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»Anscheinend.«

»Und mit Testosteron.«

Holly musste lachen. »Davon reichlich.«

»Und er hat Sie angerufen?«

»Ja, schon. Aber ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Ich würde ihn zwar nicht fragen, aber falls ich mit ihm ausgehe, wird er vielleicht erwarten, dass ich wieder mit ihm ins Bett gehe.«

Cardenas schaute auf ihren Salat. »Es kann Ihnen doch egal sein, was er erwartet«, sagte sie dann. »Sie essen mit ihm zu Abend, und das war's dann. Sie dürfen ihm nur keine falschen Signale geben.«

»Signale?«

»Seien Sie verbindlich, aber nicht zu entgegenkommend.«

»Ich weiß nicht, ob das funktionieren würde«, sagte Holly unsicher.

»Treffen Sie sich mit ihm im Restaurant. Halten Sie sich nur an öffentlichen Orten auf. Und gehen Sie allein nach Hause.«

»Das wäre wohl am besten.«

»Es sei denn, Sie wollen doch wieder mit ihm ins Bett gehen.«

»Das will ich nicht! Eigentlich nicht. Ich will, dass er mich mag, aber auch nicht zu sehr.«

Mit einem Kopfschütteln stach Cardenas die Gabel in den Salat. »Männer haben kein Gespür für Zwischentöne, Holly. Sie müssen ihnen die Regeln von vornherein klarmachen. Sonst haben Sie ein Problem.«

»Schauen Sie«, sagte Holly leicht verwirrt, »eigentlich will ich von Malcolm beachtet werden. Ich meine, ich habe mich überhaupt nur seinetwegen für dieses Habitat angemeldet, aber ich habe ihn in den letzten Monaten kaum gesehen und Manny ist wirklich ein ganz Lieber, aber ich will mich nicht mit ihm einlassen und…« Ihr gingen die Worte aus.

»Malcolm?«, fragte Cardenas. »Sie meinen Dr. Eberly?«

»Ja, den Leiter der Human Resources.«

Cardenas schien beeindruckt. »Sie interessieren sich für ihn.«

»Aber er interessiert sich nicht für mich.« Holly war plötzlich den Tränen nahe.

»Ist das nicht immer so?«

»Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.«

Cardenas ließ den Blick durch die rappelvolle Cafeteria schweifen und erteilte ihr dann den Rat: »Vergnügen Sie sich nach Herzenslust mit dem Stuntman. Wieso denn nicht?«

»Sie meinen, das wird Malcolm eifersüchtig machen?«

»Nein«, erwiderte Cardenas mit einem Schnaufen, das fast schon ein Grunzen war. »Ich glaube nicht, dass er davon überhaupt Notiz nehmen würde. Aber wieso sollten Sie denn keinen Spaß haben? Manny scheint doch ein netter Kerl zu sein.«

»Sicher.«

»Dann vergnügen Sie sich mit ihm, solange Sie noch die Gelegenheit dazu haben. Er wird zur Erde zurückfliegen, sobald er seinen Auftrag erledigt hat. Dann brauchen Sie sich auch keine Sorgen wegen einer langfristigen Beziehung zu machen.«

»Ich will aber eine langfristige Beziehung«, entfuhr es Holly zu ihrem eigenen Erstaunen. »Ich meine, vielleicht nicht im Moment«, fügte sie sofort hinzu, »und wohl auch nicht mit Manny, aber irgendwann schon.«

»Mit Eberly?«

»Ja!«

Cardenas schüttelte den Kopf. »Dann viel Glück, Kindchen.«

Nadia Wunderly hatte strenge Diät gehalten, regelmäßig Sport getrieben und auf diese Art vier Kilo verloren. Die unermüdliche Arbeit an ihrem Forschungsprojekt hatte sich gleichfalls ausgezahlt: Dr. Urbain hatte die Untersuchung der Saturnringe genehmigt. Wunderly wusste aber, dass die Zustimmung unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs stand; sie war nämlich die einzige Wissenschaftlerin an Bord, die sich für die Ringe interessierte. Urbain selbst und alle anderen waren auf den Titan fixiert.

Sie war in Urbains Büro und beantragte einen Assistenten sowie Zeit am großen Teleskop des Habitats.

»Ich schaffe das alles nicht allein«, sagte sie auf der heiklen Gratwanderung zwischen einem Hilfeersuchen und dem Eingeständnis der Niederlage. »Eigentlich werden für mein Projekt sogar zwei Assistenten benötigt, wenn Sie sich erinnern.«

»Ich erinnere mich sehr gut«, sagte Urbain steif. »Aber wir haben einfach nicht genug Personal.«

Der Leiter der Abteilung ›Planetenwissenschaft‹ saß angespannt hinterm Schreibtisch, als sei er eine Barrikade gegen anstürmende Revolutionäre. Und dabei wollte Wunderly doch nur ein wenig Hilfe.

»Das Hauptteleskop ist komplett für die Beobachtung des Titan reserviert«, fuhr Urbain fort, als verkündete er ein Todesurteil. »Dies ist eine Gelegenheit, die wir unbedingt nutzen müssen.«

»Aber die Ringe sind doch…«

»Zweitrangig«, sagte Urbain.

»Ich wollte eigentlich ›einzigartig‹ sagen«, ergänzte Wunderly ihren Satz.

»Das gilt auch für die Lebensformen auf Titan.«

Sie fragte sich, wie sie ihn wohl überzeugen könnte. »Ich brauchte gar nicht viel Zeit am Teleskop. Nur eine Stunde oder so täglich, um…«

»Eine Stunde?« Urbain wirkte geschockt; ihm sträubten sich schier die sorgfältig gestutzten, dunklen Barthaare. »Unmöglich.«

»Aber wir sollten die Zeit während des Anflugs auf den Planeten nutzen, um Langzeit-Studien zur Ringdynamik durchzuführen. Es wäre ein sträfliches Versäumnis, das nicht zu tun.«

Urbain strich sich nervös übers pomadig zurückgekämmte Haar und sagte: »Dr. Wunderly, dieses Habitat wird für viele Jahre im Orbit um den Saturn stehen. Im Grunde für immer. Sie werden noch reichlich Gelegenheit haben, die Dynamik Ihrer Ringe zu studieren.«

Er sprach diese letzten Worte fast spöttisch aus. Wunderly wusste, dass die anderen Wissenschaftler sie hinter ihrem Rücken als ›Herrin der Ringe‹ bezeichneten.

Sie zog die Trumpfkarte. »Ich dachte, wenn wir die Ringe während des mehrmonatigen Anflugs studieren und eine synoptische Studie erstellen — eine gründliche —, könnten wir die Ergebnisse veröffentlichen, bevor wir in eine Umlaufbahn um den Saturn gehen und bevor die Universitäts-Teams herkommen, um unsere Forschungsarbeit zu übernehmen. Wobei Sie natürlich namentlich als Forschungsleiter erwähnt würden.«

Doch anstatt nach dem Köder zu schnappen, den sie ihm hinhielt, versteifte Urbain sich nur noch mehr bei der Erwähnung der Universitäts-Teams, die ihn überflüssig machen würden.

»Jede Ressource, die mir zur Verfügung steht«, sagte er sichtlich zitternd, mit aschfahlem Gesicht und mit leiser, harter Stimme, »wird für das Studium des Titan verwendet. Alle Mitarbeiter meines Stabs machen Überstunden und arbeiten Tag und Nacht, um die Rover fertig zu stellen, die wir auf die Oberfläche hinunterschicken werden. Dieser Mond trägt Leben! Einzigartige Lebensformen. Sie sind die einzige Mitarbeiterin meines Stabs, die nicht an Titan arbeitet — Sie und Ihre wertvollen Ringe! Sie dürfen sie in Ruhe studieren. Geben Sie sich damit zufrieden und behelligen Sie mich nie wieder mit Forderungen, die ich nicht erfüllen kann.«

Wunderly war sich der kaum verhohlenen Drohung bewusst. Ich soll ihn in Ruhe lassen, oder er vergattert mich zur Arbeit an Titan wie alle anderen.

Sie stand schwerfällig auf. Sie fühlte sich besiegt, leer und hilflos. Und zornig. Der Mann ist vollkommen auf den übermächtigen Titan fixiert, grämte sie sich, als sie Urbains Büro verließ. Er ist so engstirnig, dass er mit beiden Augen durch ein Schlüsselloch gucken könnte.

Exakt um 17:00 Uhr klopfte Gaeta einmal an den Rahmen von Hollys offener Tür und betrat ihr Büro.

»Schluss für heute«, verkündete er. »Komm mit, ich will dir etwas zeigen.«

Trotz des inneren Aufruhrs lachte Holly und sagte dem Computer, dass sie Feierabend machte. Die holografische Abbildung blinkte einmal und erlosch.

»Worum geht's denn?«, fragte Holly, während sie sich von ihm aus dem Gebäude führen ließ.

»Ich sagte mir, du würdest vielleicht gern mal einen Blick auf unseren Bestimmungsort werfen«, sagte Gaeta.

»Saturn?«

»Ja. Man erkennt ihn mittlerweile mit dem bloßen Auge als Scheibe.«