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(\72\)B "Hugo - Prinz Hugo - ein königlicher Prinz?!" klang es von ihren Lippen, aber mehr erstaunt als erschrocken. "Ists wahr?"

"Es ist wahr. Kennen Sie den Prinzen nicht persönlich?"

"Nein."

"So verschaffen Sie sich sein Bild und vergleichen Sie! Sie wissen jetzt genug, und ich hoffe, Sie handeln so, daß ich zu Karl, wenn er je wieder aufleben sollte, mit Achtung von Ihnen sprechen darf. In Beziehung aber des Anfalles ist es sehr möglich oder vielmehr sogar wahrscheinlich, daß Sie gerichtlich vernommen werden. Jetzt gehen Sie. - Gute Nacht!" Sie enteilte mit hastigen Schritten, und er trat zu seinem Pferde. Als er sich aufgeschwungen hatte, warf er noch einen Blick hinauf nach den Fenstern, hinter denen plötzlich so vieles und großes Leid eingekehrt war, und ritt dann davon.

Als er die Residenz (\73\)A im Rücken hatte, dehnte sich die breite Heerstraße in langen Windungen zwischen blühenden Gefilden hin, bis sie in den Wald trat, dessen magisches Dunkel das Gemüth des einsamen Reiters zum Träumen stimmte.

Diese Emma Vollmer war ein schönes, sogar ein sehr schönes Mädchen, welche alle Gaben der Natur besaß, um einen Mann innig glücklich zu machen, und doch - - that sie es? Kann ein Mann überhaupt an seine Liebe, an sein Weib glauben? Droben am Himmel stehen Millionen von Sternen so fest, und dennoch, je näher man ihnen kommt, je besser man sie kennen lernt, desto mehr bemerkt man, daß sie alle, alle diese scheinbare Festigkeit nie besessen haben und nie besitzen werden. Sind nicht alle unsere Ideale geistige oder verkörperte Lichtgebilde, welche aufgehen, kulminiren und - verschwinden?" "Und wie ist es mit meinem Stern?" frug er halblaut. "O Almah, herrliches unvergleichliches entzückendes Wesen, sei mir eine Sonne, welche niemals trügt, und ich will der Parse sein, der vor Deinem Glanze knieend liegt und Anbetung athmet bis zum letzten Hauche seines Lebens!"

Er verfiel in ein tiefes, glückliches Sinnen. Er gedachte des Abends am Nil, an welchem er die Herrliche zum ersten Male erblickte, an die Sehnsucht, die ihn dann erfüllt hatte, ohne daß es ihm möglich gewesen wäre, sie zu stillen, und an das namenlose Glück, welches ihn gleich einem großen Schrecken durchzuckt hatte, als sie ihm zum zweiten Male in seiner eigenen Behausung entgegengetreten war. So sann und sann er; Viertelstunden einten sich zu Stunden; eine Meile Weges wurde nach der anderen zurückgelegt, und als der Morgen erglänzte, hielt er auf seinem dampfenden Rosse am Rande der Ebene, deren gegenseitige Grenze der Höhenzug bildete, hinter welchem das Terrain zur Küste des Meeres niederstieg. Eine Stunde später saß Nurwan Pascha mit Almah auf dem Balkon seiner Wohnung und schlürfte den Mocca, welchen ihm das schöne Mädchen drunten in der Küche der Kastellanin eigenhändig bereitet hatte. Auf der herrlichen Scene vor und unter ihnen lag der goldene Glanz des Sonnenlichtes; die Wogen der See blitzten in grünlich-goldenen und bläulichsilbernen Reflexen, welche sich draußen am fernen Horizonte in von unvergleichlichen Farben gesättigten Tinten verloren, und hier in der Nähe, auf der Küste, am Quai, im Hafen regte sich ein Leben von so vielseitiger, munterer Geschäftigkeit, daß man nicht müde wurde, seinem nie ruhenden Pulse zu folgen.

Vom äußersten Ende der Stadt ertönte ein scharfer, schriller Doppelpfiff; gleich einer Riesenschlange wand sich ein Dampfzug an der Küste hin, trat dann zwischen die Berge hinein und verschwand hinter den Höhen, welche das Binnenland vor den gefräßigen Fluthen des Meeres schützten.

"Mit diesem Zuge fährt er," meinte der Pascha. "Wer."

"Ah, es ist wahr, Du weißt nichts davon. Ich meine unsern neuen Diener." "Bill Willmers? Wohin fährt er?"

"Nach der Residenz. Er hat mir eine höchst wichtige Depesche zu besorgen." "Eine höchst wichtige? So hast Du wohl ein recht gutes Vertrauen zu ihm, Papa?" "Allerdings. Du hast jedenfalls meine gestrige Überraschung bei seinem Anblicke bemerkt. Es war mir, als sei mein liebster, bester Jugendfreund herbeigekommen, um mich zu begrüßen, ganz er, jeder Zug des Gesichtes, die Haltung, die Stimme, der treue, verständige Blick des Auges, und trotzdem er es unmöglich sein kann, da dieser Freund in meinem Alter steht, und trotzdem er einen mir vollständig fremden Namen führt, kann ich mich nicht von dem Gedanken, von der Ahnung trennen, daß mein Irrthum nicht ganz und gar ein vollständiger sei. So oft ich mit ihm spreche, möchte ich ihn nicht Willmers sondern Brandauer nennen."

"Weißt Du, Papa, daß es mir auch recht eigenthümlich mit diesem Matrosen geht?" "Wie so?"

"Papa das kann ich Dir nicht sagen! Du bist mein Vater, und was Du thust und sprichst, das ist, als hätte es Gott gethan und gesprochen. Wie andere Männer sind, das weiß ich nicht, aber

- aber, wenn jetzt ein Sturm hereinbräche, daß die Wogen über unserer kleinen Yacht zusammenschäumten, und dieser Willmers spräche zu mir: "Komm, ich gehe mit Dir in das Wasser und bringe Dich an das Land, ich würde ihm folgen und darauf schwören, daß er es vollbringt."

Das scharfe Auge des Pascha blickte hinaus in das Weite; es war seinem adlerartigen Blicke nicht anzusehen, was er über die (\73\)B Worte der Tochter dachte. Diese hatte den prachtvollen Arm, welcher berückend unter dem leichten, seidenen Gewebe hervorschimmerte, auf die Balustrade gelegt und beobachtete das Treiben in der Nähe. "Papa, schau den Reiter da unten!" rief sie plötzlich. "Ist ein solcher Galopp nicht fürchterlich?"

"Allerdings gefährlich, höchst gefährlich bei solchem Terrain. Der Mensch muß beim leisesten Fehltritte des Pferdes den Hals brechen. Ich wette, es ist einer jener jungen, unvorsichtigen Kavallerieoffiziere, denen der Ruhm, ein kühner Reiter zu sein, höher gilt, als die Herzensrufe des Vaters und der Mutter!" "Er lenkt nach der Höhe ein -"

"Und zwar auf dem Wege, welcher nach Schloß Sternburg führt. Wer mag es sein?"

Er erhob sich und blickte stärker hinab.

"Willmers!" rief er dann, ebenso überrascht wie zornig.

"Willmers, Papa? Das ist doch nicht möglich! Ein Matrose kann doch auf keinen Fall ein solcher Reiter sein!"

"Er ist es aber doch. Es scheint, als sei an diesem einfachen Manne Alles ungewöhnlich, sogar

- sein Gehorsam, seine Dienstfertigkeit. Ich glaube ihn mit meiner höchst dringlichen Depesche unterwegs nach der Hauptstadt und muß bemerken, daß es ihm beliebt, spazieren zu reiten, bevor er an die Ausführung meines Befehles denkt. Nur bin ich neugierig, von wem er sich das Pferd geborgt hat!"

"Papa, ich bitte-!" "Was?"

"Sei nicht barsch mit ihm; er wird es nicht wieder thun! Du glaubst es gar nicht, wie Dein Blick schmerzt, wenn Du zürnst!" "Und ihn soll er nicht schmerzen?"

"Vergieb ihm! Er kennt Dich noch nicht und wird es nicht bös gemeint haben."

"Eine Depesche ist kein gewöhnlicher Brief, Kind. Ich muß ihn empfangen, wie er es verdient hat!"

Er erhob sich und begab sich hinab, um den Kommenden zu erwarten. Almah war nicht von seiner Seite gewichen. Hatte sie die Ahnung, daß ein einziger Strahl ihres Auges hinreichend sei, alle schmerzenden Blitze unschädlich zu machen, welche das Auge des Vaters schleudern könnte?

Der Huftritt des Pferdes ertönte, und Arthur ritt in den Hof. Die Beiden bemerkend, nahm er den Hengst kurz auf und sprengte in zierlichem kurzem Galopp, einen Bogen schlagend, bis vor die breiten Granitstufen, auf denen sie standen, und stand dann nach einem gewandten

Schwunge aus dem Sattel vor ihnen. Der Pascha blickte ihm zornig in das vom scharfen Ritte geröthete Gesicht.

"Wem gehört das Pferd?"