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Sie atmete durch und klopfte an die Tür. Keine Reaktion. Holly schlug mit der flachen Hand dagegen; sie befürchtete zwar, dass das Geräusch die Nachbarn wecken würde, aber sie war entschlossen, Eberly aufzusuchen.

Sie hörte hinter der Tür jemanden husten. Dann ertönte Eberlys gedämpfte Stimme: »Wer da?«

»Holly«, sagte sie und stellte sich direkt vor den Türspion.

Eberly schob die Tür zurück. Er hatte sich in einen dunklen Morgenmantel gekleidet, und das Haar war leicht zerzaust.

»Es gibt auch eine Klingel«, sagte er ungehalten.

»Ich muss Sie sprechen«, sagte sie. »Es ist dringend.«

Als ob er sich wieder seiner Umgangsformen entsinnen würde, bedeutete Eberly ihr, ins Wohnzimmer zu gehen. Mit einem Fingerschnippen schaltete er die indirekte Deckenbeleuchtung an. Nun sah Holly, dass der Morgenmantel kastanienfarben war. Und er selbst war barfuß.

»Was gibt's, Holly? Was ist denn los?«

»Es tut mir Leid, Sie um diese Zeit zu stören, Malcolm, aber ich komme sonst nicht an Morgenthau und Ihren anderen Assistenten vorbei und ich brauche Ihre Hilfe und dies war die einzige Möglichkeit, allein mit Ihnen zu sprechen.«

Er lächelte verhalten und strich sich das Haar zurück. »In Ordnung. Nun sprechen Sie mich also. Wo liegt das Problem?«

»Diego Romero. Er wurde ermordet.«

»Ermordet?« Eberly schien weiche Knie zu bekommen. Er ließ sich aufs Sofa sinken.

Holly setzte sich auf den Stuhl, der ihm am nächsten stand und sagte: »Ich bin mir sicher. Es war kein Unfall. Er versuchte, sich aus dem Wasser zu stemmen und jemand hat ihn hinuntergedrückt.«

Eberly schluckte sichtlich und fragte dann: »Haben Sie dafür Beweise?«

»Ich habe Indizien. Die Abschürfungen an seinen Händen. Er kann sie sich nur so zugezogen haben.« Sie ließ die Szene noch einmal Revue passieren und fügte hinzu: »Und es gab Fußspuren im Schmutz — Abdrücke von einer weiteren Person.«

»Aber wer hätte diesen netten alten Mann denn umbringen sollen? Wieso hätte irgend jemand ihn ermorden sollen?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Holly. »Deshalb brauche ich ja Ihre Hilfe. Man sollte eine Untersuchung durchführen.«

Er saß für einen Moment schweigend da und dachte offensichtlich angestrengt nach. »Holly, dies ist ein Fall für die Sicherheitsabteilung. Sie sollten Ihre Indizien dort melden.«

»Sicherheitsabteilung? Also Kananga, nicht wahr?«

»Ja, er leitet die Sicherheitsabteilung.«

»Ich glaube nicht, dass er mich ernst nehmen würde«, sagte Holly händeringend. »Er… er würde meine Indizien nicht für ausreichend halten, um eine Untersuchung in die Wege zu leiten.«

Eberly lehnte sich auf dem Sofa zurück. »Oberst Kananga ist ein erfahrener Polizist. Er wird schon wissen, was zu tun ist.«

»Malcolm, er macht mir Angst«, gestand sie.

Er sagte zunächst nichts und schaute Holly mit diesen strahlend blauen Augen an. Dann lächelte er freundlich. »Holly, möchten Sie, dass ich Sie zu Kananga begleite?«

Ihr Herz verkrampfte sich in der Brust. »Würden Sie das wirklich für mich tun?«

»Natürlich würde ich das für Sie tun, Holly.«

»Großartig. Kosmisch!«

Eberlys Lächeln wurde noch herzlicher. »Ich werde Kananga gleich morgen früh anrufen.« Sein Blick wanderte zur Digitaluhr an der Wand. »Das ist ja schon in ein paar Stunden.«

Sie sprang auf. »Meine Güte, es tut mir furchtbar Leid, dass ich Sie zu dieser nächtlichen Stunde belästigt habe, Malcolm. Es ist nur so, dass ich sonst nicht zu Ihnen durchkomme, weil Sie immer von so vielen Menschen umgeben sind, und…«

Eberly erhob sich und drückte sanft ihre Schulter. »Ich weiß. Ich habe immer so viel Arbeit. Zu viel Arbeit. Aber für Sie nehme ich mir immer Zeit, Holly. Rufen Sie mich einfach hier in meiner Unterkunft an. Hinterlassen sie eine Nachricht, und ich werde Sie zurückrufen und einen privaten Termin mit Ihnen vereinbaren.«

Ihr fehlten die Worte. »Kosmisch« war das Einzige, was sie hervorzubringen vermochte.

Eberly brachte sie zur Tür. »Ich möchte nicht, dass Sie sich wegen irgend etwas Sorgen machen, Holly. Wir werden morgen mit Kananga reden. Und wenn Sie in Zukunft mit mir sprechen möchten, hinterlassen Sie einfach eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter.«

»Das werde ich tun, Malcolm. Das werde ich ganz bestimmt tun.«

Als sie beschwingt nach Hause ging, sagte Holly sich, wie sehr Pancho sich doch geirrt hatte und wie dumm sie gewesen war. Malcolm hätte mich in sein Bett ziehen können, und ich wäre reingesprungen wie ein liebestolles Kaninchen, sagte sie sich. Aber Malcolm ist viel zu sehr Gentleman, um auch nur daran zu denken. Und der Typ, den Panch angeheuert hat, um mich zu beschützen, vögelt mich, wenn ihm gerade danach ist. Ein schöner Leibwächter.

Mitternacht — zweiter Akt

Manuel Gaeta ging auch noch nicht zu Bett. Als er seine Unterkunft erreichte, hatte er sich zu dem Entschluss durchgerungen, Kris Cardenas anzurufen und ihr alles zu gestehen.

»Darf ich dich aufsuchen, Kris? Ich muss dich sprechen«, sagte er zu ihrem Bild, das in der Mitte seines Einraum- Apartments schwebte. Sie trug noch immer die Hose und Bluse, die sie früher am Abend angehabt hatte. Dann wurde Gaeta sich bewusst, dass sie gar nicht in ihrem Apartment war; der Anruf war zu ihrem Labor weitergeleitet worden.

Cardenas schaute leicht verwirrt. »Sicher, Manny. Und wann?«

»Jetzt gleich.«

»Jetzt gleich?« Sie schien erst einmal darüber nachdenken zu müssen. »In Ordnung, komm rüber ins Labor. Ich warte dort auf dich.«

»Super!«

Auf halbem Weg erinnerte Gaeta sich an Hollys Witz über die Hoden fressenden Nanobots, die Kris angeblich entwickeln würde. Er lachte stumm. He, Mann, sagte er sich, du lebst mit der Gefahr. Dieses Leben hast du dir selbst ausgesucht.

Cardenas lachte indes nicht, als sie die verschlossene Tür zu ihrem Labor öffnete. Trotz der späten Stunde schaute sie noch immer wie aus dem Ei gepellt aus, wirkte aber todernst.

»Was hast du denn auf dem Herzen, Manny?« fragte sie und führte ihn an einer Reihe von Labortischen und blitzblanker Ausrüstung aus Kunststoff und Metall vorbei.

»Dich«, sagte er.

Cardenas setzte sich auf einen hohen Drehstuhl und wies Gaeta einen harten, unbequemen Stuhl zu. Er zog es jedoch vor, stehen zu bleiben.

»Dann denkst du also…« — sie schaute auf die Uhr an der gegenüberliegenden Wand — »um halb eins in der Früh nur an mich.«

Gaeta verschränkte die Arme über der Brust. »Komm schon, Kris, lass den Quatsch. Holly sagte mir, dass du über sie und über Nadia Bescheid wüsstest.«

»Ich kann mir vorstellen, dass du bei deinen Kumpels mit deinen Trophäen hausieren gehst.«

»Ich habe niemandem auch nur ein Wort gesagt. Du bist in der gleichen Umgebung wie ich aufgewachsen und hast gelernt, den Mund zu halten.«

Sie musterte ihn mit einem Ausdruck des Unglaubens. Aber da war noch etwas anderes, sagte er sich. Neugier? Vielleicht sogar Bedauern?

»Du sollst nur wissen«, sagte er, »dass du der einzige Mensch bist, der mir etwas bedeutet. Du bist der Einzige, den ich nicht verlieren will.«

Das traf sie unvorbereitet. »Du beliebst zu scherzen!«

»Das ist kein Scherz, Kris«, sagte er. »Das habe ich in meinem ganzen Leben noch zu niemandem gesagt. Ich glaube, dass ich dich liebe.«

Cardenas setzte zu einer Antwort an; dann schloss sie den Mund wieder und presste die Lippen zusammen.

»Das ist mein voller Ernst«, sagte Gaeta. »Das habe ich bisher noch zu niemandem gesagt.«

»Ich hätte nicht geglaubt, dass das jemals noch jemand zu mir sagen würde«, erwiderte sie schließlich so leise, dass er sie kaum hörte.