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"Meinst Du? Denkst Du, der Beherrscher von Egypten habe einen Kadi zu fürchten? Wer bist

Du? Ein Pilger oder ein Bettler, der allein zu mir kommt. Der Kapudan-Pascha ist nicht bei mir gewesen. Aga ergreife ihn!"

Katombo legte die Hand an den Griff seines Säbels.

"Meinst Du, der Kapudan-Pascha habe den Statthalter von Egypten zu fürchten? Nimm Deinen Befehl zurück, sonst zwingt er mich, selbst Rache zu nehmen an dem Mörder der Meinigen!"

"Du wagst es, dem Könige von Egypten in seinem eigenen Palaste zu drohen? Sofort ergreifst Du ihn, Aga!"

Der Aga streckte die Arme aus; in demselben Augenblicke aber blitzte der Säbel Katombos, und das Haupt des Janitscharen fiel, vom Rumpfe getrennt, zur Erde. Der kopflose Körper wankte einige Sekunden lang, dann stürzte er auf den kostbaren Teppich nieder, während ein Strom rauchenden Blutes sich über den Boden ergoß.

"So weiß Nurwan-Pascha seinen Degen zu führen, wenn er gezwungen wird, den Frieden des Hauses zu verletzen."

Er wischte die blutige Klinge an dem Kissen ab, auf welchem er gesessen hatte, und steckte sie in die Scheide. Der Vizekönig hatte bis jetzt dagestanden, starr vor Schreck und Entsetzen. Jetzt kam wieder Leben in ihn.

"Mörder!" brüllte er beinahe heulend und stürzte sich mit hoch geschwungenem Säbel auf Katombo.

Dieser parirte den Stoß blos mit der Faust, doch so, daß der Degen weithin an die Wand flog. Da griff der Khedive in seinen Shawl, der ihm als Gürtel diente, riß eine Pistole hervor und drückte ab. Katombo machte eine blitzschnelle Wendung, und die Kugel pfiff an seinem Kopfe vorüber. Der Schuß lockte im Nu sämmtliche Diener herbei, welche sich in der Nähe des Divans befunden hatten.

"Haltet den Mörder und bindet ihn!" gebot der Khedive, schäumend vor Wuth. Katombo zog den Säbel wieder.

"Halt!" rief er streng. "Ich bin Nurwan-Pascha, der Kapudan-Pascha A des Großherrn. Ich habe mich nur gewehrt, und wer mich anrührt, der ist ein Kind des Todes!" Diese Worte und seine drohende Haltung bewirkten einige Augenblicke der Unentschlossenheit unter den Dienern, welche meist feige entmannte Verschnittene waren. Katombo benutzte die wenigen Sekunden und schritt davon. Der Khedive wüthete vor Grimm, aber ehe sich die Kastraten ernstlich an die Verfolgung machten, war Katombo bereits in der Menge der Passanten verschwunden, welche sich vor dem Palaste bewegten. Der Vizekönig schoß ein zweites Pistol auf die Dienerschaft ab und hieb einige von ihnen nieder; dann befahl er, den Kadi-Baschi sofort zu ihm zu bringen. Dieser hatte unterdessen auf die Zurückkunft Katombos gewartet.

"Wie ging es?" redete er ihn an, als er erschien. "Deine Augen blicken zornig und Deine Mienen verkünden Unheil."

"Dieser Säbel ist noch warm vom Blute des Mörders," antwortete der Gefragte finster. "Was hast Du gethan? Wen hast Du getödtet?" "Den Janitscharenaga."

"Allah akbar, Gott ist groß, aber Deine Verwegenheit ist noch viel größer. Wo hast Du ihn niedergeschlagen?"

"Im Palaste, vor den Augen des Vizekönigs." Der Kadi erbleichte. "So bist Du verloren!" "Verloren? Der Kapudan-Pascha?"

"Ja, denn weder ich noch der Großherr kann Dich retten. Du hast den Frieden des königlichen Palastes verletzt und den obersten Polizeiverweser des Reiches getödtet. Du bist der Rache und der Gerichtsbarkeit des Vizekönigs verfallen." "Ich bin dieser Gerichtsbarkeit nicht unterworfen!" "Du bist es!"

"Ich unterwerfe mich nicht." "Man wird Dich zwingen."

"Du wirst mich schützen. Kein Khawasse des Vizekönigs darf Dein Haus betreten." "Maschallah, das ist wahr, und Du wirst bei mir wohnen. Aber sobald Du Deinen Fuß über meine Schwelle setzest, wird man Dich festnehmen."

"Ich werde vorsichtig sein. Ich schreibe sofort einen wahrheitsgetreuen Bericht an den Großherrn, und dieser mag bestimmen was zu geschehen hat."

"Ich werde das Meinige hinzufügen, kann Dir aber meine Befürchtungen nicht verhehlen. Der

Großherr hat Rücksicht auf den Khedive zu nehmen."

"Nicht auch auf seinen obersten Seeoffizier?"

"Ja; doch ist die letztere nicht so sehr geboten wie die erstere."

Jetzt kam der Bote, welcher den Kadi zum Vizekönig beschied. Er folgte dem Rufe und begab sich unter einer zahlreichen Begleitung nach dem vizeköniglichen Palast. Es dauerte eine sehr lange Zeit, ehe er wiederkehrte. Sein Gesicht machte keinen Hoffnung erweckenden Eindruck.

"Es wird wie ich Dir sagte. Der Khedive verlangte Deine sofortige Auslieferung."

"Du verweigertest sie ihm?"

"Ja."

"Was that er?"

"Er muß das Völkerrecht respektiren, welches mein Haus zu Deiner Freistätte macht, aber er wird dieses Haus eng umstellen lassen. Die dazu bestimmten Khawassen sind bereits unterwegs."

"Das macht mir nicht bange, denn ich werde Dein Haus nicht eher verlassen, als bis die

Entscheidung des Großherrn angekommen ist."

"Der Khedive wird sie eher in der Hand haben als Du."

"Inwiefern?"

"Weil noch ehe ich ihn verließ ein Bote von ihm nach Stambul gegangen ist, welcher sich im Namen des Vizekönigs mündlich über Dich beschweren und Deine Auslieferung oder Bestrafung fordern soll." "Wen sandte er?"

"Einen Mann, dessen Rang bei dem Großherrn sehr in das Gewicht fallen wird - -" "Wohl gar seinen Wessir?"

"Du erräthts es. Es ist sehr leicht zu denken, daß die mündliche Darstellung dieses hohen Beamten, der ein gewandter Diplomat ist, mehr Erfolg haben wird als Dein schriftlicher Bericht."

Katombo neigte zustimmend den Kopf.

"Du hast Recht. Der Großherr hat kein starkes Herz. Hast Du gehört von dem norländischen Herzog von Raumburg, den ich einst mit seinem ganzen Schiffe gefangen nahm?" B "Jeder Türke kennt diese Deine Heldenthat, durch welche Du Kapitän eines der besten Kriegsschiffe wurdest."

"Die Gefangennahme dieses Mannes und die Befreiung des Großveziers Malek-Pascha, der sich damals als Gefangener auf dem "Drachen" befand, gaben dem Kriege eine solche Wendung, daß der Großherr den Frieden hätte diktiren können. Dieser Herzog aber wußte ihm die Sachlage so darzustellen, daß er ihn freigab und mit dem Auftrage betraute, mit dem Könige von Norland empfehlend über den Sultan zu reden, damit der Letztere den Frieden nicht so theuer zu erkaufen habe. Ich fürchte, daß diese Schwäche auch mir jetzt gefährlich werden kann."

"Ich theile Deine Befürchtung, werde Dir aber beistehen, so viel es in meine Kräfte gegeben ist. Natürlich denkt es sich der Khedive, daß auch von Deiner Seite ein Bote nach Stambul gehen wird. Es ist beinahe zu erwarten, daß man diesem Boten Hindernisse in den Weg legen wird."

"Das ist wahrscheinlich. Gibt es kein Mittel dies zu verhüten?" "Ich habe einen treuen Diener, auf den wir uns verlassen können. Natürlich aber darf er nicht der Überbringer Deiner Botschaft sein. Wem soll er sie übergeben?" "Dem Großvezier, der mein Freund ist."

"So schreibe schnell; das Andere werde ich besorgen, und Allah möge unsere Schritte segnen?"

"Erwähntest Du Sobe<de bei dem Vizekönige?" "Ja."

"Und was antwortete er?"

"Er sagte, daß wir noch heut Abend erfahren würden, was er über sie beschlossen habe." "Er wird sie in seinem Harem behalten, und ich kann nichts thun sie zu erlösen." A "Seine Worte klangen doch so, als ob er vielleicht gesonnen sei, sie noch heut auszuliefern. Warte den Abend ab; der wird Dir die Entscheidung bringen!" Der Kadi hatte Recht; der Abend brachte die Entscheidung.

Es war nach Mitternacht, und die Bewohner von Kairo lagen im Schlafe. Nur hier und da saß noch eine weiß verhüllte Gestalt auf der Plattform eines Hauses, um die erquickende Kühle der Nacht zu trinken. Da trabten vier Träger einer Sänfte durch die stillen Gassen, angeführt von einem Janitscharenoffizier. Vor dem Thore des Palastes, in welchem der Kadi-Baschi wohnte, gebot er Halt und klopfte an.