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Der beglückte Mann machte vor dem Könige die tiefste und vor der Prinzessin die eleganteste seiner Verbeugungen; sogar vor Max verneigte er sich beinahe ehrerbietig; dann trat er rückwärts aus dem Zimmer.

Der König reichte das Dokument, welches er noch immer in der Hand hielt, Max entgegen. "Lies, Doktor, und erstaune!"

Der Angeredete überflog die Zeilen und konnte sich eines kurzen Lachens nicht erwehren. Der König trat der Prinzessin näher:

"Königliche Hoheit, Sie haben vielleicht eine telegraphische und schleunige Abberufung von hier erhalten?" "Nein, Majestät?"

"Sonderbar. Man ist da drüben jedenfalls auf eine so beschleunigte Entwicklung der Verhältnisse gar nicht gefaßt und vorbereitet gewesen. Ich kenne den Standpunkt noch nicht, auf welchen Sie sich gestellt sehen, aber meine persönliche Sympathie für Ew. Königliche Hoheit verbietet mir, Ihnen den Inhalt dieses Schreibens zu verschweigen. Seine Majestät, Ihr königlicher Herr Papa, sagt mir darin ungefähr Folgendes: Er habe zu seinem lebhaftesten Bedauern und Entsetzen vernommen, daß der Aufruhr an allen Punkten meines Landes wüthe, daß mein Thron und meine Herrschaft, daß sogar ich selbst in der ärgsten Gefahr schwebe. In dieser Lage halte er es für seine Pflicht, mir nachbarlich und hilfreich beizustehen, und da sich gerade einige Korps zum Zwecke der Manöverübungen in der Nähe der Grenze befänden, habe er den augenblicklichen Befehl ertheilt, dieselben über die Grenze zu werfen, um den Aufstand mit Gewalt der Waffen niederstrecken zu helfen. Prinzeß, darf ich um Ihre Meinung bitten?"

Asta war bis unter die Schläfe erröthet, und in ihren Augen glänzte jene Feuchtigkeit, welche nur der Zorn zu erzeugen pflegt.

"Majestät, ich bin eine Tochter meines Vaters, aber ich nenne dennoch das richtige Wort: Blamage. Eine Blamage, eine ungeheure Blamage ist es, mit welcher dieser verhaßte Raumburg das ehrwürdige Haupt meines königlichen Vaters besudelt. Ich fordere Rache und Strafe für den Missethäter, Majestät!"

"Ihre Forderung hat bereits Gewährung gefunden. Aber bedenken Sie, daß dieser Raumburg nicht allein schuldig ist!"

"Ich fühle, was Sie sagen wollen, Majestät, und ersuche Sie, mich als Geißel festzunehmen, mein Herz aber mit Vorwürfen, die mich zwar nur indirekt aber desto stärker treffen, nicht noch härter zu belasten!"

Er trat nahe an sie heran und ergriff ihre Hand. Seine Stimme klang mild und freundlich, als er bat:

"Mein liebes, gutes Kind, Sie darf nicht der lindeste Hauch eines Verweises treffen. Sie sind frei, und wollen Sie in Ihre Heimath zurückkehren, so werde ich dafür sorgen, daß dies sofort und mit der Ihnen gebührenden Würde und Sicherheit geschehen kann. Nur dann, wenn mir Gott einen Thronfolger geschenkt hätte, würde ich Sie festzuhalten suchen, aber nicht durch Gewalt, sondern mit der liebenden Bitte, nach mir die Beherrscherin meines Reiches zu werden. Also ziehen Sie in Gottes Namen von dannen, wenn Sie dies dem andern vorziehen. Wollen Sie sich aber meinen Dank, den Dank meines Volkes und auch des Ihrigen erwerben, so bleiben Sie, nicht als Geißel, sondern als freundliche Vermittlerin zwischen mir und Ihrem Vater, zwischen meinen Interessen und den seinigen, zwischen meinen Unterthanen und den Kindern Ihres Landes!" "Majestät, ich bleibe! Was soll ich thun?"

"Senden Sie augenblicklich zwei Depeschen ab, die eine an Ihren Herrn Vater und die andere an den Kommandeur jener beiden Armeekorps, welche sich bereits über unsere Grenzen bewegen."

"Wer ist dies?"

"Prinz Hugo, Ihr Bruder."

"Ah! Das soll und muß sofort geschehen. Bitte, Majestät, diktiren Sie!"

"Ich kann es nicht. Max mag schreiben. Diese Depeschen könnten ja von jedem Andern auch abgefaßt sein und werden keinen Glauben finden. Max aber kennt die Fassung, in welcher die geheimen Telegramme gehalten werden; diese wird unbedingt Glauben erwecken. Mein Entschluß ist gefaßt, und meine Dispositionen B sind getroffen. Auch ich habe gefehlt, gefehlt an meinem Volke dadurch, daß ich die Macht, welche mir gegeben war, in Hände gab die ihrer unwürdig waren, dadurch, daß ich meinte, diese Macht nur von Gott erhalten zu haben, ohne der Zustimmung meiner Unterthanen zu bedürfen. Sie telegraphiren jetzt, daß nicht die mindeste Spur einer Volkserhebung zu bemerken sei und in Folge dessen den Truppen Halt geboten werden müsse, wenn man sich nicht lächerlich machen wolle. Morgen Abend nehmen wir sämmtliche Häupter der Verschwörung, so weit sie sich noch nicht in unsern Händen befinden, gefangen; am nächsten Tage proklamire ich die Konstitution, deren Entwurf Max längst gefertigt hat, ohne daß ich eine Ahnung davon hatte, und zu gleicher Zeit marschire ich mit meinen Garden, welche mir treu ergeben sind, gegen die Grenze, um einem etwaigen Widerstreben des Prinzen Hugo den ersten Stand zu halten, während hinter mir die andern Armeekörper nur des Befehles harren, sich schlagfertig zu machen und - -" Ein eintretender Lakai unterbrach ihn.

"Im Vorzimmer steht ein Mann, welcher den Herrn Doktor Brandauer zu sprechen wünscht." "Wie heißt er?" frug Max. "Thomas Schubert, der Obergeselle." "Ich komme - Majestät gestatten - -?"

"Du bleibst, Max. Thomas bringt jedenfalls etwas Wichtiges. Er mag eintreten."

Der Diener entfernte sich und Thomas schritt durch die hinter ihm sich schließende Thür. Er machte den drei Personen eine Verbeugung, daß sein breiter Rücken mit den langen Beinen einen rechten Winkel bildete und richtete sich dann in stramme militärische Haltung empor.

"Majestät, erlaupen Sie mir, mit meinem jungen Herrn zu reden ?"

"Sprich!"

"Mein pester Herr Doktor, der Lehrpupe Fritz hat in der Schloßstraße eine Parthie Pandeisen geholt und gesehen, daß Sie hier mit den hohen Herrschaften apgestiegen sind. Daher hapen wir erfahren, daß Sie hier zu finden sind. Es ist eine Depesche an Sie apgegepen worden." "Hast Du sie mit?"

"Hier ist sie. Der Meister wollte sie nicht öffnen, weil sie nicht an ihn adressirt war." Max öffnete und las das Telegramm.

"Es ist gut. Du kannst gehen. Sage dem Vater, daß ich vielleicht bald selbst komme!" "Zu Pefehl, mein lieper Herr Doktor!"

Mit einer zweiten Winkelreferenz verschwand er aus dem Zimmer. Max drehte sich dem Könige wieder zu.

"Erlauben mir Majestät, diese Depesche vorzulesen?" "Bitte, lies!"

"Sie ist überraschend und lautet: Oberschenke Waldenberg. An Herrn Max Brandauer.

Der Feind kommt. Die Pässe sind von meinen Leuten besetzt; er kann nicht durch. Hätten wir bis morgen einige Geschütze hier, so könnten wir ihn vier Tage lang beschäftigen. Mein Sohn mag sie uns zuführen. Sprechen Sie schnell mit dem Könige. Zarba."

"Ist das nicht merkwürdig, Majestät?" "In hohem Grade. Hast Du eine Erklärung?"

"Vielleicht. Majestät wissen vielleicht, daß längs der Landesgrenze die lebhafteste Schmuggelei betrieben wird; aber welche Ausdehnung dieselbe besitzt, und welche bedeutende Anzahl derselben obliegen, das könnte nur der Eingeweihte sagen. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich mehrere tausend Mann annehme, welche alle in der Führung der Waffen Meister und trotz ihres verbotenen Gewerbes ihrem Könige treu ergeben sind. Sie hassen die Süderländer und liefern ihnen sogar von Zeit zu Zeit sehr ernste und blutige Gefechte. Zarba scheint in Folge ihrer nomadischen Lebensweise in einer gewissen Bekanntschaft mit ihnen gestanden zu haben und vielleicht auch noch zu stehen. Sie hat, wohl vielleicht nur als Wahrsagerin und Heilkünstlerin, einen nicht unbedeutenden Einfluß auf sie, in Folge dessen es ihr gelungen sein kann, sie gegen die anrückenden Feinde aufzurufen. Ich halte es bei der Unwegbarkeit der Grenze und des Gebirges allerdings für sehr leicht möglich, daß einige hundert tapfere Männer, zumal wenn sie sich im Besitze einiger gut bedienter Geschütze befinden, den Feind aufzuhalten vermögen. Überhaupt muß ich bemerken, daß wir es beinahe nur dieser Zarba zu verdanken haben, daß wir auf die Spur des Aufstandes gekommen sind und ihr in so erfolgreicher Weise zu folgen vermochten. Ich glaube sogar, daß ihr mehr Kenntniß geheimer politischer Zustände A und Intentionen zuzutrauen ist als manchem Staatsmanne, und nehme daher sehr gerne an, daß sie auch jetzt genau gewußt hat, was sie thut. Ich fühle mich sehr geneigt, Majestät, die Erfüllung ihres Wunsches kräftig zu befürworten." "Welchen Sohn meint sie?"