"Katombo, Du bist ein großer Beluhwan, ein Held, wie der Nil keinen zweiten kennt; aber Du hast Unrecht gethan, die Sandals zu verkaufen und das Elfenbein mir zu bringen; es gehört ja Denen, welchen es geraubt wurde!"
"Sie Alle leben nicht mehr. Die Fahrzeuge gehörten den Räubern, welche ich getödtet habe, und die, denen sie die Fracht raubten, wurden von ihnen niedergemacht. Du sagst ja selbst, daß sie niemals Pardon geben."
"So hast Du Recht und sollst belohnt werden, wie es sich geziemt. Das Geld, welches Du übrig hast, ist Dein."
"Sihdi, Deine Hand öffnet sich mit Wohlthun und Barmherzigkeit, doch kann ich ein so reiches Geschenk nicht annehmen, denn die Summe, welche ich wiederbringe, ist doppelt so groß als die, welche Du mir mitgabst. Die Sandals wurden mir in Chartum gut bezahlt." "Und dennoch bleibt es bei Dem, was ich sagte, denn das Wort des Propheten lautet: "Halte, was Du versprichst, denn der Athem Deines Mundes, der die Rede trägt, geht wohl heraus, kehrt aber nicht wieder in denselben zurück!" Wie viel bringst Du wieder?" "Erlaube, Sihdi, daß ich Dir in Deiner Wohnung Rechnung ablege! Deine Gnade führte Dich herbei zum Wasser, aber die Sonne brennt so heiß, daß Dein treuer Diener fürchtet, sie könne Deine Gesundheit trüben."
"So komm! Aber mußt Du nicht auf dem Schiffe sein?"
"Der Steuermann ist ein tüchtiger Schiffer; er wird meine Stelle vertreten, bis wir mit einander gesprochen haben."
Sie wandten sich dem Hause zu, in welchem alle Diener herbeieilten, um Katombo ihre Freude über seine Rückkehr zu erkennen zu geben. Er genoß also nicht nur die Gunst seines Herrn und Prinzipals, sondern auch die Liebe aller Derer, die mit ihm zu B verkehren hatten. Übrigens war mit seinem Äußeren eine höchst vortheilhafte Veränderung vorgegangen. Seine Gestalt hatte sich nach Höhe und Breite entwickelt; sein früher jugendliches Ansehen war bedeutend männlicher geworden; ein prächtiger Vollbart zog sich um seine gebräunten Wangen, und wie er so neben Manu-Remusat die Stufen emporstieg, zeigte sich seine Gestalt beinahe stattlicher, kräftiger und würdevoller als diejenige seines Chefs, obgleich dieselbe ganz geeignet war, einen Achtung gebietenden Eindruck hervorzubringen. Sie betraten das kühle Zimmer, im welchem Remusat vorhin gesessen hatte. Die beiden Sklaven hatten sich mittlerweile entfernt. Der Egypter nahm wie früher auf dem Divan Platz. "Setze Dich zu mir, denn ich bin sehr mit Dir zufrieden!"
Katombo gehorchte, im Stillen erfreut über diese ehrenvolle Aufforderung, die gewiß noch an keinen Andern ergangen war. Er legte den krummen Säbel und die Pistolen ab, welche sein Gürtel bisher getragen hatte, und zog verschiedene Papiere aus der Tasche.
"Hier ist meine Abrechnung, Sihdi. Sie wird Dir zeigen, daß ich kein untreuer Diener war."
Manu-Remusat nahm sie und klatschte in die Hände. Sogleich erschienen die beiden Schwarzen.
"Tabak!"
Auf diesen Zuruf hin brachten sie zwei Pfeifen, welche sie Remusat und Katombo darreichten. Nachdem das duftenden Kraut von Dschebeli in Brand gesteckt worden war, knieten sie zur weiteren Bedienung vor den beiden Männern nieder.
Manu-Remusat durchlas und verglich die Papiere; dann, als er fertig war, steckte er sie zu sich.
"Ich sehe, daß Du ein treuer, muthiger und gewandter Diener bist. Das Geld, welches Du mitbringst, gehört Dir, und ich stehe im Begriffe, Dir einen Beweis meines Vertrauens zu geben, wie Du größer ihn niemals erlangen kannst."
"Sprich, Sihdi! Ich werde hören und gehorchen."
"Ich werde Dir eine Aufgabe ertheilen, welche Du vielleicht nur dann erfüllen kannst, wenn Du Dein Leben wagst. Soll ich weiter sprechen?"
"Ich lausche Deiner Rede, Sihdi. Mein Herz und meine Liebe gehören Dir, folglich auch mein Leben."
"Du weißt, daß kein wahrer Moslemin zu einem andern Manne von seinen Frauen spricht. Wenn ich diesen guten und löblichen Gebrauch übertrete, so wirst Du erkennen, daß auch ich Dich lieb habe und Dir mein ganzes Vertrauen schenke. Ich habe keinen Harem wie andere Gläubige. Der Tod hat das Weib meiner Seele von mir gerissen; mein Herz ist ihr treu geblieben bis auf den heutigen Tag, und weder eine Frau noch eine Sklavin hat es vermocht, die Trauer um sie von mir wegzunehmen. Als sie von mir schied, hinterließ sie mir die zwei größten Kleinode meines Lebens, meine beiden Töchter. Du hast sie noch niemals gesehen, obgleich Du bereits drei Jahre in meinem Hause weilst. Sie sind schön wie die Huris des Paradieses, lieblich wie die Fittiche der Schwalbe und gut und folgsam wie Roath (Ruth), von der die Schriften der Kalifen und die Bücher der Juden und Christen erzählen. Sie waren meine Freude des Morgens, meine Wonne des Abends, und all meine Sorge bei Tag und bei Nacht hatte nur ihr Glück im Auge. Jetzt ist die Freude in Leid verwandelt, und die Wonne hat sich in Schmerz und Gram verkehrt, denn Sobe<de, die ältere von ihnen, ist verschwunden, und weder ich noch einer meiner Diener hat vermocht, eine Spur von ihr aufzufinden."
Er schwieg. Sein Antlitz hatte sich wieder verdüstert, und in seinem dunklen Auge stand eine Thräne. Katombo hielt den Blick zu Boden gesenkt; er schien nachzusinnen. Dann erhob er ihn zu seinem Herrn. "Darf ich sprechen, Sihdi?" "Sprich!"
"Du sagtest selbst, daß ein ächter Moslem nicht von Frauen reden darf -"
"Der Mann darf von seinem Weibe und der Bruder von seiner Schwester reden. Sprich zu mir,
wie der Sohn zu seinem Vater; sprich von Sobe<de, wie der Bruder von seiner Schwester; frage mich nach Allem was Du willst, ich werde Dir gern antworten!"
"Seit wann ist Sobe<de verschwunden?"
"Morgen werden es drei Wochen."
"Am Tage oder des Nachts?"
"Des Abends."
"War sie allein?"
"Ja. Sie war in den Kiosk gegangen, welcher an die Mauerecke des Gartens gebaut ist. Sie hatte dies niemals allein, sondern stets in Begleitung ihrer Schwester gethan; sie ist also entflohen, und dies verdoppelt meinen Schmerz." A "Hatte sie gesagt, daß sie nach dem Kiosk gehe?" "Ja."
"Hatte sie ihre Schwester nicht aufgefordert, sie zu begleiten?" "Nein."
"Wo war die Schwester, als Sobe<de ging?"
"Bei mir. Wir spielten Schach. Sobe<de saß dabei; sie erhob sich und ging, ohne ein Wort zu sagen."
"Spielte sie auch Schach?" "Nicht gern und nicht gut."
"Hat sie erst ihr Harem aufgesucht, ehe sie nach dem Kiosk ging? Erinnere Dich genau, Sihdi!"
"Nein, denn sie ging hier die Stufen hinab in den Hof und von da aus nach dem Garten. Selim, der Verschnittene, war im Hofe und hat es gesehen." "Welches Gewand trug sie?" "Das, welches sie gewöhnlich trug."
"Vermissest Du etwas von ihren andern Gewändern, von ihrer Wäsche, ihrem Schmucke und ihrem oder Deinem Gelde?"
"Nicht das Geringste. Ich selbst habe nachgeforscht und auch Ayescha nachsuchen lassen." "So freue Dich, Sihdi, denn Deine Tochter ist nicht freiwillig von Dir gegangen; sie ist nicht entflohen."
"Nicht entflohen? Was sonst?"
"Sie ist geraubt, sie ist entführt worden."
"Allah akbar, Gott ist groß! Du träufelst mir Balsam in die Wunde meines Herzens, die aber dennoch nicht genesen wird, denn sie ist mir doch verloren!"
"Allah akbar, Gott ist groß, sagst Du; er nimmt, und er gibt wieder; aber er steigt nicht vom Himmel herab, um Dir Deine Tochter selbst wiederzubringen, sondern er gab Dir einen klugen Sinn, einen starken Arm und treue Diener, damit Du Dir wieder holen sollst, was Dir geraubt wurde."
"Mein kluger Sinn ist zu Ende mit seinen Plänen; mein starker Arm ist ermattet vom Kummer, und meine Diener, die ich aussandte, sind entweder noch gar nicht zurückgekehrt, oder sie kamen ohne die, welche sie mir wiederbringen sollten. Ich habe nur noch Dich, Katombo. Willst Du gehen und Sobe<de suchen?"