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Er begann eine Auseinandersetzung der Verhältnisse, deren Opfer sie hatte werden sollen. Zwar verschwieg er Manches, dessen Erwähnung ihm nicht geboten zu sein schien, aber sie erhielt doch ein lebendiges Bild von dem, was sie wissen sollte, und ihr Ohr lauschte auf den wohlklingenden Ton seiner Stimme, während ihr Auge an seinen männlich schönen Zügen hing, auf denen der Einfluß der ihn beherrschenden Empfindungen deutlich zu lesen war. "Ich danke Ihnen," meinte sie, als er geendet hatte. "Ohne es zu wollen, haben Sie mir einen Einblick in Ihr Herz gegeben, welches warm und treu für die Sache des Rechtes und für den König schlägt, der Ihnen nicht blos Herrscher, sondern auch Freund und Vater ist. Erlauben Sie mir die Erwiderung der Hochachtung, von welcher Sie vorhin sprachen, und geben Sie mir die angenehme Hoffnung, daß es mir ermöglicht sein werde, Sie gegenwärtig nicht zum letzten Male bei mir zu sehen."

Eine leichte flüchtige Röthe glitt bei den letzten Worten über ihre Wangen, und ihr kleines warmes Händchen, welches sie ihm entgegenreichte, ruhte einen Augenblick länger, als es nöthig gewesen war, in seiner Rechten. Ihn durchzuckte diese Berührung mit einer noch nie empfundenen Seligkeit. Er hätte sich zu ihren Füßen niederwerfen und ihr gestehen mögen, daß jeder Pulsschlag seines Herzens ihr gehöre, aber er drängte die aufwallenden Gefühle, welche ja nicht die mindeste Hoffnung auf Erwiderung haben konnten, zurück und antwortete:

"Wenn Hoheit den "Schmiedejungen" mit dem Befehle vor Ihnen zu erscheinen begnadigen, so wird er glücklich sein gehorchen zu dürfen."

Er hatte doch etwas wärmer gesprochen, als es seine Absicht war. Sie lächelte.

"Ich befehle nicht, sondern ich bitte, Herr Doktor, und gestehe zugleich, daß diesem "Schmiedejungen" hier nicht die Idiosynkrasie begegnen wird, welche der herzogliche Prinz gefunden hat. Ich wünsche natürlich sehr, mit den Ereignissen des Tages bekannt erhalten zu werden, und da Sie in so naher Beziehung zu Ihrem Könige stehen, sehe ich in Ihnen die geeignetste Person, mir diese Bekanntschaft zu ermöglichen. Kommen Sie also, so oft es Ihnen nöthig oder genehm erscheint. Sie sind zu jeder Zeit willkommen. Doch, sagten Sie vorhin nicht, daß Sie wüßten, wo der König zurückgehalten wird?"

"Allerdings. Ich ahnte es zwar nur, habe aber aus der Miene des Prinzen gelesen, daß meine

Vermuthung richtig ist."

"Sie sprachen von einem verborgenen Gange?"

"Welcher wirklich existirt. Ich kenne ihn genau. Ich entdeckte ihn einst zufälliger Weise und benutzte ihn, den Herzog in seinen verrätherischen Machinationen zu belauschen. Es muß sich aber doch eine Vorrichtung dort befinden, welche ich nicht bemerkt habe, sonst könnte der König nicht eingeschlossen werden." "Sie werden ihn befreien?" "Gewiß."

"Nehmen Sie Militär oder Polizei zu Hilfe?"

"Keines von beiden. Was wir bisher gesehen haben, ist so geheim und unbemerkt geschehen, daß Niemand eine Ahnung von der entsetzlichen Gefahr hat, welche über Norland schwebt, und wir stehen unter Umständen, welche mir gebieten, diese Vorsicht festzuhalten." "Aber Sie allein - werden Sie es fertig bringen?"

"Nein. Ich bedarf der Hilfe, weiß aber nicht, ob sie mir von der Seite, wo ich sie zu erbitten habe, gewährt wird oder vielmehr gewährt werden darf."

"Ganz gewiß. Jeder rechtlich Denkende muß und wird Ihnen beistehen. Darf ich fragen, an wen Sie sich wenden werden?" "An Sie allein, Hoheit."

"An mich?" frug sie verwundert. "Wie könnte ich Ihnen bei der Befreiung des Königs von Nutzen sein? Ich bin kein Mann und hier übrigens ohne allen Einfluß." "Es kommt mir nur darauf an, Zutritt in die Bibliothek des B Herzogs zu erhalten und mich dort eine kurze Zeit lang ungestört verweilen zu dürfen."

"Ah, ich errathe! Aber ist meine Lage nicht eigentlich interessant? Wir sind überzeugt, daß Süderland soeben begonnen hat, seine Feindseligkeiten gegen Norland zu eröffnen, und ich, eine Tochter des Königshauses von Süderland, soll den König von Norland aus einer Lage befreien helfen, welche den Meinen die beste Aussicht auf Sieg gewährt! Was würden Sie an meiner Stelle thun?"

"Sicher ganz dasselbe, was Sie zu thun bereits fest entschlossen sind."

Ihre beiderseitigen Blicke trafen sich mit einem Verständnisse, welches die Prinzessin abermals leicht erröthen ließ. Sie reichte ihm zum zweiten Male ihre Hand entgegen, die er an seine Lippen zu ziehen wagte.

"Ich sehe, wir verstehen uns! Der Herzog von Raumburg hat mir jüngst erlaubt, einige Bücher von ihm zu entnehmen, Her Doktor; ich möchte mir dieselben holen. Da ich aber keine sehr bedeutenden literarischen Kenntnisse besitze, so bedarf ich eines Mannes, der mir bei der Auswahl behilflich ist. Ich lasse anspannen. Wollen Sie mich begleiten?" "Ich gehorche gern," lächelte er. "So kommen Sie."

Sie verließen den Pavillon um sich nach dem Hause zu begeben, gerade zur rechten Zeit, um

Thomas zu bemerken, welcher durch das Thor in den Garten trat. Er hatte die Tragbahre auf der Schulter und kam mit langen Schritten auf die Beiden zu.

"Ists gelungen?" frug Max.

"Zu Pefehl, Herr Doktor."

"Und Niemand hat unterwegs etwas bemerkt?" "Kein Mensch, Herr Doktor. Der Prinz steckt pei den andern Spitzpupen." "Schön. Ist sonst etwas Neues vorgekommen?"

"Nichts pesonderes weiter, als daß ich dem Fritz eine Packpfeife gegepen hape, weil er mir üper meine Tapakspüchse gerathen ist. Mamsell Prinzessin, hier hapen Sie Ihren Schlüssel wieder!"

"Danke, mein Lieber, Sie gehen wieder durch das Thor, und ich werde hinter Ihnen verschließen."

"Zu Pefehl, meine peste Fräulein Prinzessin! Hapen Sie mir sonst noch etwas zu pemerken, Herr Doktor?"

"Ja. Du gehst schnell nach Hause und holst den kleinen Dietrichring und ein kleines aber festes Stemmeisen. Ich gebrauche Beides vielleicht. Beides legst Du in dieses Köfferchen, aus welchem der Meister die Papiere nimmt, und bringst es mir hier vor das Portal. Doch gehe schnell!"

"Pin schon pereits darüper. Empfehle mich!" Er stieg eiligst davon.

Kaum eine halbe Stunde später fuhr die Equipage der Prinzessin am Palaste des Herzogs vor und wurde von einigen Dienern empfangen, unter denen sich auch derjenige befand, welcher die Billets seines Herrn so pflichtgetreu besorgt hatte. Er erkannte Max wieder. "Ihre Billets sind ausgehändigt worden," benachrichtigte ihn der letztere. "Ist Durchlaucht der Herzog zu sprechen?"

"Er ist ausgefahren und noch nicht zurückgekehrt." "Aber der Haushofmeister?" "Ist zugegen."

"Führen Sie uns nach dem Salon, und rufen Sie ihn!"

Sie wurden nach dem Empfangssaale gebracht, in welchem augenblicklich der Genannte erschien. Prinzeß Asta brachte ihren Wunsch vor, welcher dem Hausbeamten natürlich als ein Befehl galt. Er erklärte sich bereit, die Herrschaften zur Bibliothek zu geleiten. "Wo liegt diese?" frug Asta.

"Gerade gegenüber, neben dem Arbeitskabinete Seiner Durchlaucht."

"So können Sie sich ja nicht irren, Herr Doktor," meinte sie zu Max und fügte, zu dem Hausbeamten gewendet, hinzu: "Gestatten Sie diesem Herrn auszuwählen; denn ich hoffe nicht, daß Sie mich hier zur Einsamkeit verdammen werden!"

Der Mann war ganz entzückt, von der Prinzessin in dieser Weise ausgezeichnet und zu einer Unterhaltung eingeladen zu werden. Er geleitete Max zur Bibliothek und ließ ihn dann, zur Prinzessin zurückkehrend, allein.