"Dem Prinzen von Sternburg."
"Wer hat Dir erlaubt, es zu reiten?"
"Der Kastellan."
"Und wer noch?"
"Niemand."
"So! Also meiner Erlaubniß bedarf es zu einem Spazierritte, währenddessen ich Dich auf der Reise nach der Residenz vermuthe, nicht! Du bist kein gehorsamer Diener; ich kann Dich nicht gebrauchen; Du kannst gehen!"
"Der Gescholtene schlug kein Auge nieder; er blickte dem Pascha ruhig in das Angesicht und antwortete:
"ZuBefehl, Excellenz!"
Sich scharf auf dem Absatze herumdrehend, schritt er davon.
"Papa!" bat Almah, indem sie die Hand auf den Arm des Vaters legte.
Dieser hatte eine solche Eile von Seiten des Dieners gar nicht erwartet.
"Willmers!" gebot er.
Der Gerufene drehte sich um.
"Excellenz!"
"Komm noch einmal näher!"
Arthur folgte dem Rufe.
"Warum gehorchst Du jetzt so schleunig?"
"Um Excellenz zu beweisen, daß ich kein ungehorsamer Diener bin."
"Und dennoch bist Du es, sonst hättest Du den vorhin abgelassenen Kurierzug nach der Residenz benutzt, um meine Depesche zu expediren." "Excellenz haben mir nicht befohlen, diesen Zug zu benützen."
"Gebot ich Dir nicht, die Depesche schleunigst zu übermitteln? Es ging am Abende kein Zug mehr, wie Du sagtest, folglich -"
"Folglich bin ich zu Pferde nach der Residenz, Excellenz." (\74\)A "Zu Pferde? Diesen weiten Weg? Unmöglich!"
"Bei einem solchen Pferde ist es sehr möglich. Ich kehre eben zurück; die Depesche wurde um Mitternacht übergeben."
"Wem?"
"Dem Kommandanten der Schloßwache."
"So wird sie der König heut Vormittag lesen. Du wurdest gefragt, von wem sie sei?" "Nein. Ich schnitt alle Erkundigungen durch die Angabe ab, daß ich ein Kurier von Schloß Sternburg sei."
"Gut! Ich habe mich vorhin geirrt. Du bleibst!" "ZuBefehl, Excellenz!"
Er wandte sich ab und trat zum Pferde, welches er nach dem Stall führte. Dann suchte er das Stübchen auf, welches er als Domestik erhalten hatte.
"Papa, bat sie ihn, als ich von ihm fortgewiesen wurde! Sie ist gut und mild; ihr Angesicht lügt nicht, wie die Züge so vieler Frauen, welche man innerlich ganz anders findet, als das Äußere es verspricht. Ihr Auge ist rein und wahr wie das Kristall der Quelle, welche das kleinste Sandkorn des Bodens erblicken läßt. Almah, sei Du das köstliche Ziel, nach welchem ich strebe, und wenn es mir beschieden ist, es zu erreichen, so will ich vom Geschicke nichts mehr verlangen, als nur die Kraft, mir Deine Liebe für immer erhalten zu können!" Er öffnete das Medaillon und drückte das Bild der heimlich Geliebten an seine Lippen. Dann stellte er sich sinnend an das Fenster.
"Was mag es sein, was den berühmten Admiral nach Tremona führt? Und wie kam der Vater mit ihm zusammen? Es ist ein eigenthümlicher Brief, welchen er mir schreibt!" Er öffnete ein Kästchen und entnahm demselben einen Bogen, welchen er entfaltete und las: "Mein lieber Junge!
Ich erfuhr in Deinem letzten Briefe, daß Du Urlaub bekommst und nach Tremona gehen wirst. Das gönne ich Dir von ganzem Herzen und wünsche, ich könnte bei Dir sein. Da dies aber nicht der Fall sein kann, so sende ich Dir einen Stellvertreter, nämlich keinen Anderen, als den berühmten Seehelden Nurwan Pascha, welcher eine Kleinigkeit mit der Süderländischen Regierung zu reguliren hat und mich frug, ob es in Tremona ein anständiges
Logement gebe, wo er einige Zeit lang ungestört seinen Neigungen leben könne. Ich erzählte ihm von Dir und Schloß Sternburg und erhielt von ihm die Erlaubniß, ihn Deiner Gastfreundschaft empfehlen zu dürfen. Er wird einige Tage nach dem gegenwärtigen Briefe bei Dir anlangen, und ich bin überzeugt, daß Ihr beiden Seethiere bald Wohlgefallen an einander finden werdet. Sorge besonders dafür, daß er sich frei und ohne von zudringlicher Neugierde belästigt zu sein, bewegen kann!
Allem Anscheine nach bereitet sich zwischen Norland und Süderland ein Bruch vor, dessen Länge und Breite jetzt unmöglich abzumessen ist, und ich habe eine kleine Ahnung, daß der Besuch des Pascha in Tremona mit diesem Umstande in enge Verbindung zu bringen sei. Mir scheint, es fehle Süderland im Falle eines Krieges an einem tüchtigen Seemanne, vielleicht -doch soll diese Bemerkung keineswegs eine Mahnung enthalten, den Pascha unter Deine Aufsicht zu nehmen. Er ist eine vollständig undurchdringliche Persönlichkeit, und neben seiner hohen seemännischen Charge ein gewandter Diplomat, dem man nicht gern eine unangenehme Deklination einflößen möchte. So soll ihm noch vor ganz Kurzem beim Vizekönige von Egypten eine Mission gelungen sein, an deren Schwierigkeit die Bemühungen seiner Vorgänger gründlich scheiterten. Nimm ihn auf wie mich selbst - ... propos, er hat eine Tochter, welche er, - ich sage Dir einstweilen nur so viel, daß ich sie heirathen werde, wenn Du kein Mittel findest, dies zu verhindern. Leider wird er sie wohl nicht mitbringen; sie ist in echt orientalischer Abgeschlossenheit erzogen worden, und so scheint es wahrscheinlich, daß er sie nicht dem bewegten Leben einer großen Hafenstadt aussetzen werde.
Vielleicht ist es mir möglich, noch vor Ablauf Deines Urlaubes Dich in Tremona zu überraschen. Bis dahin sei gegrüßt von Deinem treuen Vater.
Ist es Dir noch nicht gelungen, eine Spur von der Zigeunerin Zarba aufzufinden? Ich würde Vieles darum geben, ihr einige Fragen vorlegen zu können. Der Obige." Noch war er mit dem Zusammenfalten dieses Briefes beschäftigt, so klopfte es und die Kastellanin trat ein.
"Darf ich das Frühstück serviren, Durchlaucht? Mein lieber junger Herr sind die ganze lange Nacht hindurch zu Pferde gewesen und haben während dieser Zeit wohl kaum etwas Ordentliches genossen!"
(\74\)B "Ja, ich habe Hunger, meine liebe Mutter Horn. Zeigen Sie einmal, was Sie mir bringen!"
"Ich bringe immer nur, was Sie gern haben, Durchlaucht. Und wissen Sie, wer es geschnitten und auf den Teller arrangirt hat?" "Natürlich Sie."
"O nein, Fräulein Almah ist es gewesen."
"Die Türkin? Die wird doch das Frühstück für ihren Bedienten nicht selbst bereiten! Ich nehme natürlich an, daß sie gewußt hat, für wen es bestimmt ist."
"Sie hat es gewußt und dennoch die kleinen Händchen nicht geschont. "Er ist während der ganzen Nacht zu Pferde gewesen und von Papa dafür gar noch ausgescholten worden," hat sie gesagt; "ich muß dafür sorgen, daß er nicht hungert." Übrigens ist sie gar keine Türkin, sondern eine Christin." "Ah! Ist dies wahr?"
"Sie hat es mir selbst gesagt; und auch ihr Vater ist ein Christ. Er hat sie auf einer einsamen Insel erzogen, und wenn er fort gewesen ist, so hat sie sich mit zwei Heiden und einer alten Dienerin allein befunden." "Welche Insel ist das gewesen?"
"Das weiß ich nicht, aber wenn Sie es wissen wollen, so werde ich sie einmal fragen. O, sie sagt mir Alles; sie ist die echte reine Liebe. Durchlaucht, wenn ich ein Mann wäre, die müßte meine Frau werden! Sie ist so schön wie die Sonne, und so gut wie keine Andre mehr. Wenn ich daran denke, daß sie einmal beinahe ertrunken wäre, so zittre ich vor Angst!"
"Ertrunken?"
"Ja, ertrunken. Das ist da drüben gewesen in - na da, wo der König Pharao auch ertrunken ist -!"
"In Egypten?"
"Ja, so heißt die Gegend. Da ist sie mit der Frau vom Könige einmal des Abends auf dem
Wasser spazieren gefahren und dabei aus dem Kahn gefallen. Herr Jesses, wie leicht konnte sie da verloren sein. Aber da ist ein Fremder gewesen, der hat sie noch erfaßt und ist mit ihr an das Land geschwommen."
"Wer war es?"
"Das weiß ich nicht."
"Aber sie weiß es?"
"Auch nicht. Er hat der Königin seine Karte gegeben, und die hat sie wieder verloren." "Ah, wessen Karte man verliert, an Dem ist Einem nicht viel gelegen." "Das mag wahr sein, hier aber ist es sicherlich anders; denn Almah kann ihr Herzeleid darüber, daß sie ihrem Retter nicht einmal danken kann, gar nicht beschreiben." "Vielleicht findet sie ihn noch!"