"Maschallah, Du bist aufrichtig! Wie heißest Du?" "Allah weiß es." "Wo kommst Du her?" "Allah weiß es."
"Gott ist groß, und Deine Zunge ist gelähmt. Weißt Du nicht, daß ich keinen Mann mitnehmen darf, welcher mir nicht sagen kann, wer er ist?" "Ich weiß es; aber Du wirst mich dennoch mitnehmen." "Nein."
"Und doch - mich, mein Weib und mein Kind."
"Allah kerihm, Gott ist gnädig; er möge Dir Deinen finstern Verstand erleuchten. Ich brauche weder Weiber noch Kinder an Bord."
"Das weiß ich; aber dennoch wirst Du mich mitnehmen, denn ich kann Dir zahlen, was Du verlangst."
Diese Rede schien nicht ohne einen günstigen Eindruck zu sein. Der Kapitän sann eine Weile nach und meinte dann:
"Seid Ihr schon einmal zur See gewesen?"
"Oft."
"So fürchtet Ihr Euch nicht vor Wind und Wasser?" "Nein."
"Auch nicht vor andern Dingen?" "Welche meinst Du?"
B "Es gibt deren viele, zu Beispiel die Piraten, deren es in diesen Wassern viele gibt." "Wir fürchten sie nicht."
"Ah, Dein Mund ist groß! Wenn nun der "Tiger" käme! Hast Du von ihm gehört?"
Katombo lächelte.
"Sehr viel. Er wird uns nichts thun."
Bei dem Tone, in welchem diese Worte gesprochen wurden, blickte der Kapitän aufmerksam empor.
"Warum denkst Du dies?"
"Weil Du gerade ebenso bewaffnet bist wie er. Auch er ist nur eine Feluke, die allerdings gerade ganz so vortrefflich gebaut sein soll wie die Deinige."
In dem Auge des Kapitäns leuchtete eine Art von Verständniß auf. Er blickte eine Weile vor sich hin und meinte dann: "Wo willst Du hin?"
"Nach Tunis oder Algier; vielleicht sage ich es Dir unter der Fahrt." "Du wirst viel zahlen müssen!"
"Vielleicht auch nichts. Ich will fort von hier, und sollte ich mit diesem "Tiger" selber fahren."
"Gibst Du fünfhundert Maria-Theresien-Thaler?" "Ja."
"Die Sonne dieses Landes scheint Dir sehr heiß zu werden! Ich werde Euch Plätze geben. Wir stechen morgen zur Zeit des Gebetes in See. Wann willst Du an Bord kommen?"
"Heut Abend, wenn es dunkel ist."
"Bringst Du Waffen mit?"
"Sie sind besser als die Deinen hier."
"Maschallah! Wir werden uns kennen lernen. Allah sei mit Dir!"
Katombo war somit entlassen und fand bei seiner Rückkehr am Abende Alles zu seiner Aufnahme bereit. Ayescha und Almah wurden in einem Raume untergebracht, wo sie von dem Schiffsvolke nicht belästigt werden konnten, und am frühen Morgen lag das Land bereits weit hinter der Feluke, die mit voller Leinwand nach Westen strebte und sich als eine ausgezeichnete Seglerin erwies.
Katombo hatte Zeit, während der Fahrt alle Vorgänge an Bord zu beobachten. Der Kapitän hatte sich bisher nicht um das Mindeste bekümmert und war in der Kajüte geblieben, trotzdem das Auslaufen aus dem Hafen eigentlich seine Gegenwart an Deck erfordert hätte. Entweder hatte er ein ungewöhnliches Phlegma oder er wußte, daß er sich auf seine Leute vollständig verlassen konnte. Allerdings erwies sich der Steuermann als ein ganzer Mann in seinem Fache, und Derjenige, welchen der Matrose "Segelmeister" genannt hatte, hätte wohl recht gut Kapitän der Feluke sein können. Er kommandirte das Fahrzeug in einer Weise, welche ihn als einen umsichtigen, erfahrenen und energischen Mann erkennen ließ. Katombo fiel es auf, daß er nicht die Gesichtszüge eines Orientalen hatte, Physiognomie und blondes Haar wiesen vielmehr auf eine nordische Abstammung hin, und ganz dasselbe war auch mit dem Steuermannsgehilfen der Fall, der sich noch in einem sehr jugendlichen Alter befand und dem Segelmeister so ähnlich sah, daß man auf eine zwischen Beiden stattfindende enge Verwandtschaft schließen mußte.
Der Segelmeister hatte auf dem Hinterdecke gestanden; jetzt trat er zum Maste, an welchem Katombo lehnte. Jedenfalls hatte er die Absicht ein Gespräch anzuknüpfen, und er führte sein Vorhaben in jener vorsichtigen Weitschweifigkeit aus, welche dem Seemanne eigenthümlich zu sein pflegt. Er begann: "Gut Wetter, heut!" "Sehr!"
"Schöne Prise!" "Ausgezeichnet!"
"Kann nicht besser sein für unsern Kurs!"
"Allerdings."
"Auch gut für Dich."
"Warum?"
"Wirst nicht seekrank werden." "Pah!"
"Ah! wirsts wohl nie?" "Nie."
"Dann warst Du wohl oft zur See?"
"Oft."
"Wo?"
"Da und dort."
"Hm! Scheinst kein Freund von langen Predigten zu sein." "Zuweilen."
"Wie gefällt es Dir bei uns?" "Sehr gut, hier oben nämlich." A "Hier oben? Nicht auch unten?" "Möchte nicht mitmachen." "Was, warum?"
"Weil es zu schwül und dumpf im Raume ist. Wäre ich Kapitän, so ließe ich die Leute endlich einmal an die Luft gehen."
Der Segelmeister blickte ihn überrascht an.
"Welche Leute? Du hast spionirt."
"Nein, aber ich bin ein Seemann, und ein solcher pflegt einen Tiger von einem Hasen unterscheiden zu können."
"Du redest ja recht klug! Ein Seemann willst Du sein? Matrose?"
"Nein."
"Was sonst?" "Ist Nebensache."
"Oder auch Hauptsache. Woher vermuthest Du, daß wir mehr Menschenfleisch an Bord haben, als wir sehen lassen können?"
"Aus dem Bau und der Takelung dieses guten Fahrzeuges."
"Und wenn Du Recht hättest, was würdest Du thun?"
"Nichts. Ich bin als Passagier von Euch aufgenommen worden und weiß ganz genau, welche Verpflichtungen wir gegen einander haben."
"Dann gut. Wir sind übrigens auch weit genug vom Lande ab und können die Farbe zeigen." Zwei kurze Befehle, welche er gab, wurden augenblicklich befolgt. Das Ziehen an einer starken Leine genügte, um das riesige Halbmondbild, welches sich unter dem Spriete befand, zu wenden; auf der andern Seite desselben erschien das Konterfei eines Piraten, welcher mit gezücktem Messer über einem Gefangenen kniete; darunter stand in großen Zügen das Wort "Tiger" geschrieben, und zu gleicher Zeit öffnete sich eine der Vorderluken, aus welcher wohl über zwanzig wohlbewaffnete Männer stiegen, deren Physiognomien es sehr leicht anzusehen war, daß sie in einem kampfesreichen Leben geschult worden seien. "Prächtige Kerls!" meinet Katombo. "Du erschrickst nicht?" "Wie sollte ich!"
"Dann klettere hinaus auf den Steven und sieh Dir unsere Firma an!"
"Ist nicht nöthig! Schon ehe ich an Bord kam wußte ich, daß ich mit dem Tiger fahren würde."
"Alle Teufel! Das wußtest Du und kamst dennoch an Bord?" "Wie Du siehst!"
"Welchen Grund hattest Du? Willst Du einer der Unsrigen werden?" "Möglich."
"Oder auch wahrscheinlich. Wir lassen Keinen an Bord, ohne daß er unser wird. Deine Gestalt hat dem Kapitän gefallen, und daher hat er gethan, als ob er Dir Passage gibt. Ich rathe Dir, Dich gutwillig zu fügen!"
"Pah! Es hat mich noch kein Mensch zu irgend etwas zwingen können, was ich nicht selbst und freiwillig thun wollte."
"So kamst Du an Bord gleich in der Absicht, bei uns zu bleiben?" "Wenn es mir gefällt."
"Du sprichst sehr stolz. Wir würden Dich zwingen."
"Pah! Beantworte mir einmal meine Fragen! Der Tiger hat es, wie man sich erzählt, nur auf norländische und süderländische Schiffe abgesehen?"
"Allerdings."
"Aus welchem Grunde?"
"Hm, das darf ich ja wohl sagen: In Norland gibt es einen gewissen Herzog von Raumburg, der den König und mit ihm das ganze Land zu beherrschen weiß. Er ist Schuld, daß ich hier den Tiger kommandire." "Wieso?"
"Es ist ihm einst ein Gefangener entsprungen, ein Zigeuner, wie man sagte. Ich war
Seeoffizier und hatte einen Freund mit in See genommen, welcher diesem Zigeuner ähnlich sehen mochte. Ich kam in Untersuchung und wurde gegen Recht und Gerechtigkeit zu einer langjährigen Festungsstrafe verurtheilt."
"Was hatte dieser Zigeuner verbrochen?"
"Er hatte den Herzog tödten wollen."
"Weshalb?"
"Einer schönen Zigeunerin wegen, welche dann der Herzog ganz öffentlich als Geliebte zu sich nahm."