund.«

Er führte Holly aus dem zweistöckigen Krankenhausgebäude hinaus und um den sorgfältig angelegten Blumengarten im Innenhof herum. Holly sagte sich, dass Don Diego dem Garten eine wildere, ursprünglichere Anmutung verliehen hätte.

Yanez schob die Hände in die Taschen des weißen Kittels und sagte: »Don Diegos Tod gibt mir irgendwie Rätsel auf. Er muss gestolpert und ins Wasser gefallen und ertrunken sein.«

»Wieso ist er einfach nicht wieder aufgestanden?«, fragte Holly.

Er zuckte die Achseln. »Vielleicht ist er mit dem Kopf aufgeschlagen. Er ist vielleicht ohnmächtig geworden — zu niedriger Blutdruck oder ein leichter Schlaganfall. Er war immerhin schon hoch betagt.«

»Gab es Anzeichen eines Schlaganfalls?«

»Nein, aber ein leichter Schlaganfall hinterlässt auch keine Spuren, die auf den ersten Blick sichtbar wären. Wir müssen gezielt danach suchen, und selbst dann würden wir vielleicht nichts finden. Wir sind hier schließlich nicht in New York oder Tokio, müssen Sie wissen. Wir haben keine entsprechend qualifizierten Pathologen.«

»Ich verstehe.«

»Es ist eine große Tragödie. Ein großer Verlust.«

»Sie sind sich aber sicher, dass es ein Unfall war?«, fragte Holly.

Yanez wirkte im ersten Moment erschrocken. »Ja. Natürlich. Was sollte es sonst sein?«

»Ich weiß nicht.«

Der Arzt schaute zu Holly auf. »Er war mein Freund. Wenn Fremdeinwirkungen als Todesursache vorgelegen hätten, dann wäre ich darauf gestoßen, das versichere ich Ihnen. Es war ein Unfall. Unglücklich und bedauerlich. Aber eben nur ein Unfall, nicht mehr.«

Je mehr der Doktor dies beteuerte, desto stärker wurden jedoch Hollys Zweifel, dass es sich wirklich um einen Unfall gehandelt hatte. Aber das ist doch verrückt, sagte sie sich. Was sollte es sonst sein außer einem Unfall? Wer hätte Don Diego denn umbringen sollen?

Trotzdem hörte sie sich fragen: »Dürfte ich einmal den Autopsiebericht sehen?«

»Er besteht überwiegend aus medizinischer Terminologie«, sagte Yaňez. »Und Fotos von der Leiche.«

»Ich habe gar keine Fotos von Don Diego«, sagte Holly. »Kein Andenken.«

»Die Bilder eines toten Menschen sind aber nicht sehr erbaulich.«

»Das ist mir egal. Ich würde sie gern sehen.«

Der Doktor seufzte schwer. »Na schön. Ich werde Ihnen den Zugangscode geben, und dann können Sie Einsicht in die kompletten Aufzeichnungen nehmen.«

»Danke«, sagte Holly.

»Da nada«, erwiderte Yanez automatisch.

Eberly vermochte seine Wut kaum zu zügeln. Er stand mit rotem Kopf hinter dem Schreibtisch in seinem Apartment und knurrte Vyborg und Kananga an. »Mord!«, zeterte Eberly. »Ihr konntet es nicht abwarten, bis ich den alten Mann entfernt hatte. Also habt ihr euch entschlossen, ihn zu ermorden.«

»Es weiß doch niemand davon«, flüsterte Vyborg. »Er ist begraben und vergessen.«

»Ich weiß aber davon!«, blaffte Eberly. »Es ist meine Pflicht, dieses Verbrechen Wilmot zu melden. Was wollt ihr machen, wenn ich das versuche? Mich auch umbringen?«

»Nein, niemals«, sagte Kananga.

»Mörder. Meine engsten Freunde und Mitarbeiter sind Mörder.«

»Er war schließlich kein wahrer Gläubiger«, sagte Vyborg. »Nur ein gestrauchelter Katholik.«

»Und das rechtfertigt einen Mord?«

»Ich dachte, es sei auch in Ihrem Sinne, den alten Knacker loszuwerden«, sagte Kananga. »Das hat Sammi mir jedenfalls so gesagt.«

»Sie waren doch damit einverstanden, dass er beseitigt werden sollte«, verteidigte Vyborg sich. »Ich dachte, dass…«

»Sie dachten! Sie hatten beschlossen, auf eigene Faust zu handeln, ohne sich mit mir abzusprechen. Ohne sich zu fragen, wie Ihre Aktion sich auf meinen Master-Plan auswirken würde. Sie sollen nicht denken. Ich will, dass Sie meine Befehle befolgen. Sie sollen gehorchen!«

»Ja, wir haben verstanden«, sagte Vyborg, »aber…«

»Kein aber!«, schrie Eberly. »Entweder gehören Sie zu meinem Team oder nicht. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Entweder Sie befolgen meine Befehle aufs Wort, oder wir sind geschiedene Leute.«

Kananga schaute Vyborg an. Ich brauche ihnen nicht zu sagen, dass ich sie sofort Wilmot melden werde, falls sie mich im Stich lassen, sagte Eberly sich. Das ist den beiden völlig klar.

»Nun?«, sagte er. »Treffen Sie Ihre Wahl.«

»Ich werde natürlich bei Ihnen bleiben«, sagte Vyborg. »Es tut mir Leid, dass ich so… voreilig gehandelt habe.«

»Und Sie, Oberst?«

Kananga fiel es offensichtlich schwer, klein beizugeben, doch dann schluckte er sichtlich und sagte: »Ich stehe jederzeit zu Ihren Diensten, Sir.«

Eberly gestattete sich ein sparsames Lächeln. »Also gut. Vergessen wir den Vorfall. Vyborg, ich will, dass Sie sich in Geduld üben und abwarten, bis ich Berkowitz auf meine Art beseitige.«

»Das werde ich.«

»Sobald das bewerkstelligt ist, werden Sie die völlige Kontrolle über die Kommunikationsabteilung übernehmen. Und Sie, mein lieber Oberst«, sagte er an Kananga gewandt, »werden mein Sicherheitschef sein, sobald wir die neue Regierung stellen.«

Kananga setzte zu einer Erwiderung an, doch Eberly fügte hinzu: »Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass Sie meine Befehle befolgen und keine Extratouren machen.«

Kananga verkniff sich eine Entgegnung und nickte brav.

Dann ließ Eberly sie wegtreten. Sie gingen mürrisch zur Tür und verließen sein Apartment. Eberly ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. Kopf — und Bauch — waren in Aufruhr. So schlimm ist es nun auch wieder nicht, sagte er sich. Niemand stellt in Frage, dass der Tod des alten Mannes ein Unfall war. Und ich habe nun eine Handhabe gegen Vyborg und Kananga, wodurch ich sie noch enger an mich binde. Unbedingte Loyalität auf der Grundlage von Angst. Er rieb sich den schmerzenden Bauch. Und Morgenthau hat mich auf die gleiche Art im Griff. Ich reite auf einem Tiger, auf einem ganzen Rudel Tiger, und der einzige Schutz vorm Gefressenwerden besteht darin, ihnen das zu geben, was sie wollen.

Er lehnte sich auf dem Bürostuhl zurück und versuchte die Schmerzen im Bauch mit schierer Willenskraft zu unterdrücken. Wie soll ich Berkowitz loswerden?, fragte er sich. Möglichst ohne einen weiteren Mord.

An wen soll ich mich wenden?, fragte Holly sich immer wieder. Und die Antwort war immer die gleiche: Malcolm. Sprich mit Malcolm darüber.

Aber ich komme nicht an Malcolm heran, ohne Morgenthau über den Weg zu laufen. Sie schirmt ihn vor mir ab wie eine Bulldogge. Holly hatte Morgenthau ein paar Voicemails geschickt und ihn um ein privates Gespräch gebeten, nur um sich von Morgenthau sagen zu lassen, dass Eberly im Moment zu beschäftigt sei, um mit ihr zu sprechen.

»Alles, was Sie mit Eberly zu besprechen haben, können Sie auch mir sagen«, sagte Morgenthau.

»Es ist… äh, persönlich«, wich Holly aus.

Missbilligung blitzte in Morgenthaus Augen auf, die jedoch schnell einem verschmitzten, fast schon lüsternen Ausdruck wich. »Meine Liebe, er ist viel zu beschäftigt für persönliche Engagements. Und viel zu wichtig, als dass er sich von so etwas ablenken lassen dürfte.«

»Aber ich will doch nicht…«

»Vielleicht, nachdem die neue Regierung gebildet wurde — vielleicht wird er dann Zeit für ein Privatleben haben. Aber nicht eher.«

Holly fügte sich. »Okay, ich hab' verstanden.«

»Wie geht es eigentlich mit den Wettbewerben voran?«, fragte Morgenthau leutselig. »Wann treten wir in Phase Zwei ein?«

Holly war erstaunt, dass Morgenthau nicht nach Cardenas' Dossier gefragt hatte — und erfreut, dass der ebenso kurze wie lückenhafte Nachtrag zu Cardenas' Akte ihrer Chefin offensichtlich genügte. Also berichtete sie, welchen Fortschritt sie hinsichtlich der Wettbewerbe schon gemacht hatte, mit denen die Merkmale des Habitats benannt werden sollten.