"Mensch, wie soll ich Sie behandeln?"
"Anders als bisher, Durchlaucht. Lassen Sie mir die Kleider des Meuchelmörders, und ich gestatte Ihnen dafür, mit dem am Polizeigefängnisse hängenden Seile ganz nach Ihrem Belieben zu verfahren. Ich gehe in dieser Konzession geradezu so weit, daß ich nichts dawider habe, wenn Sie den Entschluß fassen, sich daran aufzuknüpfen. Dann wären alle Kontraste gelöst, und Sie ersparen sich die geplante nochmalige Revision des zweiten Korridors."
"Ah, es scheint, sie sind allwissend!" keuchte der vor Wuth bebende Herzog. "Wo haben Sie diese raffinirten Schlüsse gezogen?"
"Draußen zwischen den Weiden im alten Festungsgraben, gnädiger Herr. Ich stand da auf dem Anstande, um einen Fuchs und einen Marder zu ertappen. Sie gingen Beide ein. Den Fuchs lasse ich für heut noch laufen, denn er ist mir zu jeder Zeit sicher, den Marder aber halte ich fest, da ich ihn nicht an das Polizeigefängniß zurückliefern darf, weil über dieses nächtliche Raubzeug kein Anderer entscheiden soll, als Seine Majestät der König selbst." "Sind Sie toll?" "Nichts weniger als das!"
"Und dennoch sind Sie es, sonst würden Sie es nicht wagen, sich mir als Feind zu präsentiren."
"Unsere Intentionen gehen so weit auseinander, daß eine freundliche Beziehung geradezu eine positive Unmöglichkeit genannt werden muß."
(\99\)A "Sie irren!" Der Herzog glaubte jetzt, diplomatisch verfahren zu müssen, und fuhr fort: "Ich könnte Ihnen den Beweis liefern, daß unsere Intentionen sich sehr leicht vereinigen lassen. Schweigen Sie über den heutigen Tag und geben Sie Helbig frei, dann sollen Sie einen mächtigen Beschützer und Gönner in mir finden."
"Sie beweisen mit dieser Forderung gerade das Gegentheil von dem, was Sie beweisen wollen. Ich kann keinen Mörder freigeben, weil ich ja dann sein Mitschuldiger würde; ich stehe so gut auf meinen eigenen Füßen, daß ich eines Gönners und Beschützers nicht bedarf.
Unsere Interessen sind so divergirend, daß wir stets Gegner sein werden; doch verspreche ich Ihnen, stets mit offener Stirn mit Ihnen zu verkehren, und rathe Ihnen, dasselbe auch mit mir zu versuchen. Ein ehrenhafter Feind ist schätzenswerth, ein hinterlistiger Freund aber einfach verächtlich. Ich habe Ihnen nichts weiter zu sagen, als daß ich die betreffenden Kleidungsstücke mir mit oder ohne Ihre Genehmigung jetzt nehmen werde." "Halt! Bedenken Sie sich sehr wohl, ehe Sie Ihr letztes Wort sprechen! Ich kann beglücken und verderben, ganz wie es mir beliebt, und Ihrer Anklage und Verfolgung stehe ich zu hoch, als daß es Ihnen gelingen könnte, mich zu erreichen."
A "Ein Glück aus Ihrer Hand würde ich niemals annehmen, und wollen Sie mich verderben, so versuchen Sie es. Ihre Höhe ist nur eine konventionelle, nicht aber eine moralische; in Beziehung auf die letztere stehen Sie auf gleicher Stufe wie Ihr Werkzeug Helbig, und noch ist die Gewißheit nicht vorhanden, daß Ihnen nicht dasjenige Schicksal bevorstehe, von welchem Sie ihn befreien wollten. Gute Nacht!" Da faßte ihn der Herzog beim Arme.
"Noch einmaclass="underline" Halt! Sie werden dem Könige wirklich das Geschehene referiren?" "Nicht ich, sondern der Vater wird es thun."
"So gehen Sie. Sie haben es gewagt, mir Schach zu bieten, und werden eher als Sie glauben erkennen, daß ich Herr meines Feldes bin, während Sie nichts sind als ein elender, jämmerlicher Wurm, den ich gewiß zermalmen und zertreten werde."
Max entzog sich mit einem kräftigen Rucke der Hand seines Gegners. Seine Stimme klang ruhig, aber es lag eine Sicherheit und Festigkeit darin, welche imponiren mußte. "Sie wagen es, mich einen Wurm zu nennen? Es wird die Stunde kommen, in welcher ich Ihnen den Fuß auf den Kopf setze, um Sie zu vernichten wie eine giftige Viper, deren Dasein nur Gefahr bringt. Unter vier Augen haben Sie mich nicht zu fürchten, denn ich verachte jeden heimlichen Vortheil; öffentlich aber werde ich Sie zu finden und zu treffen wissen, und dann wird Sie kein Rang vor meinen Streichen schützen, von denen Sie entblößt werden sollen bis zur tiefsten Armseligkeit!"
Mit zwei raschen Schritten trat er in die Ecke, nahm das hier liegende Kleiderbündel empor, steckte die Laterne zu sich und schwang sich über die Umfassung des Gartens. Drinnen stand der Herzog wüthend aber rathlos. Er jedoch schritt davon mit dem Bewußtsein, einen glanzvollen Sieg errungen zu haben.
Als er die Schmiede erreichte, saßen die beiden Gesellen wieder am Herde. "Ihr habt den Mann doch sicher?" frug er sie.
"Na und ob!" antwortete Heinrich, der Artillerist. "Er kann ja kein Glied rühren, und wir wachen hier, bis er fortgeschafft wird. Eine Flucht ist rein unmöglich." B "Das ist am Den!" stimmte Baldrian bei. "Wo sind die Eltern?"
"Droben bei der Hex - - wollte sagen bei der Zigeunerin."
Max begab sich nach oben, wo er Alle beisammen fand. Er berichtete von seiner Unterredung mit dem Herzoge.
"Er soll kein Wort gesprochen haben, welches der König nicht erfährt," meinte Brandauer. "Er hat die heiligsten Gefühle des Menschenherzen verhöhnt und alle Bande zerrissen, welche das Kind mit dem Vater vereinigen," fügte der Hauptmann bei. "Er wüthet gegen sein eigenes Fleisch und Blut; ich bin aller Rücksicht gegen ihn quitt und habe die Erlaubniß, von nun an nur an die Qualen zu denken, welche ich auf seine Befehle erdulden mußte. Ich sehe in ihm nur meinen ärgsten Feind, den ich schonungslos bekämpfen muß." Auch Zarba erhob die Hand.
"Fluch ihm, tausendfachen Fluch! Der Tiger liebt sein Junges und der Geier beschützt seine Brut; dieser Teufel aber zerreißt die Herzen Derer, die ihn lieben. Bhowannie wird ihre Pfeile über ihn schicken, wenn er es am wenigsten vermeint. Schon ist das Messer geschärft, welches gegen ihn gezückt werden soll, und die Vajdzina der Brinjaaren wird ihn zu ihren
Füßen sehen, wie er sich windet unter Klagen, Bitten und Jammern; aber sie wird weder Gnade noch Barmherzigkeit für ihn haben, sondern ihm seinen Lohn geben, den er verdient!" An demselben Tage hatte der Regen die Wasser und Bäche des Gebirges hoch angeschwellt, daß es schwer und bedenklich war, auf Fußpfaden durch die Waldung zu kommen. Auch die wenigen fahrbaren Straßen, welche nach der Grenze führten, wurden schwerer wegbar, und wer nicht gezwungen war, dem Wetter zu trotzen, der blieb daheim am sichern Herde sitzen. Ungefähr drei Wegsstunden von der Grenze entfernt liegt das Städtchen Waldenberg, rings umgeben von schroffen Höhen, welche die Poststraße nur schwer zu überwinden vermag. Seitwärts von dieser Letzteren steht an einem Saumpfade fast mitten im Walde ein einstöckiges Häuschen, über dessen Thür eine Holztafel angebracht ist, deren verwitterte und verwaschene Inschrift man nur mit Mühe zu entziffern vermag. Sie lautet: "Zur Oberschenke." Fragt der Fremde, ob es denn Gäste gebe, welche Durst genug haben, dieses einsame und anspruchslose Haus zu frequentiren, A so antwortet man ihm allerdings mit Ja! er selbst aber würde wochenlang beobachten und zählen können, ehe er zu dem Resultate käme, daß am Tage nicht ein einziger Gast dort verkehrt.
Nur der Eingeweihte weiß, daß sehr oft gewisse Gestalten heimlich in das Gebäude huschen und es ebenso vorsichtig wieder verlassen; er weiß auch, daß zuweilen des Nachts die alte verräucherte Stube kaum die Zahl Derer zu fassen vermag, welche lautlos kommen und verschwinden.
Steht man vor der Thür der Oberschenke, so gestattet ein schmaler Holzschlag, der sich den Berg hinabzieht, einen Blick hinunter in das Thal und auf die Fahrstraße, welche dem Letzteren in vielen Windungen zu folgen hat. Sollte dieser Holzschlag durch eine gewisse Absicht hervorgerufen worden sein? Fast scheint es, als hätte es dem Wirthe ermöglicht werden sollen, von seinem verborgenen Wohnsitze aus die Straße immer im Auge behalten und beobachten zu können.
Heut that er dies nicht; er wußte, daß es keinen Verkehr oder wenigstens keinen nennenswerthen geben werde, er saß an dem gewaltigen Kachelofen, in welchem ein großer Holzklotz mehr klimmte als brannte, rauchte seine Pfeife und hob zuweilen einen dicken Steinkrug zum Munde, um in einem langen Zuge das Getränk zu schmecken, welches bei ihm Bier genannt wurde.