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Urbain räusperte sich und sagte: »Wie Sie wissen, bin ich kein Politiker. Aber ich bin ein guter Administrator. Die Leitung von über einhundert höchst individualistischen Wissenschaftlern und ihrer Assistenten ist in etwa damit zu vergleichen, ein Rudel Katzen darauf zu dressieren, im Gleichschritt zu marschieren.«

Er hielt inne und wartete auf Gelächter. Aber nur vereinzeltes Gekicher wurde im Publikum laut.

Mit einem leicht pikierten Gesichtsausdruck fuhr Urbain fort: »Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen zeige, wie ich die wissenschaftlichen Programme dieses Habitats leite. In dieser ersten Abbildung sehen wir…«

AVs! Eberly vermochte nur mit Mühe einen Jubelruf zu unterdrücken. Er zeigt audiovisuelle Darstellungen, als ob dies eine wissenschaftliche Konferenz wäre. Die Zuhörer werden dabei einschlafen!

Holly fühlte sich in Gaetas unmittelbarer Nähe unwohl, doch Eberly hatte ihr gesagt, dass sie den Stuntman zur Versammlung mitbringen solle, und diese Anweisung hatte sie auch befolgt.

Gaeta hatte sein charmantestes Lächeln aufgesetzt, als Holly ihn anrief. »Ich soll mit dir zur Versammlung gehen? Ich mache mir aber nicht viel daraus, Reden zuzuhören.«

»Dr. Eberly hat aber ausdrücklich um deine Anwesenheit ersucht«, hatte Holly in der Sicherheit ihres Büros zu seinem Bild gesagt. »Du würdest ihm damit einen Gefallen tun.«

»Eberly, hä?« Gaeta ließ sich das für einen Moment durch den Kopf gehen. »In Ordnung, wieso nicht? Dann können wir anschließend zusammen zu Abend essen. Okay?«

Obwohl Holly inzwischen wusste, was Gaeta für ein Schürzenjäger war, wollte sie zustimmen. Dennoch sagte sie: »Ich bin sicher, dass Dr. Eberly gern mit dir zu Abend essen würde.«

»Nein, ich dachte dabei eher an dich, Holly.«

»Ich glaube aber nicht, dass ich Zeit haben werde.«

»Wieso nicht?«

Weil du mit jeder Erau vögelst, von der du Hilfe erwartest, hätte sie am liebsten gesagt. Weil du mich nur als ein Betthäschen betrachtest und weil du ein unsensibler Macho bist. Weil ich will, dass du etwas für mich empfindest und es dir nur darum geht, mich flach zu legen.

Doch dann hörte sie sich sagen: »Ja, vielleicht. Wir werden sehen.«

Von seinem Platz auf der Bühne aus sah Eberly Urbains audiovisuelle Bilder, die überm Rednerpodium in der Luft hingen, in einer bizarren perspektivischen Verkürzung. Urbain erläuterte sie in einem drögen, leidenschaftslosen Monolog.

Ein Organigramm. Dann ein paar flüchtige Teleskop- Abbildungen vom Titan, die eine verschwommen orangefarbene Sphäre zeigten. Urbain erläuterte mit einem Laserpointer Details, die Eberly nicht im Geringsten interessierten. Und den Rest des Publikums wohl auch nicht, sagte Eberly sich.

»Und nun das letzte Hologramm«, sagte Urbain. Eberly wollte ihm schon erleichtert Beifall spenden.

Was da in drei Dimensionen über der Bühne erschien, sah aus wie ein silbergrauer Panzer.

»Dies ist Alpha«, sagte Urbain, wobei Stolz in seiner Stimme mitschwang. »Es wird auf der Oberfläche des Titan landen und eine gründliche Untersuchung dieser Welt vornehmen, die in Echtzeit von meinem wissenschaftlichen Team und meinem technischen Stab kontrolliert wird.«

Der Panzer setzte sich auf seinen Ketten in Bewegung und rollte umher; dabei fuhr er mechanische Arme aus, die in Zangen und schaufelartigen Auswüchsen endete. Urbain trat an die Seite des Podiums und betrachtete die Maschine. Dabei wirkte er wie ein stolzer Vater, der liebevoll die ersten Gehversuche seines Kindes verfolgt.

Wilmot, der in der ersten Reihe gesessen hatte, erklomm die Stufen zur Bühne und trat ans Podium.

»Eine sehr beeindruckende Vorführung, Dr. Urbain, aber Ihre fünf Minuten sind leider um«, sagte er mit einer Stimme, die durchs am Revers angebrachte Mikrofon so verstärkt wurde, dass jeder ihn hörte.

Ein enttäuschter Ausdruck erschien in Urbains Gesicht, doch er schaltete sofort den handflächengroßen Projektor aus und wandte sich mit einem Lächeln ans Publikum.

»Ich danke Ihnen für Ihre Geduld«, sagte er, wandte sich ab und nahm wieder seinen Platz zu Eberlys Linken ein. Niemand spendete ihm Beifall.

»Und hier ist Mr. Ilja Timoschenko vom Konstruktions- Büro«, sagte Wilmot am Podium. »Mr. Timoschenko wurde in Orel in Russland geboren und hat einen Hochschulabschluss als Elektroingenieur…«

Eberly blendete Wilmots Kommentare aus und beobachtete die Menge. Es waren viele Männer und Frauen darunter, die mit grauen Overalls bekleidet waren. Mein Gott, sagte er sich, das sieht aus wie eine Uniform. Und fast die Hälfte der Anwesenden trägt graue Overalls!

Timoschenko trottete zum Podium, bedankte sich mit einem Nicken bei Wilmot und richtete den Blick auf die Zuhörer. Er versuchte zu lächeln, doch bei seinem griesgrämigen Gesicht geriet es eher zu einer Grimasse.

»Ich werde keine fünf Minuten brauchen«, sagte er mit rauer, heiserer Stimme. »Meine Botschaft ist ganz einfach. Dr. Urbain sagt, dass Sie für ihn stimmen sollten, weil er Wissenschaftler sei. Und Dr. Eberly wird Ihnen sagen, dass Sie für ihn stimmen sollten, weil er kein Wissenschaftler sei.«

Ein paar Leute lachten.

»Ich bitte Sie nun, für mich zu stimmen, weil ich ein einfacher Werktätiger bin wie die meisten von Ihnen. Ich bin kein Abteilungsleiter. Ich bin überhaupt kein Chef. Aber ich weiß, wie man Menschen dazu bringt, dass sie zusammenarbeiten, und ich bin einer von Ihnen. Ich werde Ihre Interessen vertreten, weil ich einer von Ihnen bin. Denken Sie daran, wenn Sie Ihre Stimme abgeben. Vielen Dank.«

Er wandte sich ab und ging an seinen Platz zurück. Kein Applaus. Das Publikum war zu überrascht von der Prägnanz seines Vortrags.

Wilmot schien im ersten Moment konsterniert, doch dann erhob er sich und ging zielstrebig zum Podium.

»Danke, Mr. Timoschenko«, sagte Wilmot und schaute über die Schulter zu dem Ingenieur. Dann drehte er sich wieder zum Publikum und sagte: »Ich finde, dass Mr. Timoschenko einen kräftigen Applaus verdient hat — wenn schon aus keinem anderen Grund, dann wenigstens der Kürze seiner Ansprache wegen.«

Wilmot klatschte in die fleischigen Hände, und die Menge schloss sich ihm an. Eberly fand jedoch, dass der Applaus mechanisch war, und er hielt auch nicht lange an.

»Unser letzter Kandidat«, sagte Wilmot, »ist Dr. Malcolm Eberly, Leiter der Abteilung Human Resources und federführend bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung, über die wir am Wahltag abstimmen werden.«

Ohne eine weitere Erläuterung drehte er sich halb zu Eberly um und sagte nur: »Dr. Eberly.«

Ein paar Dutzend Leute, die im Publikum verteilt waren, erhoben sich und applaudierten vernehmlich, als Eberly aufstand und aufs Podium trat. Andere schauten sich um, erhoben sich ebenfalls langsam, beinahe zögerlich von den Plätzen und klatschten. Als Eberly die Seiten des Podiums packte, hatte sich bereits die Hälfte des Publikums erhoben und applaudierte ihm. Schafe, sagte Eberly sich. Die meisten Menschen sind im Grunde dumme Schafe. Sogar Wilmot war aufgestanden und klatschte der Höflichkeit halber mit.

Eberly gebot mit einer Geste Ruhe, und alle setzen sich wieder hin.

»Ich sollte wohl darauf hinweisen, dass ich auch kein Politiker bin«, hob er an. »Zumindest war ich keiner, bis ich in dieses Habitat gekommen bin.

Wenn es jedoch etwas gibt, das ich während unserer monatelangen gemeinsamen Reise gelernt habe, dann ist es dies: Unsere Gesellschaft darf nicht in Klassen gespalten werden. Wir müssen vereint sein. Sonst werden wir im Chaos versinken.«

Eberly drehte sich leicht um und warf einen Blick auf Urbain. Dann wandte er sich wieder seinen Zuhörern zu und fragte: »Wollt ihr denn in Wissenschaftler und Nicht-Wissenschaftler unterteilt werden? Wollt ihr, dass eine kleine, selbstverliebte Elite eure Regierung stellt? Woher leiten diese Wissenschaftler ihren Führungsanspruch überhaupt ab? Wieso solltet Ihr von einer elitären Gruppe Befehle entgegennehmen, die ihre eigenen Ziele und Bedürfnisse über die euren stellt?«