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»Und noch schlimmer, Sie würden den Anzug ruinieren.«

Gaeta lachte nur.

»Es besteht wirklich die Gefahr, dass Sie dabei umkommen«, sagte Wunderiy.

»Nicht, wenn Sie die richtigen Durchgangspunkte in den Ringen für mich aussuchen. Punkte mit möglichst wenig großen Brocken.«

»Dazu müsste ich die Ringe für Monate aus nächster Nähe studieren, Manny«, sagte Wunderly seufzend. »Vielleicht sogar für Jahre.«

»Wir haben doch noch ein paar Wochen, bevor wir in eine Umlaufbahn um den Saturn gehen. Wäre das nicht genug?«

»Ich brauchte die gesamte verfügbare Rechenkapazität, um aussagefähige Berechnungen durchzuführen«, sagte sie. »Und dann brauchte ich noch Zeit an den großen Teleskopen, doch an die lässt Urbain mich nicht ran.«

Von Helmholtz schaute überrascht. »Er erlaubt es Ihnen nicht, die Teleskope in der Astronomiekapsel zu benutzen?«

Wunderly schüttelte den Kopf. »Urbain gewährt mir gar keinen Zugang zu den großen Teleskopen. Sie sind ständig auf Titan gerichtet.«

»Alle?«

»Alle«, sagte Wunderly.

»Vielleicht lässt er doch mit sich reden und erlaubt es Ihnen, eins zu benutzen«, sagte Gaeta.

»Wird er nicht. Ich habe ihn schon mehr als einmal gefragt. Zumal ich viel Rechenzeit brauchte.«

»Vielleicht könnte jemand anders ihn fragen«, sagte Gaeta.

»Und wer?«, fragte Cardenas.

»Wilmot. Oder wenn nicht er, dann kann vielleicht Eberly etwas deichsein.«

Sie schüttelte erneut den Kopf. »Urbain würde Eberly gar nicht anhören. Er würde nicht einmal mit ihm sprechen. Sie treten bei den Wahlen gegeneinander an, schon vergessen?« Eberly saß derweil angespannt im Wohnzimmer seines Apartments, das er zur Wahlkampfzentrale umfunktioniert hatte. Eine Reihe von Computern füllte den Platz aus, wo zuvor das Sofa gestanden hatte. Jeder Rechner zeichnete ununterbrochen die Unterhaltungen an jedem öffentlichen Platz im Habitat und noch in ein paar Privatwohnungen und Büros auf — einschließlich Wilmots und Urbains.

»Ich mag diese Verfassung nicht«, sagte Morgenthau. »Sie hat mir nie gefallen, und sie gefällt mir immer weniger, je näher der Zeitpunkt ihrer Umsetzung rückt.«

Eberly saß auf dem Polsterstuhl am anderen Ende des ovalen Tisches und musterte ihr fleischiges Gesicht. Ihr übliches Lächeln war verschwunden; sie war todernst.

»Wieso haben Sie Ihre Bedenken nicht geäußert, als wir sie aufsetzten?«, fragte er ungnädig.

»Ich glaubte, Vyborg und Jaansen würden ordentlich Rabatz machen, bis Sie dann verlangten, dass sie mit dem Streit aufhören sollten.«

»Ich habe es Ihnen doch schon x-mal erklärt«, sagte Eberly mit wachsender Ungeduld. »Solang die Notstands-Klausel in der Verfassung in Kraft ist, ist der ganze Rest irrelevant.«

»Es gefällt mir trotzdem nicht«, sagte Morgenthau trotzig.

Eberly glaubte zu wissen, wo das Problem lag. Morgenthau war keine Kämpfernatur; sie war eine Agentin, die zu dem angeblichen Zweck im Habitat platziert worden war, ihn zu unterstützen. In Wirklichkeit sollte sie ihn jedoch beobachten und an die Heiligen Jünger berichten. Jemand an der Spitze der Hierarchie musste die neue Verfassung überprüft und befunden haben, dass sie nicht mit den hohen moralischen Ansprüchen der Jünger konform ging. Sie würde mich normalerweise nie so angehen, sagte sich Eberly. Sie muss von ihren Vorgesetzten auf der Erde unter Druck gesetzt werden.

»Es ist ohnehin zu spät, sie noch zu ändern«, sagte er in einem bemüht ruhigen Ton. »Die Leute stimmen in drei Wochen darüber ab.«

»Sie könnten sie doch mit der Begründung zurückziehen, dass wir noch mehr Zeit für die endgültige Version brauchten«, sagte Morgenthau.

»Sie zurückziehen?« Trotz aller Selbstbeherrschung schrie Eberly die Worte beinahe heraus. »Das würde auch bedeuten, dass wir die Wahl verschieben müssten.«

Morgenthau sagte nichts.

Wie bringe ich sie wieder auf meine Seite, fragte Eberly sich. Wie vermag ich sie davon zu überzeugen, dass sie besser damit fahren würde, meine Befehle zu befolgen anstatt die schwachsinnigen Artweisungen dieser frömmelnden Sesselfurzer von der Erde?

Er beugte sich auf dem Stuhl vor und lehnte sich halb über den Tisch. »Hören Sie mir zu«, sagte er. »In drei Wochen werden die Leute wählen. Sie werden diese Verfassung aus denselben Gründen annehmen, weshalb Sie ihr misstrauen: weil sie ihnen nämlich persönliche Freiheit und eine liberale Regierung verspricht.«

»Ohne Regeln für Geburtenkontrolle. Ohne jede moralische Norm.«

»Das kommt später, nachdem die Verfassung angenommen und wir in Amt und Würden sind.«

Morgenthau schien alles andere als überzeugt.

»Wie ich schon mehr als einmal erklärt habe«, sagte Eberly im Bemühen, sich unter Kontrolle zu halten, »wenn ich erst einmal an der Macht bin, werde ich den Notstand ausrufen und all diese liberalen Gesetze aufheben, die Sie stören.«

»Wie können Sie den Notstand ausrufen, wenn doch alle mit der Verfassung zufrieden sind?«

»Wir brauchen irgendeine Krise. Ich werde mir schon was einfallen lassen.«

»Sie wurden aus dem Gefängnis entlassen und in diesem Habitat platziert, um eine strenge und gottesfürchtige Regierung zu bilden«, sagte Morgenthau mit versteinertem Gesicht. »Sie halten Ihren Teil der Vereinbarung nicht ein.«

»Das ist nicht wahr!«, protestierte er. Und im Innern wimmerte eine panische Stimme: Sie können mich doch nicht wieder ins Gefängnis stecken. Das können sie nicht tun! »Wir müssen nur eine Krise inszenieren«, sagte er. »Dann werden Kananga und sein Sicherheitsteam zuschlagen.«

»So einfach wird das nicht laufen«, sagte Morgenthau. »Je mehr Macht Sie Kananga geben, desto gieriger wird er. Ich traue ihm nicht.«

»Ich auch nicht«, gestand Eberly. Ich traue niemandem, fügte er stumm hinzu.

»Und dann ist da noch diese Cardenas, die mit Nano- Maschinen arbeitet. Sie sind die Saat des Teufels, und doch erlauben Sie ihr, mitten unter uns mit diesem Teufelswerk fortzufahren.«

»Nur so lange, bis ich an der Macht bin«, sagte Eberly.

»Sie muss verschwinden. Sorgen Sie dafür.«

Eberly nickte verdrießlich, und plötzlich stand die Lösung für seine Probleme mit der gleißenden Helligkeit einer Offenbarung vor seinem geistigen Auge. Ja, sagte er sich. Das ist die Lösung für alles!

Er rang sich für die noch immer schmollende Morgenthau ein Lächeln ab und tätschelte ihr Knorpelknie. »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Ich werde mich schon um alles kümmern.«

Ihr Stirnrunzeln milderte sich etwas ab und wich einem Ausdruck der Neugier.

»Vertrauen Sie mir«, sagte Eberly mit einem noch breiteren Grinsen.

Laboratorium Lavoisier

Kris Cardenas fragte sich, wieso Urbain sie um ein Treffen gebeten hatte. Aber nicht in seinem Büro, nicht einmal in der Astronomie-Kapsel, wo die großen Teleskope stationiert waren. Sondern hier im Wissenschaftsgebäude, in seinem Hauptlabor, das nach dem Begründer der modernen Chemie benannt worden war: nach dem Franzosen Antoine Laurent Lavoisier, der im achtzehnten Jahrhundert gelebt hatte.

Cardenas' eigenes Labor (benannt nach dem amerikanischen Physiker Richard P. Feynman) befand sich in einem anderen Gebäude auf dem Hügel, wo Athen errichtet war — so weit wie möglich von den anderen Labors entfernt. Als sie den gepflasterten Pfad entlangging, der sich an den niedrigen, weiß getünchten Apartmenthäusern und Geschäften der Ortschaft vorbeischlängelte, spürte Cardenas wieder den alten Zorn wegen der unbegründeten Furcht vor der Nanotechnik in sich aufkeimen.

Beherrsch dich, sagte sie sich. Konzentriere dich auf das Wesentliche. Vergiss nicht, dass Lavoisier während der Französischen Revolution enthauptet wurde. Man muss sich doch ständig mit irgendwelchen Idioten und Halbaffen herumschlagen.