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Also setzte sie ein strahlendes Lächeln auf, als sie den Laborkomplex betrat und Edouard Urbain im Eingang seines Labors stehen sah. Er erwartete sie bereits. Und er machte einen nervösen Eindruck. Nein, sagte Cardenas sich. Nicht nervös. Aufgeregt. Erwartungsvoll. Beinahe wie ein kleiner Junge, der vorm Weihnachtsbaum stand und es kaum erwarten konnte, endlich die Geschenke auszupacken.

»Dr. Cardenas!«, begrüßte Urbain sie. »Ich freue mich über Ihr Kommen.«

»Und ich freue mich über Ihre Einladung«, erwiderte sie.

Er führte sie ins Labor. Cardenas war etwas größer als Urbain; ihr flachsblondes Haar und die strahlend blauen Augen standen in scharfem Kontrast zu seinem dunklen, zurückgekämmten Haar und den rehbraunen Augen.

Das Labor nahm zwei Stockwerke ein: Die kahle Metalldecke war zugleich das Dach des Gebäudes. Eine große Trennwand stand direkt hinterm Eingang und verstellte den Blick auf den eigentlichen Laborbereich. Der Ort mutete Cardenas wie ein Flugzeughangar oder ein leeres Lagerhaus an. Mit einer kleinen Geste führte Urbain Cardenas an der Trennwand entlang.

»Ich wollte Ihnen das hier zeigen«, sagte er mit einem freudigen Tremolo. Sie dachte schon, dass sein Schnurrbart jeden Moment zu zittern anfinge. »Ich bin sehr stolz auf unsere Leistung.«

Sie erreichten das Ende des Schirms. Mit Verve bog Urbain um die Ecke und deutete auf ein massives Objekt, das mitten im Labor stand.

Das Erste, was Cardenas auffiel, war, dass das Labor ausgeräumt und der Fußboden gefegt war. Kein Papierfetzen und keine Werkzeuge waren zu sehen. Keine Kabel schlängelten sich über den Boden oder hingen von der Decke herab. Er hat das Labor aufgepeppt, sagte Cardenas sich. Es sieht aus wie ein alter Ausstellungsraum für Autos.

»Hier ist es«, sagte Urbain glühend vor Stolz. »Titan Alpha.«

Cardenas identifizierte es als ein Raumschiff: Über zwei Meter groß, fast drei, schätzte sie. Es stand auf einem Kettenfahrgestell wie ein altmodischer Panzer. Wuchtig. Silbergrau. Titan, vermutete sie. Der längliche Korpus war mit Vorsprüngen gespickt.

»Es ist komplett hier gebaut worden«, sagte Urbain fast im Flüsterton. »Es existierte noch nicht, als wir die Erde verließen. Nicht einmal ansatzweise. Meine Leute und ich haben es konstruiert.«

Dann wurde Cardenas sich bewusst, dass ein halbes Dutzend Männer und Frauen an der Rückwand standen. Wie Schüler, die man dort hatte antreten lassen und zum Stillschweigen vergattert hatte.

»Sie wollen damit auf der Titanoberfläche landen«, sagte Cardenas.

»Natürlich nicht selbst«, sagte Urbain. »Alpha wird vielmehr vom Habitat aus ferngesteuert. Es handelt sich um ein mobiles Labor, das die Oberfläche von Titan für uns erkunden wird.«

»Ach so.«

Urbain schnippte mit den Fingern, und ein Techniker auf der anderen Seite des Labors wirbelte herum und tippte Befehle in eine schreibtischgroße Konsole. Das Raumschiff bewegt sich. Ein lautes elektrisches Summen erfüllte das Labor, und zwei lange dünne Arme klappten an einer Seite des Rumpfs aus. Pinzettenartige Greifer öffneten und schlossen sich. Cardenas wich instinktiv einen Schritt zurück.

Urbain lachte. »Keine Angst. Es tut Ihnen nichts. Diese Greifer vermögen die empfindlichsten biologischen Proben zu handhaben, ohne sie zu beschädigen.«

»Es ist… sehr eindrucksvoll.«

»Nicht wahr? Alpha ist mit einer kompletten Sensoren-Palette ausgestattet. Es kann Proben nehmen, sie in luftdichten Kapseln deponieren und zwecks Analyse zum Habitat zurückschicken.«

»Wird das Schiff nach beendeter Mission zurückkehren?«

»Nein. Nie. Es bleibt auf Titan. Wir werden Brennstoff und Ersatzteile für die Sensoren dorthin schicken.«

»Hat es denn keinen Nuklearantrieb?«, fragte Cardenas.

»Natürlich! Der Brennstoff ist für die Raketen, die die Proben zurückbringen.«

»Ich verstehe.«

Urbain seufzte zufrieden. »Ich habe leider nicht so viel Zeit ins Projekt investieren können, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich werde von dieser politischen Kampagne in Anspruch genommen, müssen Sie wissen.«

Cardenas nickte. »Und doch haben Sie es geschafft. Das ist wirklich eine große Leistung.«

»Ohne meine Leute hätte ich es nicht geschafft.«

»Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir das gezeigt haben«, sagte Cardenas. Insgeheim befürchtete sie aber, dass Urbain dem Raumschiff den Befehl geben würde, über den Boden des Labors zu rollen.

Sie ging langsam in Richtung der Tür. Urbain holte sie mit zwei Schritten ein.

»Ich wollte aber nicht nur mit meiner neusten Errungenschaft prahlen«, sagte er mit einem etwas weniger enthusiastischen Ausdruck. »Ich möchte Sie auch um einen Gefallen bitten.«

»Einen Gefallen?«, fragte Cardenas, während sie an der Trennwand entlangging. Das massive Raumschiff vermittelte ihr ein Gefühl der Bedrückung, ja sogar der Bedrohung.

Urbain zögerte, als würde er sich schwer tun, die richtigen Worte zu finden. »Es betrifft Alphas Fähigkeit zur Selbstreparatur.«

Cardenas schaute ihn streng an.

»Ich frage mich«, sagte Urbain, als sie sich am Ende der Trennwand umdrehten, »ob Nanomaschinen in der Lage wären, Alpha auch auf der Titanoberfläche zu reparieren.«

Cardenas nickte nachdenklich. Da liegt also der Hase im Pfeffer. Sie haben alle eine Heidenangst vor Nanobots, bis sie auf ein Problem stoßen, das von Nanomaschinen gelöst werden könnte.

»Ich meine«, fuhr Urbain fort, »Sie haben doch selbst Nanomaschinen im Körper, stimmt's? Sie reparieren ständig das Gewebe, nicht wahr?«

»Und Sie hätten gern ein Nanotech-Immunsystem in Ihr Raumschiff eingebaut«, sagte Cardenas mit einem leisen Lachen der Erleichterung.

»Nanomaschinen, die fähig wären, kontinuierlich Defekte und Schäden an der Ausrüstung zu beheben.«

»Oder Verschleiß«, ergänzte Cardenas.

»Ja! Exakt!«

Sie blieb an der offenen Tür stehen und überlegte schnell. »Das würde aber einige Zeit dauern, Dr. Urbain. Wann wollen Sie das Raumschiff zum Titan schicken?«

»Sobald wir in eine Umlaufbahn um den Saturn gegangen sind. Höchstens ein paar Tage später.«

»Ich werde auf keinen Fall in der Lage sein, so schnell einen Satz therapeutischer Nanos zu konstruieren.«

»Aber vielleicht könnten Sie gleich mit der Produktion beginnen und sie zu Alpha schicken, wenn das Schiff schon auf Titan ist.«

»Vielleicht«, räumte Cardenas ein.

»Werden Sie die Möglichkeit in Betracht ziehen?«, fragte er erwartungsvoll.

Cardenas sah in seinen Augen, dass er diese seine Maschine beinahe wie ein menschliches Wesen betrachtete, wie eine Frau, die er liebte und begehrte und vor allen Unbilden schützen wollte. Ein Dr. Frankenstein mit Herz, sagte sie sich voller Unbehagen angesichts der von ihm erschaffenen Kreatur. Dann schoss ihr eine schmerzliche Erinnerung durch den Kopf. Wie oft hat man dich schon Frankenstein genannt, fragte sie sich.

»Können sie es schaffen?«, fragte Urbain nachdrücklich.

»Ich will es versuchen.«

»Gut! Ausgezeichnet!«

»Unter einer Bedingung«, fügte sie hinzu.

Seine Brauen wölbten sich bis zum zurückweichenden Haaransatz. »Bedingung? Wenn Sie von mir verlangen, dass… dass ich diesem Stuntman erlaube, die Oberfläche zu betreten…«

»Aber wir haben die Dekontaminationsprozeduren doch schon ein paarmal getestet«, sagte Cardenas. »Ich habe Ihnen die Berichte geschickt.«

»Tests in der Luftschleuse. Ja, ich habe Ihre Berichte überflogen.«

»Dann wissen Sie auch, dass wir in der Lage sind, seinen Anzug zu Ihrer Zufriedenheit zu reinigen.« Plötzlich hatte Cardenas eine Eingebung. »Und Ihr Raumschiff könnten wir auf die gleiche Art dekontaminieren.«