"Mensch, was wagst Du!" rief der Jäger, nach seiner Büchse fassend. "Laß ab vom Hunde, oder ich schieße Dich nieder!"
Katombo lag noch immer am Boden. Er lächelte ruhig.
"Vom Hunde lassen, daß er mich dann zerreißt?" frug er. "Mensch, Du bist außerordentlich klug!"
(\81\)A Mit der Linken den Hund festhaltend, zog er mit der Rechten sein Messer hervor und stieß die Klinge desselben dem Thiere bis an das Heft zwischen die Rippen. "So stirb!" schnaubte der Jäger, das Gewehr zum Schusse erhebend.
Er drückte auch wirklich ab. Der Zigeuner warf sich gedankenschnell zur Seite; die Kugel bohrte sich hart neben seinem Kopf in den Boden. Im Nu sprang er jetzt auf, stürzte sich auf den Gegner, riß diesen nieder und schwang sein Messer über ihm. "Stirb Du jetzt!"
"Der Stoß wäre unbedingt tödtlich gewesen, wenn nicht Zarba den hoch erhobenen Arm gefaßt und mit Aufbietung aller Kraft gehalten hätte. "Thue ihm nichts, Katombo, es ist der Herzog!" "Und wenn er der König wäre! Warum hast Du vorher nicht auch ihm gesagt, daß er mir Nichts thun soll?"
Er versuchte, seinen Arm aus ihren Händen zu befreien, während er mit dem andern den sich bäumenden Gegner fest am Boden hielt. Es gelang ihm, und sicher hätte er seine Drohung wahr gemacht, wenn nicht ein zweites und viel nachhaltigeres Hinderniß eingetreten wäre. "Halt!" erscholl es laut und gebieterisch von der Seite her, nach welcher hin sich das Lager der Zigeuner befand.
Es war die Vajdzina, welche den Schuß gehört hatte und mit den Ihrigen herbeigeeilt war. Sie schlug bei dem Anblicke des zu Boden Gerissenen vor Schreck die Hände zusammen. "Der Herzog! Der hohe, gute, schöne, blanke Herr, der uns erlaubt hat, hier im Gehege zu lagern und so viel Wild zu verspeisen, wie wir wollen! Bist Du wahnsinnig, Katombo? Laß ihn los!"
Der Zigeuner gehorchte und erhob sich, doch ohne das Messer wegzuthun. Auch der Jäger stand auf; sein Angesicht glühte vor Grimm und Beschämung. Die Zigeunermutter ließ sich vor ihm auf das Knie nieder und zog den Saum seines Rockes an die Lippen. "Verzeiht ihm, großmächtigster Herr! Er ist sanft und gut, und Ihr müßt ihn sehr gereizt haben, daß er es gewagt hat, sich an Euch zu vergreifen."
(\81\)B "Gereizt? Kann ein solcher Bube sich erfrechen, sich für gereizt zu erklären von dem Herzog von Raumburg?"
"Er wollte Zarba küssen und schoß auf mich!" entschuldigte sich Katombo.
"Er erstach meinen besten Hund!" knirschte der Herzog. "Hund um Hund, Blut um Blut!"
Er griff nach der Büchse, die ihm entfallen war. Ihr zweiter Lauf war noch geladen. Er erhob sie, um gegen Katombo loszudrücken. Da aber trat Einer aus der Zahl der Zigeuner hervor und stellte sich vor die Mündung des Gewehres.
"Legt die Waffe weg, Herr! Mein Name ist Karavey; Katombo ist mein Bruder, und wenn Ihr nicht von ihm laßt, so ist es sehr leicht möglich, daß es Euch wie Eurem Hunde geht!"
"Oho! Wollt Ihr Beide des Todes sein? Ich pflege nicht zu spassen, am allerwenigsten aber mit Gesindel von Eurer Sorte!"
Die Vajdzina trat nochmals zwischen die Streitenden.
"Seid gnädig, Herr General! Der Zorn spricht oft Worte, von denen das Herz Nichts wissen mag. Der Gitano kennt keinen andern Richter als seinen Vajda und seine Vajdzina; jedem andern weiß er sich zu entziehen; das gebietet ihm sein Gesetz. Wenn Katombo Euch beleidigt hat, so klagt ihn an, und ich werde ihn zu strafen wissen."
Der Grimm des Herzogs schien einer entgegengesetzten Gesinnung Platz zu machen; er lächelte satyrisch und meinte:
"Ihr wollt die Richterin sein? Nun wohl; ich werde mich Eurem Gebrauche fügen. Dieser Mensch hat meinen Hund getödtet und mir nach dem Leben getrachtet; womit werdet Ihr ihn bestrafen?"
"Welche Strafe verlangt Ihr?"
"Ich verlange sein Leben, fünfzig Hiebe für Denjenigen, der sich seinen Bruder nannte, und dann die Räumung des Geheges. Ich habe Euch aus Gnade und Barmherzigkeit die Erlaubniß ertheilt, hier sein zu dürfen, und es kann nicht meine Absicht sein, dafür in Lebensgefahr zu schweben."
"Hoher Herr, Eure Güte war groß, aber die Dankbarkeit der Vajdzina war auch so, wie Ihr sie verlangtet," antwortete die Alte mit einem unwillkürlichen Seitenblick auf Zarba. "Ihr hetztet den Hund auf Katombo, daher wurde er von diesem getödtet; Ihr (\82\)A wolltet Katombo erschießen, daher suchte er sich zu vertheidigen. Wählt eine mildere Strafe!" "Nun wohl, Alte, ich will mich auch jetzt noch gnädig finden lassen. Ich hetzte den Hund auf diesen Burschen, der sich von Zarba küssen ließ, und er tödtete ihn, weil dann ich sie küssen wollte. Wenn jetzt Zarba vor allen Euren Augen mich dreimal küßt, soll Alles vergeben sein." Das Mädchen erglühte und Niemand antwortete,
"Nun?" frug der Offizier. "Es steht in Eurer Wahl, meine Gnade zu haben oder vor einem andern und strengen Gerichte zu stehen!" Die Vajdzina erhob die Hand gegen Zarba: "Gehe hin und küsse ihn!"
"Halt!" rief Katombo. "Zarba ist meine Braut; ihr Kuß darf keinem Andern gehören, als nur mir allein!"
Der Offizier lächelte verächtlich.
"Ich gebe Euch nur eine Minute Zeit; dann ist es zu spät, und ich lasse die beiden Burschen arretiren."
"Küsse ihn!" gebot die Mutter zum zweiten Male.
Obgleich tief verlegen und mit verschämtem, glühendem Angesichte, that Zarba doch einen Schritt nach dem Herzog hin.
"Bleib, Zarba," rief ihr Bruder Karavey. "Eine Gitana küßt nur den Zingaritto!"
"Und mich wirst Du verlieren, wenn Du ihn küssest," fügte Katombo hinzu.
"So seid Ihr Alle verloren," entschied der Herzog. "Räumt sofort das Gehege! Wer in einer
Viertelstunde in demselben noch betroffen wird, wird als Wilddieb behandelt. Und für die beiden stolzen Gitani werde ich noch extra Sorge tragen."
"Küsse ihn!" befahl die Mutter zum dritten Male.
"Ich muß, denn die Vajdzina gebietet es!" klang die Entschuldigung Zarba's. Sie trat schnell auf den Herzog zu, legte die Arme um seinen Nacken und drückte drei flüchtige Küsse auf seine Lippen. Katombo stieß einen Schrei des Schreckens und der Wuth aus und wollte sie zurückreißen; der Vajda aber ergriff ihn am Arme.
"Halt, Katombo! Die Vajdzina hat es geboten, und was sie befiehlt, das wird ohne Widerrede befolgt. Können wir nun bleiben, hoher Herr?"
"Bleibt!" antwortete der Befragte. "Doch hütet Euch in Zukunft sehr, etwas gegen meinen Willen zu unternehmen. Habt Ihr einen Wunsch, so soll ihn mir Niemand sagen, als nur Zarba allein. Merkt Euch das!"
Er wandte sich und ging, ohne Jemand noch eines Blickes zu würdigen. Am Ausgange des
Geheges traf er auf einen Wildhüter, welcher mit der Miene tiefster Unterthänigkeit militärisch grüßte.
"Wer hat heut Dienst, Stephan?"
"Alle, Excellenz, da keiner Urlaub nahm."
"Kennst Du sämmtliche Zigeuner?"
"Ja."
Seine Miene ließ errathen, daß die Anwesenheit der Genannten nichts weniger als seine Billigung hatte.
"Auch den, welchen sie Katombo nennen?"
"Auch den. Er ist noch das beste Mitglied der ganzen Sippschaft."
"Warte, bis ich ein solches Urtheil von Dir verlange! Übrigens sollt Ihr die Leute baldigst loswerden; sie haben sich gröblich gegen mich vergangen und werden ihre Strafe erhalten, doch wünsche ich nicht, daß hiervon gesprochen wird. Kannst Du schweigen?" "Excellenz kennen mich wohl!"
"Allerdings. Getraust Du Dich, diesen Katombo gefangen zu nehmen?" "Ich werde jedem Befehle Eurer Excellenz gehorchen." "Es soll jedes Aufsehen dabei vermieden werden!" "Sehr wohl!"
"Besonders soll Niemand wissen, wer den Befehl gegeben hat und wohin der Gefangene kommt."