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"Schauderhaft!" meinte der Direktor, sich den Schmeerbauch mit einer Miene betastend, als wolle er untersuchen, ob auch er mit zu diesen Todten gehöre. "Hier muß doch die Behörde einschreiten!"

"Die Behörde? Ja, eine Behörde gibt es, und Grenzer und Soldaten gibt es auch, aber man hat noch niemals gehört, daß auch nur Einer von ihnen einmal einem Pascher begegnet wäre. Es ist verwunderlich."

"Die Leute müssen ja förmlich organisirt sein und einen sehr listigen Anführer besitzen."

"Das sagt man, aber es kennt ihn Niemand, und es geht Alles so glatt und geheim, daß man von keinem einzigen Menschen mit Sicherheit sagen könnte, daß er zu den Paschern gehört.

Aber wollen die Herren wirklich fort?"

Die beiden Männer hatten sich erhoben.

"Ja; wir haben Eile und bitten um Ihre Rechnung."

Diese wurde aufgestellt und bezahlt; dann stiegen sie ein und der Wagen rollte durch das Städtchen weiter, hinaus in den Wald.

Eine Zeit lang saßen die Flüchtlinge einander schweigsam gegenüber, bis der Oberarzt die Stille unterbrach.

"Kennen Sie den Geheimerath, an welchen wir gewiesen sind?"

"Persönlich nicht; ich war ja überhaupt noch nie in Süderland. Aber sein Ruf ist wohl auch Ihnen nicht ganz fremd. Er ist einer von den wenigen Beamten der dortigen Regierung, welchen man einen Einfluß auf den König zutrauen darf; wir sind ihm jedenfalls gut empfohlen, und wenn es uns gelingt, einen günstigen Eindruck auf ihn zu machen, so zweifle ich nicht, daß der uns aufgezwungene Ortswechsel von keinen unangenehmen Folgen für uns ist."

"Wenn! Ja, könnte man in die Zukunft blicken!" meinte der etwas düsterer angelegte Oberarzt.

"Folgen Sie meinem Beispiele und seien Sie guter Dinge! Der Herzog von Raumburg darf uns unmöglich fallen lassen; denken Sie an die beträchtliche Summe, welche er uns überwiesen hat, und an die wichtigen Depeschen, welche uns durch Penentrier anvertraut worden sind. Die Zukunft läßt mich nichts befürchten; anders aber ist es mit der Gegenwart. Wir haben eine noch ziemliche Strecke zurückzulegen, ehe wir die Grenze erreichen, und es sollte mich wundern, wenn wir nicht bereits verfolgt würden. Dazu kommt die Geschichte mit den Schmugglern, die einander gegenseitig massakriren. ich wollte, wir wären hinüber!" Dieser letztere Gedankengang warf ihn in die vorige Schweigsamkeit zurück; er lehnte sich in die Polster des Wagens und schloß B die Augen. Der Oberarzt folgte seinem Beispiele; die Landschaft draußen bot ja bei der gegenwärtigen Witterung nichts Anziehendes, und so wühlten sich die Räder immer weiter fort; Viertelstunde um Viertelstunde verging, bis plötzlich ein lauter Ruf des Kutschers die Fahrgäste aus ihrem Halbschlummer aufschreckte. Dem Rufe folgte ein eigenthümliches Schwanken des Wagens, welcher jetzt einen scharfen Ruck bekam und sich auf die Seite neigte.

"Um Gotteswillen, wir stürzen!" rief der Direktor. "Beyer, halt, halten Sie an!" Der Wagen kam nicht vollständig zum Umfallen; er stand inmitten eines tiefen Hohlweges und lehnte sich mit der einen Seite fest an die Böschung desselben. Die Pferde hielten vorn unbeweglich und geduldig wie die Lämmer, und nur der Kutscher stieß einige zornige Flüche hervor und stieg ab, um nach der Ursache des Unfalls zu sehen.

Der Direktor öffnete ängstlich das Fenster, um sich über seine Lage zu unterrichten, fuhr aber sofort mit einem Schreckenslaute zurück.

"Gott stehe uns bei! Doktor, sehen Sie die drei Kerls, welche dort herabspringen?" Der Wirth mit den beiden Zigeunern war es. Sie hatten schwarze Masken vor die Gesichter gebunden, lange Messer in den Fäusten und kamen in den Hohlweg herabgestiegen. Der Erstere öffnete den Wagenschlag. "Wohin die Reise, meine Herren?"

"Nach der Grenze," antwortete der Direktor zähneklappernd.

"Schnell oder langsam?"

"Schnell, so schnell wie möglich, mein Lieber."

"Gut, dann muß ich Ihnen sagen, daß dieser Weg nicht der kürzeste ist, und zudem scheint

Ihnen Ihr Kutscher abhanden gekommen zu sein. Wollen Sie sich uns anvertrauen, so werden wir Sie sicherer und schneller führen, als er Sie gefahren hat."

"Sie meinen - Sie wollen - - ja, meine Herren, verstehe ich Sie recht?"

"Jedenfalls. Wir sind hier, uns Ihrer anzunehmen. Steigen Sie aus!"

Aber bitte, wollen Sie uns nicht lieber den Wagen aufrichten und dann den Kutscher rufen? Ich werde Sie für diese kleine Mühe gern bezahlen."

"Was könnten wir für eine so kleine Mühe fordern! Erlauben Sie uns doch eine etwas größere Mühe. Steigen Sie aus!" "Aber, mein Bester, ich - - -" "Heraus!"

"Sollte es wirklich Ihr Ernst - - -" "Herrrraus, oder---!"

Dieser Ton, verbunden mit einer sehr deutlich zu erklärenden Bewegung des Messers brachte eine sehr schnelle Wirkung hervor. Der Direktor war trotz seiner Korpulenz in einem Nu aus dem Wagen; der Oberarzt folgte ihm ebenso eilig. Von dem Fuhrmann Beyer war nicht die geringste Spur zu bemerken.

"Kommen Sie!" gebot der Wirth und wandte sich dem Walde zu. "Aber bitte, entschuldigen Sie, meine Herren, unser Gepäck - !"

"Geht Ihnen sicher nicht verloren, dafür lassen Sie mich sorgen. Folgen Sie nur diesen beiden Männern, die es so gut mit Ihnen meinen, daß sie nicht gern von ihren Messern Gebrauch machen möchten. Vorwärts, marsch!"

A Die beiden Ärzte sahen sich gezwungen, dem fürchterlichen Menschen zu gehorchen. Sie wurden von den Zigeunern in den Wald geführt, wo man ihnen die Augen verband und sie dann an der Hand weiter geleitete. Dies dauerte sehr lang; die Zeit wurde ihnen fast zur Ewigkeit; aber endlich erreichte man das Ziel; eine Thür kreischte in den Angeln - noch einige Schritte weiter, dann wurden ihnen die Binden wieder von den Augen genommen. Sie befanden sich in einem vollständig dunkeln Raume. "Hier herein!" klang die Stimme des einen Zigeuners.

Die Gefangenen wurden in einen engen, niedrigen Raum gestoßen; ein helles Gelächter ertönte hinter ihnen, dann waren sie mit sich allein. - -

Es war nur einige Tage früher, daß Prinz Arthur von Sternburg im Garten von Schloß Sternburg sein Renkontre mit dem wilden Prinzen gehabt hatte.

Die Kastellanin Horn stand in der Küche und bügelte Gardinen und allerlei andere Hauswäsche, welche jetzt ja sehr nöthig gebraucht wird, als die Thür aufgerissen wurde und Almah ganz athemlos hereintrat.

"Hülfe, meine liebe Mama Horn, Hülfe!" "Hülfe?! Herrjesses, mein Kind, was ist denn los?" "Hülfe! Um Gottes willen, helfen Sie, retten Sie ihn!" "Ihn? Wen denn?"

"Ihn!" antwortete das erschrockene Mädchen, indem sie auf einen Stuhl sank und die Augen schloß.

"Herr meines Lebens, jetzt stirbt sie mir!" schrie die Kastellanin und eilte hin und her, um irgend ein Mittel zu finden, die Ohnmächtige wieder in das Leben zurückzurufen. Vor Angst und Bestürzung jedoch fand sie nichts, und so nahm sie den Kopf des Mädchens an ihr Herz, streichelte die erbleichten Wangen und bat:

"Nicht sterben, mein liebes, mein gutes, mein süßes Kind, nur nicht sterben! Herrjesses, wo nur mein Alter steckt; nun bin ich ganz allein in dieser schrecklichen Noth! Sie stirbt mir wahrhaftig noch, und hat mir nicht einmal vorher gesagt, wen ich retten soll. Aber da, Gott sei Lob und Dank, da holt sie ja wieder Athem, da macht sie die Augen auf. Kind, fassen Sie sich und sagen Sie mir schnell, wen ich retten soll!" "Ihn!" hauchte es leise. B "Ihn? Ja, wen denn und wo denn?" "Im Garten. Sie werden sich tödten!"

"Tödten? Herrjesses, ist das schrecklich!" Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

"Was soll daraus werden, und wie soll das enden, wenn sie sich tödten! Aber, mein Kind, wer ist es denn?"

"Prinz Hugo."