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Als sie sich jedoch zu ihrem Liebsten umdrehte, kehrte Ernüchterung bei ihr ein. Er wird sich noch umbringen, befürchtete sie. Es ist sein Job, immer größere Risiken einzugehen. Cardenas hasste die Öffentlichkeit, das sensationsgeile Publikum, das Manny zu immer riskanteren Stunts antrieb, bis er schließlich den Stunt versuchen würde, der ihn umbrachte.

Er lag auf dem Rücken und schlummerte selig; das verwitterte, markante Gesicht wirkte entspannt, beinahe jungenhaft. Cardenas studierte die kleinen Narben an der Braue und am Kinn und die angebrochen wirkende Nase.

Dann rief sie sich selbst zur Ordnung. Werde jetzt nur nicht weich. Selbst wenn er diesen Stunt durch die Ringe überlebt, wird er dich hinterher verlassen. Und was machst du dann? Ihm nachlaufen wie ein ältliches Groupie?

Gaeta öffnete die Augen, drehte sich zu ihr um und lächelte. Cardenas schmolz förmlich dahin.

»Wie spät ist es?«, nuschelte er und hob den Kopf gerade so hoch, dass er die Digitaluhr sah.

»Mitten in der Nacht«, flüsterte Cardenas. »Schlaf weiter.«

»Heute findet der große Test statt«, sagte er. »Die Schneeballschlacht.«

»Aber jetzt noch nicht. Schlaf weiter.«

»Nee. Jetzt bin ich wach.«

Cardenas streckte die Hand nach ihm aus. »Was du nicht sagst«, sagte sie mit einem verschmitzten Grinsen.

Das Telefon summte.

»Mierda«, stöhnte er.

»Nur Ton«, sagte Cardenas zum Telefon.

Hollys Gesicht nahm am Fußende des Betts Gestalt an. »Kann nicht lang reden. Wollte Ihnen nur sagen, dass Kananga mich umbringen wollte und ich auf der Flucht bin. Ich melde mich später wieder, wenn ich kann.«

Ihr Bild verschwand, und die beiden starrten ins Leere.

Schneeballschlacht

»Aufpassen!«, blaffte Fritz.

Manny blinzelte im massiven Anzug. Fritz hatte Recht — seine Gedanken waren abgeschweift. Das ist das Gefährliche bei diesen Liebesgeschichten; es fällt einem schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Wir werden in ein paar Tagen den Saturn erreichen, und ich werde durch die Ringe fliegen. Wenn genug Profit dabei 'rausspringt, dann zum Teufel mit Titan und Urbain und diesen verkrampften cositas. Ich werde das Geld einsacken und nach Hause gehen.

Mit Kris? Ob sie mit mir kommen wird? Ob ich den Mut aufbringe, sie zu fragen? Er lachte beinahe: Ich bin der furchtloseste Stuntman im ganzen Sonnensystem und habe eine Heidenangst davor, dass sie mich abblitzen lässt. Wo sind deine cojones, harter Mann?

Er schreckte durch Schläge gegen den Anzug auf. Fritz schlug, so hoch er kam, mit der flachen Hand gegen die gepanzerte Brust des Anzugs.

»Hallo. Eingeschlafen?«, rief Fritz.

»Ich bin wach!«, sagte Gaeta.

»Dieser Tage verbringst du zu viel Zeit im Bett, und trotzdem schläfst du zu wenig.«

»Ich bin doch wach«, wiederholte Gaeta quengelig.

Aus dem Innern des Anzugs sah Fritz aus wie ein kleiner Junge, der finster zu ihm aufblickte — er reichte Gaeta nicht einmal bis zur Schulter. Zusammen mit den vier anderen Technikern standen sie in einem abgeriegelten Abschnitt des Korridors. Er führte zu einer der großen Luftschleusen des Habitats, die groß genug waren, um große Ausrüstungsgegenstände durchzuschleusen. Gaeta war dort hineinmarschiert und hatte sich auf Fritz' Geheiß mit dem Rücken zur Luftschleusenluke gestellt. Nun sah er dort, wo der Korridor abgesperrt worden war, ein halbes Dutzend Ventilatoren, die die Techniker dort aufgestellt hatten. Drei Techniker schleppten schwere Wasserkanister herbei und stellten sie auf präzise markierten Punkten auf den rechteckigen Metallplatten des Korridorbodens ab. Neben jedem Ventilator stand eine dunkle Metallröhre, die von einer kupferfarbenen Spule umhüllt war und Gaeta wie eine Kreuzung zwischen einem Laborgerät und einer Schrotflinte anmutete. Der vierte Techniker lud sie mit Kugellagerkugeln.

»Diese Simulation wird nur ein paar Sekunden dauern«, sagte Fritz, »aber sie soll dir schon einmal ein Gefühl dafür vermitteln, was dich im Ring erwartet.«

»Das weiß ich doch alles schon, Fritz«, sagte Gaeta ungeduldig. »Bringen wir's hinter uns.«

»Das Wasser wird zu Eiskristallen gefrieren, und die Ventilatoren werden dich damit anblasen«, fuhr Fritz so ungerührt fort, als habe er kein einziges Wort gehört. »Die elektromagnetischen Kanonen werden die Kugeln auf eine Geschwindigkeit von annähernd anderthalb Mach beschleunigen, um größere Eisbrocken des Rings zu simulieren.«

»Und ich stehe hier rum und kriege alles ab«, sagte Gaeta.

»Ich gehe nicht davon aus, dass der Anzug perforiert werden wird«, sagte Fritz.

»Die Selbstabdichtung schließt alle eventuellen Lecks.«

»Provisorisch.«

»Lang genug für diesen Test.«

»Aber nicht lang genug, um dir das Leben zu retten, wenn du draußen in den Ringen bist.«

»Deshalb führen wir diese Simulation doch gerade durch, um zu sehen, ob der Anzug standhält. Fangen wir endlich an.« Fritz schaute mit offenem Mund zu ihm auf, wobei sein Gesichtsausdruck zwischen Unzufriedenheit und Besorgnis changierte.

»Komm schon, Fritz«, drängte Gaeta ihn. »Bringen wir es hinter uns.«

Mit einem Kopfschütteln führte Fritz die anderen Techniker durch die luftdichte Tür, die den Abschluss des Korridors bildete. Gaeta sah, wie sie sich schloss.

»Ich pumpe nun die Kammer aus«, ertönte Fritz' Stimme im Helmlautsprecher.

»Dann pump mal schön«, sagte Gaeta.

Der einzige Aspekt des Flugs durch Saturns B-Ring, den dieser Test nicht zu simulieren vermochte, war die Schwerelosigkeit. Gaeta hielt das aber auch nicht für wichtig; schließlich hatte er sich schon oft in der Schwerelosigkeit bewegt, so dass das kein Problem für ihn war.

Es war jedoch etwas anderes, in einem apokalyptischen Blizzard zu stehen und mit überschallschnellen Kugeln beschossen zu werden. Wie vor einem Erschießungskommando. Ja, sagte er sich, aber ich stecke in einem gepanzerten Anzug. Wie Superman. Die Kugeln werden einfach von mir abprallen. Hoffte er zumindest.

James Coleraine Wilmot saß allein in seinem Wohnzimmer und starrte in die Unendlichkeit. Ich bin ruiniert. Über meine eigene Dummheit gestolpert.

Er seufzte schwer. Ich könnte ihn bekämpfen. Die meisten Leute sind nur deshalb in diesem Habitat, weil sie die Gesetze und Verordnungen der Regierung nicht mehr ertrugen, die sie strangulierten. Na schön, ich habe einen ziemlich bizarren Geschmack, was meine Unterhaltung angeht. Ich könnte mich aber zu psychologischer Beratung oder sogar zu einer Psychotherapie bereit erklären. Ich muss nicht vor diesem rotzigen Eberly und seiner Clique zu Kreuze kriechen. Nicht, wenn ich es nicht selbst will.

Er dachte darüber nach. Eben — nicht, wenn ich es nicht selbst will. Wieso sollte ich mich aber den Peinlichkeiten und Belastungen einer öffentlichen Entlarvung aussetzen und mich zum Gespött der Leute machen? Ich müsste mich gegen Anschuldigungen verteidigen, mich entschuldigen und um Verständnis bitten. Nein, dem werde ich mich nicht aussetzen. Das kann ich nicht.

Vielleicht ist es auch besser so. Nun muss ich wenigstens nicht mehr so tun, als ob ich Kontrolle ausüben und Verantwortung tragen würde. Das Experiment läuft nun völlig frei von möglichen Eingriffen ab. Ich werde Atlanta davon in Kenntnis setzen müssen.

Er zögerte und runzelte die Stirn. Eberly beobachtet jede meiner Bewegungen und hört alle meine Gespräche ab. Selbst in der Privatsphäre meines Quartiers. Er wird mich auch jetzt beobachten.