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Die Namensgebung ist nur der erste Schritt bei dieser Mission. Wir müssen auch eine neue Regierung bilden und die Führer wählen, die uns dabei helfen werden, die neue Gesellschaft zu erschaffen, die wir anstreben.

Statt Rivalität brauchen wir Zusammenarbeit. Statt Zwietracht brauchen wir Einigkeit. Statt Schwäche brauchen wir Stärke. Möge jeder Mann und jede Frau hier dazu beitragen, dass diese Gesellschaft stark und einig ist. Ihr solltet nicht fragen, welchen Nutzen ihr als Einzelne daraus zieht. Ihr solltet stattdessen fragen, welchen Beitrag ihr zu leisten vermögt, um eine freie und blühende neue Ordnung zu schaffen. Wir können mit eigenen Händen ein Paradies schaffen! Wollt ihr dabei mithelfen?«

»Ja!«, brüllten die Leute. Sie klatschten, jubelten und pfiffen. Eberly stand mit gesenktem Kopf am Rednerpult und sog ihre Verehrung auf wie eine Blume, die in Sonnenlicht badete.

Dann richtete Eberly sich auf dem Podium auf, und die Menge verstummte. Langsam hob Eberly den Kopf und ließ den Blick über die Menge schweifen. Ein fast glückseliges Lächeln spielte um seine Lippen.

»Jeder von euch — jeder Mann und jede Frau — muss sich der Einheit und Zusammenarbeit verpflichten, die wir für die Errichtung der neuen Ordnung brauchen. Ich möchte nun, dass jeder von euch seinen Nächsten an der Hand fasst. Freund oder Fremder, Mann oder Frau: Nehmt eure Nachbarn an der Hand und schwört, dass wir gemeinsam an der Schaffung unserer neuen Welt arbeiten werden.«

Ein Raunen ging durch die Menge; die Leute drehten die Köpfe und schlurften mit den Füßen. Dann drehten die Leute nach anfänglichem Zögern sich zueinander um und fassten sich an den Händen. Holly sah, dass immer mehr Leute sich an der Hand nahmen und für einen Moment ihre Differenzen vergaßen. Viele weinten sogar. Holly wurde sich bewusst, dass Malcolm der einzige Mensch im gesamten Habitat war, der die Leute so zusammenzuschweißen vermochte.

Sie war stolz darauf, diesem großen Mann dabei geholfen zu haben, diesen Moment der Einigkeit zu erreichen — diese machtvolle Demonstration von Freundschaft und Liebe.

Mitteilung mit höchster Priorität

An: Prof. Dr. E. Urbain Habitat Goddard

Von: H.H. Haddix Vorstandsvorsitzender der IAA

Betreff: Kontaminationsrisiko Titan

Als Reaktion auf Ihre Anfrage hat der Vorstand eine sorgfältige Folgenabschätzung bezüglich der menschlichen Exploration des Saturnmondes Titan durchgeführt. Nach einer Prüfung durch den Astrobiologischen und Planetenschutz- Ausschuss der Internationalen Astronautenbehörde ist einstimmig entschieden worden, dass eine menschliche Exkursion zur Oberfläche von Titan strengstens verboten wird.

Der Schutz der eingeborenen Lebensformen des Titan hat Vorrang vor allen anderen Zielen, einschließlich der wissenschaftlichen Forschung. Die robotische Exploration der Titanoberfläche wird erlaubt, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die geltenden Dekontaminations- Prozeduren für den Planetenschutz strikt eingehalten werden.

H. Harvey Haddix
Vorstandsvorsitzender der IAA Rev. Calypso J. C. Abernathy Imprimatur

288 Tage bis zur Ankunft

Ruth Morgenthau hasste diese Spaziergänge in der Natur, auf denen Eberly bestand. Er ist total paranoid, sagte sie sich, während sie widerwillig den Pfad entlang trottete, der von Dorf A zu den Gärten führte. Er befürchtet, dass irgend jemand sein Apartment verwanzt hat, so wie wir es mit allen anderen gemacht haben.

Aber es heißt gar nicht mehr Dorf A, erinnerte sie sich. Es heißt nun Athen. Und der Garten trägt die offizielle Bezeichnung ›Refugium des Heiligen Franz von Assisk‹. Morgenthau hätte fast gekichert. Was für ein Name! Wie sie sich gezofft hatten — sie, Vyborg und Kananga. Selbst der sonst so gemäßigte und zurückhaltende Jaansen hatte die Stimme erhoben, als es um die Benennung der verschiedenen Laborgebäude des Habitats ging.

Die monatelange Kampagne für die Benennung der Ortschaften, Gebäude und Landmarken des Habitats war im Grunde genommen eine Farce gewesen. Jede Stimme hatte einen Streufaktor, der fast größer war als die Anzahl der abgegebenen Stimmen. Jeder im Habitat hatte eine eigene Meinung zur Namensgebung, so dass es kaum zwei einheitliche Stimmen gab. Es war ein einziges Chaos, für das Eberly eine großartige Lösung parat hatte.

»Weil die Wähler keine eindeutigen Ergebnisse produziert haben«, sagte er dem inneren Kreis seiner Vertrauten, »werden wir die Entscheidung selbst treffen müssen.«

Also stritten die vier sich: Kananga bestand darauf, dass afrikanische Namen die gleiche Quote wie europäische und asiatische bekamen, Vyborg plädierte für Namen, die starke psychologische Konnotationen in der Bevölkerung hatten und Jaansen versuchte — manchmal hartnäckig — eine Liste mit Namen berühmter Wissenschaftler durchzusetzen. Eberly hatte sich aus dem Streit herausgehalten und ihn mit kaltem Abscheu verfolgt. Überhaupt ließ die ganze Sache Morgenthau kalt; es war ihr piepegal, welche Namen ausgewählt wurden, solange sie nicht allzu säkular waren. Ihre Zustimmung, den biologischen Komplex nach Charles Darwin zu benennen, hatte sie natürlich verweigert.

Am Ende schlichtete Eberly die meisten Streitigkeiten. Und wenn keine Einigung möglich war, traf eben er die Entscheidung. Wenn eine Auseinandersetzung gar zu lang dauerte, schritt er ein und sagte den Beteiligten, dass sie sich nicht wie Kinder benehmen sollten. Morgenthau beobachtete ihn jedoch aufmerksam, und er wusste das auch.

Dorf A erhielt einen europäischen Namen, und Dorf B ging an die Asiaten: Bangkok. Aus Dorf C wurde Cairo, aus D wurde Delhi und E wurde auf den Namen Entebbe getauft. Die Amerikaner — Norden und Süden — beklagten sich bitterlich, doch Eberly brachte sie mit der feierlichen Verkündung zum Schweigen, dass dies die Namen seien, für die die Bewohner des Habitats sich entschieden hatten. Dann wies er noch darauf hin, dass die Amerikaner auch nur eine Minderheit in der Bevölkerung des Habitats seien.

Weil es sich um eine geheime Abstimmung handelte, ließ Eberly keine erneute Auszählung der Stimmen zu. In einer effektvollen Demonstration scheinbarer Unparteilichkeit erklärte er alle Stimmen für ungültig — »damit niemand sie zu manipulieren oder in Zukunft damit Zwietracht zu säen vermag«, verkündete er.

Ein paar Leute murrten zwar, doch im Großen und Ganzen akzeptierten die Menschen die Namen, für die die Wähler sich angeblich entschieden hatten. Eberly sorgte dafür, dass viele Gebäude und Landmarken mit angloamerikanischen und lateinamerikanischen Namen versehen wurden, um es auch allen recht zu machen.

Morgenthau fand, dass es eine Meisterleistung war. Und doch spürte sie einen Anflug von Besorgnis. Vielleicht war Eberly zu stark, zu sehr auf seine eigenen Belange bedacht und zu machthungrig. Wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs, erinnerte sie sich. Wir streben Macht nicht für uns an, sondern für die Erlösung dieser zehntausend verlorenen Seelen. Sie fragte sich, ob Eberly auch dieser Überzeugung war. Eigentlich war sie sich ziemlich sicher, dass das nicht der Fall war. Allerdings hatten höhere Autoritäten als sie Eberly als Anführer dieser Mission auserwählt. Sie hatte die Aufgabe, ihn zu unterstützen — und darauf zu achten, dass er nicht zu weit von dem Pfad abwich, den die Neue Moralität und die Heiligen Jünger ihm vorgeschrieben hatten.

Also ging Morgenthau neben ihm den Washington-Carver- Weg entlang, der von Athen zum St.-Franciscus-Garten führte und noch weiter über die flache Hügelkette mit dem unstimmigen Namen Andenhügel bis zum Farmland der Region Ohio. Sie hoffte inständig, dass Eberly nicht auf die Idee käme, den ganzen Weg bis nach Kalifornien zu gehen, die offene Region am Abschluss des Habitats. Die Füße taten ihr jetzt schon weh.