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»Ich sage Ihnen die Wahrheit, Holly«, versicherte Cardenas in einer Fehldeutung von Hollys Schweigen.

»Ich weiß, Kris«, sagte sie, wobei sie eher verwirrt als unglücklich war. »Im Grunde würde ich es Ihnen auch nicht übel nehmen, wenn Sie es getan hätten. Er ist nun mal ein Don Juan.«

Die beiden Frauen saßen bei einem späten Mittagessen in der fast leeren Cafeteria; die übrigen Gäste waren längst wieder gegangen.

Cardenas beugte sich zu Holly hinüber. »Er hat mich überhaupt nicht angemacht«, vertraute sie ihr an. »Wenn Sie sich nicht für ihn interessierten, wäre ich irgendwie enttäuscht. Ich meine, in Kalenderjahren bin ich zwar viel älter als er, aber ich bin doch nicht abstoßend hässlich, oder?«

Holly kicherte. »Kris, wenn Sie interessiert sind, dann lassen Sie sich nicht abhalten Ich erhebe keine Ansprüche auf ihn.«

»Natürlich tun Sie das.«

»Nein, eigentlich nicht. Ich glaube sogar, dass ich ohne ihn besser dran bin.«

Cardenas hob ungläubig eine Augenbraue.

»Wirklich«, sagte Holly und fragte sich zugleich, ob sie auch das Richtige tat. »Sein Interesse an mir war rein körperlich.«

»Viele Beziehungen fangen so an.«

»Diese ist jedenfalls vorbei. Zumal es auch gar keine richtige Beziehung war. Es war nie eine.« Holly wunderte sich darüber, dass dieses Eingeständnis nicht schmerzte. Zumindest nicht sehr.

Cardenas zuckte die Achseln. »Das ist ohnehin müßig. Meine Beziehung zu ihm ist rein dienstlich.«

»Wahrscheinlich traut er sich nur nicht bei Ihnen.«

Cardenas lachte. »Das wird's wohl sein.«

»Sicher.«

»Ist auch egal«, sagte sie und machte eine Handbewegung, als ob sie ein lästiges Insekt verscheuchte. »Sie sagten, dass Sie möglicherweise einen Laborassistenten für mich hätten?«

»Vielleicht«, sagte Holly. »Ich habe das Thema noch nicht mit ihm besprochen. Aber er verfügt über ein paar Qualifikationen, die für Sie relevant sind. Ein Abschluss als Ingenieur…«

»In welchem Bereich?«

»Elektromechanik.«

»Wann hat er ihn gemacht?«

Holly zog den Palmtop aus der Tasche. Raoul Tavaleras dreidimensionale Abbildung erschien überm Tisch, zusammen mit den Eintragungen und Zahlen in seinem Dossier.

Cardenas überflog die Daten. »In welcher Abteilung ist er beschäftigt?«

»In der Instandhaltung«, erwiderte Holly. »Aber er ist dort nur ›Gast‹; offiziell gehört er zu überhaupt keiner Abteilung. Er ist der Astronaut, den Manny aufgefischt hat.«

»Aha.« Sie ging das Dossier erneut durch — diesmal aber langsamer. »Dann wird er nur so lange bei uns bleiben, bis Manny seinen Kram packt und abfliegt.«

»Vermutlich. Aber er ist abkömmlich, und Sie sagten, dass Sie sofort Hilfe brauchen.«

»Bettler dürfen nicht wählerisch sein«, pflichtete Cardenas ihr bei. »Ich werde mit ihm sprechen müssen. Aber ist er überhaupt bereit, mit mir zu arbeiten?«

»Er weiß noch gar nichts von seinem Glück. Aber ich kann für Sie ein Treffen arrangieren.«

»In Ordnung.«

»In meinem Büro, okay?«

»Das wäre wahrscheinlich besser, als ihn ins Labor zu bestellen«, sagte Cardenas nach kurzer Überlegung. »Sonst befürchtet er vielleicht noch, von Nanobots infiziert zu werden.«

Tavalera nahm mit argwöhnischem Blick vor Hollys Schreibtisch Platz. Dafür war er pünktlich erschienen, was sie wiederum für ein gutes Zeichen hielt. Sie hatte ihn gebeten, eine Viertelstunde vor dem Termin bei Cardenas in ihr Büro zu kommen.

»Was hat das alles überhaupt zu bedeuten?«, fragte er beinahe mürrisch.

»Ein neuer Auftrag«, sagte Holly fröhlich.

»Ich hab' schon eine Arbeit — in der Instandhaltung.«

»Und gefällt sie Ihnen?«

»Machen Sie Witze?«, fragte er grimmig.

Holly rang sich ein Lächeln für ihn ab. »Ich hätte mir auch Sorgen um Sie gemacht, wenn Sie ›ja‹ gesagt hätten.«

»Was haben Sie also für mich?«

»Eine Stelle im wissenschaftlichen Labor. Sie werden dort bestimmt die Gelegenheit haben, Ihre Kenntnisse als Ingenieur anzuwenden.«

»Ich dachte, die Wissenschaftsstellen seien schon alle besetzt. Das haben Sie mir jedenfalls gesagt, als ich an Bord kam.«

»Das sind sie auch. Diese Stelle ist nämlich bei Dr. Cardenas im Nanotech-Labor zu besetzen.«

Seine Augen weiteten sich kurz. Holly sah förmlich, wie das Räderwerk in seinem Kopf sich in Bewegung setzte.

»Nanotech«, murmelte er dann.

Holly nickte. »Ich weiß, dass manche Leute tierische Angst vor Nanotechnik haben.«

»Ja.«

»Sie auch?«

»Ja, irgendwie schon«, sagte Tavalera nach einem Moment. »Hab' ich wohl.«

»Sie wären auch verrückt, wenn Sie keine Angst davor hätten«, pflichtete Holly ihm bei. »Dr. Cardenas ist aber eine Koryphäe. Sie würden mit der Besten auf diesem Gebiet zusammenarbeiten. Und es würde sich kosmisch gut in Ihrem Lebenslauf machen, müssen Sie wissen.«

»Den Teufel würde es. Ich werde mich hüten, auf der Erde damit hausieren zu gehen, dass ich mich Nanobots auch nur auf eine Million Lichtjahre genähert hätte.«

»Sie müssen den Job auch nicht annehmen, wenn Sie nicht wollen«, sagte Holly. »Wir werden Sie zu nichts zwingen. Sie dürfen auch weiterhin in der Instandhaltung bleiben.«

»Verbindlichen Dank«, knurrte er.

Er war noch immer unschlüssig, als Cardenas eintraf. Sie schien sich über ihn aber auch nicht im Klaren zu sein.

»Mr. Tavalera, ich kann nicht mit jemandem arbeiten, der sich vor einer Umgebung mit Nanomaschinen fürchtet.«

»Ich fürchte mich nicht vor ihnen. Ich fürchte mich nur davor, dass ich nicht wieder nach Hause darf, wenn man herausfindet, dass ich mit Ihnen zusammengearbeitet habe.«

»Verlangen Sie einfach eine komplette Untersuchung«, sagte Cardenas. »Dann wird man schon feststellen, dass Sie keine Nanobots im Körper haben.«

»Ja«, sagte er widerstrebend. »Vielleicht.«

»Wir müssten die Zusammenarbeit mit Dr. Cardenas auch gar nicht in Ihrer Akte erwähnen«, sagte Holly. »Die irdischen Behörden werden nur erfahren, dass Sie während des Aufenthalts im Habitat in der Instandhaltung gearbeitet haben.«

»Wären Sie dazu in der Lage?« Sogar Cardenas schaute ungläubig.

»In besonderen Fällen wäre ich dazu in der Lage«, sagte Holly und fragte sich zugleich, wie sie Morgenthau daran hindern könnte, ihre fleischige Nase in Tavaleras offizielles Dossier zu stecken.

»Das würden Sie für mich tun?«, fragte Tavalera.

»Sicher würde ich das tun«, sagte Holly.

Er war noch nicht ganz überzeugt, doch dann drehte er sich plötzlich zu Cardenas um und sagte: »Ich schätze, wenn Sie Mist machen und Killer-Nanos freisetzen, würde sowieso die ganze Belegschaft des Habitats dran glauben müssen. Da kann ich genauso gut mit Ihnen zusammenarbeiten. Ist auf alle Fälle besser als die Wartung von landwirtschaftlichem Gerät.«

Cardenas schaute Holly an und brach in Gelächter aus. »Sie sprühen geradezu vor Begeisterung, Mr. Tavalera.«

Auf seinem Pferdegesicht erschien ein verkniffenes Grinsen. »Stimmt, der bin ich: Mr. Begeisterung.«

»Mal ernsthaft«, sagte Holly zu ihm, »wollen Sie nun mit Dr. Cardenas zusammenarbeiten oder nicht?«

»Ich werde es tun. Wieso auch nicht? Was habe ich denn schon zu verlieren?«

»Sind Sie mit ihm einverstanden?«, wandte Holly sich an Cardenas.

Cardenas lächelte ihren neuen Assistenten an und sagte: »Na ja — wir werden uns schon irgendwie zusammenraufen.«

Sie erhob sich, und Tavalera folgte ihrem Beispiel mit einem schüchternen Lächeln. Er sieht gleich viel besser aus, wenn er lächelt, sagte Holly sich.