"Du bist kein Springer, sonst wärst Du nicht an dem Nagel hängen geblieben. Ihr habt die Gefangene gesund und richtig abgeliefert?"
"Ja."
"Sie befindet sich in dem Harem des Mudellir?"
"Nein. Seine Lieblingsfrau ist eifersüchtig; er darf keine junge schöne Sklavin bringen." "Wo ist sie dann?" "In einem Hause der Straße Bab-el-Run, wohin wir sie bringen mußten. Man erkennt es an der ersten Sure des Koran, welche über seinem Thore steht." "Wie viel erhieltest Du für die That?"
"Ich erhielt noch nichts; der Mudellir will mich erst nach meiner Rückkehr bezahlen." "Warum gingst Du wieder nach Siut?"
"Ich sollte erkundschaften, ob Manu-Remusat unsere Spur entdeckt habe." "Wußtest Du, daß die Dahabi,, auf welcher Du fuhrst, ihm gehört?" "Nein; der Steuermann nannte mir Deinen Namen."
A "Ist Hamd-el-Arek jetzt noch in Assuan? Ich hörte, daß der Khedive ihn nach Kairo berufen habe."
"Er wird noch einige Tage in Assuan bleiben, um sich Sobe<de günstig zu stimmen; aber lange Frist ist ihm nicht gelassen."
"Ich bin fertig mit Dir!" Dann wandte er sich an Manu-Remusat: "Das Weitere muß ich Dir überlassen, Sihdi!"
Remusat sprach noch einige unwesentliche Fragen aus, die sich meist auf das Verhalten und Befinden seiner Tochter bezogen. Über das Erstere wurde ihm ausführlicher Bescheid; über das Letztere aber konnte er natürlich nichts erfahren. Seine Schlußmeinung sprach er in den Worten aus:
"Du bleibst mein Gefangener, bis die Angelegenheit zu Ende ist. Erhalte ich meine Tochter unversehrt wieder, so werde ich Dir ein gnädiger Richter sein; findet aber das Gegentheil statt, so mußt Du sterben!"
Er ließ den Armenier abführen und sorgte dafür, daß an eine Flucht desselben nicht zu denken war. Dann reichte er Katombo nochmals die Hand:
"Ich wiederhole, daß ich Dir ein Vater bleiben werde. Allah halte seine Hand über Dir und alle die Deinen, so lange Du lebst und sie auf Erden sind! Du hast mir neue Hoffnung gegeben, wo keine mehr vorhanden war, hast mir den Weg gezeigt, den ich zu gehen habe, und nun werde ich noch heute aufbrechen nach Assuan, um mein Kind von seinem Räuber zurückzufordern."
"Das wirst Du nicht. Willst Du Deine andere Tochter schutzlos zurücklassen?"
"Ich übergebe Dir Ayescha, denn ich weiß, daß sie unter Deiner Obhut so sicher ist wie im Zelte der Erzväter."
Ein Gefühl des Stolzes und der Genugthuung überkam Katombo, dennoch aber antwortete er: "Sagtest Du nicht selbst, daß Hamd-el-Arek Dein Todfeind sei? Er ist der Liebling des Vizekönigs. Willst Du in die Höhle des Löwen gehen? Du wirst nicht Deine Tochter retten, sondern darin umkommen!"
"Einst hatte ich die Macht, welche er besitzt; ich befehligte ganze Flotten, welche auf der See schwammen, und Alles was ich that, war recht und gut. Da wollte mir der Vizekönig eine seiner Töchter zum Weibe geben; ich aber liebte die Mutter meiner Töchter und schlug es ihm ab. Er schickte mich in die Verbannung. Der Streich war von Hamd-el-Arek ausgesonnen; dieser wußte, daß ich jedes andere Weib ausschlagen und also den König erzürnen werde. Er nahm meine Stelle ein in der Gunst des Herrschers und trachtet mir nun auch nach meinen Töchtern, Allah verdamme ihn. Ich werde ihn tödten, wo ich ihn nur finde!" "Laß Den für Dich handeln, den Du vorhin Deinen Sohn nanntest, Sihdi! Du kannst nicht frei und ungehindert handeln, denn der Mudellir kennt Dich; mich aber hat er noch nie gesehen; von mir hat er noch nie gehört. Du kennst mein Auge und meinen Arm. Ich schwöre Dir, daß ich Dir Deine Tochter bringe oder sterben werde; ich schwöre es bei Allah und den sieben Himmeln des Propheten!"
Manu-Remusat wurde wankend; das war ihm anzusehen, und jetzt legte sich auch das Händchen Ayeschas auf seine Schulter.
"Erfülle seine Bitte, Vater, und bleibe bei mir. Er wird Dir Sobe<de wiederbringen!"
"Auch Du, meine Tochter? So sei es denn! Fahre Du hinauf nach Assuan; Du wirst meine Hoffnung ganz erfüllen. Nimm die leere Dahabi,, welche noch nicht befrachtet ist; ich stelle sie unter Deinen Befehl."
"Verzeihe, Sihdi! Die Dahabi, geht zu langsam. Gieb mir den Sandal, welcher nach meiner Zeichnung gebaut wurde und eigentlich in drei Tagen seine erste Fahrt stromab beginnen sollte!"
"Den kannst Du nicht nehmen; er ist ja beinahe vollständig befrachtet." "Wir laden Alles auf die zweite Dahabi,. Wenn alle unsere Schiffer helfen, sind wir vor Anbruch des Morgens fertig, und dann wird der Sandal so schnell segeln, daß er den Verlust der Zeit doppelt einbringt."
"Thue, was Du wünschest! Der Sandal wurde nach Deinem Plane gebaut; Du selbst gabst ihm den Namen Djuhr-el-Djienne (Schwalbe) und behauptest, daß er der beste Segler des Nils sein werde. Dir zu Ehren soll seine erste Fracht in dem Glücke bestehen, welches Du mir wiederbringst. Gehe jetzt, mein Sohn, und ertheile Deine Befehle; sie sollen so befolgt werden, als seien es meine eigenen!"
Katombo ging. Als er in den Hof trat, eilte ihm ein arabischer Diener entgegen, welcher sich durch eine, wenn auch nicht zu hohe aber äußerst nervige und geschmeidige Gestalt auszeichnete.
"Hamdullillah, Preis und Lob sei Gott, daß ich Dich wiedersehe! B Ich war krank, als Du abreistest. El-Timsach (Krokodil) hatte mich gebissen, ließ mich aber wieder fahren, weil es zu wenig Fleisch an mir fand, dennoch aber waren mir seine Zähne so tief in den Leib gefahren, daß ich Dir nicht folgen konnte. Jetzt aber hat mir Allah den Gebrauch meiner Glieder wiedergegeben, und so hoffe ich, daß ich mit Dir gehen darf, wenn Du wieder reisest."
"Das sollst Du, Ali, und zwar bald, denn bereits morgen früh fahren wir mit der neuen "Djuhr-el-Djienne" ab."
"Morgen früh? Mit Deinem Sandal, Sihdi?" Der Mann machte vor Freude einen Luftsprung, wie ihn die gelenkigste Meerkatze nicht besser fertig gebracht hätte, und fuhr dann fort: "Du bist der beste und gütigste Sihdi, den es geben kann in ganz Moslemistan, Parsistan, Indistan, Chinistan und Frankistan!"
Katombo lächelte selbst sehr vergnügt. Unter allen Leuten Manu-Remusats hatte er Ali am liebsten; dieser war nicht nur der treueste und zuverlässigste Diener, den es gab, sondern er zeichnete sich unter seinen meist ernsten Genossen durch eine ansehnliche Portion
Lebhaftigkeit aus, die sehr oft geradezu in Frohsinn und eine Heiterkeit überging, welche sich in den possirlichsten Witzen erging.
"Mache Dich also bereit, Ali!"
"Sihdi, ich bin bereits fertig. Soll ich absegeln?"
"Nein," lachte Katombo; "aber wenn Du es so eilig hast, so gehe hinüber zur Dahabi,, in welcher ich gekommen bin, und sage allen Männern, daß sie herunter zum Sandal kommen sollen; es gibt eilige Arbeit für sie!"
"Ich eile, ich laufe, ich springe, ich fliege, Sihdi!" antwortete Ali, und bei dem letzten seiner Worte war er schon so weit entfernt, daß es von Katombo gar nicht mehr gehört oder verstanden werden konnte.
Er sprang nach dem Flusse hin und erstieg die Dahabi,. Einer der Männer, welcher ihn nicht kannte, trat ihm entgegen. "Was willst Du hier?"
"Sage mir zuvor, was Du hier willst, Du Ben-el-Kuskussu!" "Ich gehöre zu diesem Schiffe!"
"So bist Du wohl der Mann, der die überflüssigen Ratten und Mäuse todtzubeißen hat, wie ich an Deinem Großmaul ersehe?"
"Hüte Deine Zunge, Kleiner! Ich bin Omar, der Segelwächter."
"Omar, der Segelwächter? Was ist ein Segelwächter, und was ist Omar? Ein Segelwächter ist ein Mann, der nichts ist, ganz und gar nichts, und Omar ist ein Name, den so viele Männer tragen, wie Sand am Meere oder wie Flöhe in der Sahara. Ich aber heiße Ali-el-Hakemi-Ebn-Abbas-Ebn-er-Rumi-Ben-Hafis-Omar-en-Nasafi und bin der erste Diener und Minister meines guten Herrn und Effendi Katombo. Siehe, wie Du vor Erstaunen den Mund aufsperrst, als ob Du die Pyramiden von Giz,h verschlingen wolltest, gerade wie Deine Ratten und Mäuse! Wo ist der Steuermann?" "In der Kajüte!"