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"Na, sehen Sie, Mama Horn; jetzt können Sie mir diese schöne Geschichte also doch erzählen! Nicht wahr? Bitte!"

"Ich darf wirklich nicht, mein Kind. Nur das kann ich Ihnen sagen, daß es schon lange her ist."

"Wie lange wohl?"

"Ich war damals noch ledig, und mein Mann hat mir eben gesagt, daß wir bald heirathen wollten. Wir saßen in der Laube und - - -" "In der Laube? Mit einander?"

"Natürlich! Es war am Abende, und Alles schlief, so dachten wir nämlich; aber dennoch war der Herzog noch im Garten."

"Der Herzog? Welcher Herzog?"

"Der Herzog von Raumburg."

"Den kenne ich nicht."

"Ich stand nämlich als Küchenmädchen in seinem Dienste, und mein Mann war Reitknecht. Es durfte Niemand wissen, daß wir uns lieb hatten, und darum kamen wir manchmal des Abends zusammen, wo uns Niemand sehen konnte. Da saßen wir in der Laube und hatten uns gar viel zu sagen und zu erzählen, bis ein fremdes Weib über die Mauer stieg." "Wer war sie?" A "Eine Zigeunerin."

"Sagte ich es nicht, daß diese Geschichte sehr schön sein werde! Was wollte dieses Weib?" "Das wußten wir erst auch nicht; bald aber stand der Herzog bei ihr, der auf sie gewartet hatte, und dann erwürgte er sie."

"Ein Herzog eine Zigeunerin? Wissen Sie das genau?" "Natürlich; wir standen ja ganz nahe dabei." "Warum aber erwürgte er sie?"

"Weil sie ihre Tochter wieder haben wollte und auch ihren Sohn, den er gefangen hielt." "Das muß ja ein ganz und gar schlimmer Mensch gewesen sein, dieser Herzog! Wollte er denn den Sohn und die Tochter nicht herausgeben?"

"Nein. Er erwürgte die Frau, und wir durften ihn nicht anzeigen, weil er unser Herr war und kein Mensch uns geglaubt hätte, was wir sagten. Aber wir sind dann schnell aus seinem Dienste und zu unserem jetzigen Herrn gegangen und haben das bis auf den heutigen Tag noch niemals bereut."

"So weiß also außer Euch kein anderer Mensch, daß dieser garstige Herzog die Zigeunerin erwürgt hat?" "Kein Mensch:" "Wie hieß sie?"

"Das weiß ich nicht; aber ihre Tochter hieß Zarba, und ihr Sohn floh noch in derselben Nacht aus seiner Gefangenschaft; er hieß - hieß - - da komme ich doch nicht auf den Namen!" "Katombo!" ertönte es von dem Eingange her.

Die beiden Frauen drehten sich um und erblickten den Pascha, welcher Zutritt hatte nehmen wollen und ein unbemerkter Zuhörer der Erzählung gewesen war. Warum hatte diese Letztere einen solchen Eindruck auf ihn gemacht. Er sah bleich aus, und seine Augen glühten wie im Fieber.

"Katombo, ja, so hieß er," antwortete die Kastellanin überrascht. "Du weißt diesen Namen, Papa? Wie kannst Du ihn erfahren haben?"

"Ich hörte einst von dieser Sache sprechen," antwortete er kurz, und zu der Kastellanin gewandt fügte er hinzu: "Sie werden mir das noch ausführlicher erzählen müssen, ehe ich heute abreise." "Schon heut, Excellenz?"

"In zwei Stunden schon. Bitte, schicken Sie Willmers hinunter zu meiner Yacht; sie soll sofort segelfertig gemacht werden!" Die Kastellanin entfernte sich.

Papa, wird es Dir nicht Schaden bringen, daß dieser Prinz hier so gezüchtigt worden ist?"

"Schaden? Pah! Der König muß es mir Dank wissen, wenn ich mich durch die Frechheit seines Buben nicht bestimmen lasse, den Vertrag rückgängig zu machen, den ich heut mit diesem abgeschlossen habe!"

"Einen Vertrag? Ist es ein wichtiger, Papa?"

"Ja."

"Darf ich ihn wissen?"

"Du wirst ihn seiner Zeit erfahren. Jetzt brauche ich Dir nur zu sagen, daß ich jetzt die Aufgabe habe, die Küsten- und Grenzfortifikationen Norlands zu untersuchen, daher unsere Reise."

Sie blickte ihm ängstlich in das Angesicht.

"Das deutet auf einen Krieg, Papa. Sollst Du etwa wieder das Kommando einer Kriegsflotte übernehmen?"

"Möglich, doch das sind sehr geheimnißvolle Pläne, von denen ich kaum zu Dir sprechen darf, obgleich ich weiß, daß ich meinem guten Kinde vollständig vertrauen kann." "Sage mir es, Papa! Wenn ich nichts weiß, kann ich sehr leicht einen großen Fehler begehen, der Dich in Schaden bringt."

"Du hast Recht. Es wird bald zwischen Norland und Süderland ein sehr ernster Krieg ausbrechen, und da Süderland keinen hervorragenden Seemann besitzt, so ist mir der Oberbefehl über die Kriegsflotte angetragen worden." "Hast Du angenommen?"

"Nur für gewisse Bedingungen. Der König von Norland ist ein guter Herrscher, aber er hat sein Scepter aus der Hand gegeben, denn der eigentliche Regent ist jener böse Herzog von Raumburg, von dem die Kastellanin vorhin erzählte. Dieser will nun nicht nur die Macht, sondern auch sämmtliche Attribute eines Königs haben und hat deshalb mit Süderland einen geheimen Plan verabredet. In Norland soll die Revolution ausbrechen; Süderland wird eingreifen, den jetzigen König absetzen und den Herzog krönen." "Das ist aber ja eine Ungerechtigkeit, Papa! Was wird Süderland davon haben?" "Vortheilhafte Verträge, und überdies wird die Prinzessin Asta Königin von Norland werden, denn sie soll den Sohn des Herzogs heirathen."

B "Und dazu sollst Du helfen! Auch Du willst den bösen Herzog zum Könige machen?" Über das wettergebräunte Gesicht des türkischen Kapudan-Pascha ging ein eigenthümliches Zucken.

"Ob ich es thue oder nicht, Almah, Du wirst stets wissen, daß Dein Vater nur das Gute will und alles Böse haßt. Ich mache Dir diese Mittheilungen und schließe dabei manche meiner Absichten aus, weil ich vielleicht gezwungen sein werde, Dich hier bei Hofe vorzustellen. Du darfst nur Dinge wissen, durch deren Kenntniß Du mir dienen kannst, während ich gewisse Punkte unaufgeklärt lassen muß, weil mir Deine Einweihung Schaden bringen kann. Trete ich das Kommando wirklich an, so werde ich leider gezwungen sein, gegen unsre gegenwärtigen Wirthe zu kämpfen." "Wie so?" "Der alte Sternburg ist ohne Zweifel der befähigste General der norländischen Armee, und er wird sich an dem Kampfe betheiligen, wenn auch auf Einfluß des Herzogs, der ihn nicht liebt, ihm keine hervorragende Heerführerstelle anvertraut wird. Sein Sohn, Prinz Arthur, ist trotz seiner Jugend und obgleich er erst den Rang eines Kapitän begleitet, der einzige Seemann Norlands, den ich als ebenbürtig anerkennen würde. Auf alle Fälle aber werden wir uns nicht als persönliche Gegner zu betrachten haben. Jetzt beeile Dich, mein Kind, damit Du zur angesetzten Zeit fertig bist. Wir kehren wieder nach hier zurück."

Er ging hinab in die Wohnung des Kastellans, um dessen Frau heraufzuschicken. Er fand sie sehr verlegen und ihren Mann zornig.

"Excellenz," meinte der Letztere, "meine Frau hat Ihnen ein Ereigniß mitgetheilt, welches bisher unser alleiniges Geheimniß war -"

"Sorgen Sie nicht! In Beziehung auf Sie wird es Geheimniß bleiben wie bisher. Ich gebe Ihnen hiermit mein Ehrenwort, daß Sie seinetwegen nicht in die geringste Verwickelung oder Ungelegenheit gerathen werden, nur mache ich hierbei allerdings die Bedingung, daß Sie mir Alles einmal genau und ausführlich erzählen, während Ihre Frau meiner Tochter bei der Reisevorbereitung behilflich ist."

Dies geschah. Horn erinnerte sich jenes verhängnißvollen Abends noch ganz genau und konnte sich auf jedes Wort besinnen, das er damals mit seinem Mädchen belauscht hatte. Unterdessen kehrte Arthur von der Yacht zurück und machte sich reisefertig. Er hatte von dem Prinzen Hugo weder oben auf der Höhe noch unten in der Stadt eine Spur bemerkt. Zur festgesetzten Zeit hatte das kleine, flotte Schiff seine sämmtlichen Passagiere an Bord. Es lichtete die Anker, entfaltete seine Segel und strebte in einem graziösen Bogen aus dem Hafen hinaus der See entgegen. Bald war der weiße Punkt, welchen seine Leinwand am blauen Horizonte bildete, verschwunden.

Die Straße, welche von Süderhafen in das Gebirge führte, dieselbe, welche Balduin Schubert, Karavey und dann auch Thomas Schubert benutzt hatte, um zu dem Waldhüter Tirban zu gelangen, schien heut belebter als gewöhnlich zu sein. Von irgend einem den Weg beherrschenden Punkte hätte man nach und nach verschiedene Gestalten oder Gruppen bemerken können, in ihrem Äußeren so verschieden, daß die Ahnung ferne lag, sie könnten vielleicht bald in eine engere Beziehung zu einander treten.