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Ali eilte hinab und traf den Genannten an.

"Allah kerim, Gott ist gnädig; Du bist wieder gesund, Ali?" begrüßte ihn dieser. "Was thust Du auf der Dahabi,? Schickt Dich der Re<s?"

"Ja. Sihdi Katombo läßt Dir sagen, daß alle Männer sofort nach der "Djuhr-el-Djienne" kommen sollen, wo es viele Arbeit gibt." "Wir haben hier ja Arbeit auch genug!"

"Allah segne Deine Zunge, daß sie vollständiger reden lernt! Wenn mein Effendi befiehlt, so hat Jeder zu gehorchen. Weißt Du das, Du, dessen Verstand heller leuchtet wie Nurgehan?" "Mach Dich von dannen, Du Ali-el-Hakemi-Ebn-Abbas-und-so-weiter!" lachte der Steuermann, der den spitzigen Patron zu gut kannte, als daß er ihm seine Worte hätte übel nehmen mögen. Zugleich stieg er an Deck, um alle Mannen zusammenzurufen und mit ihnen, eine Wache ausgenommen, nach dem Sandal zu gehen.

Hier fanden sie Katombo bereits beschäftigt, das Transmettiren der Fracht nach der zweiten Dahabi, zu überwachen. Der Steuermann frug ihn nach dem Grunde und dem Ziele der so schnell und plötzlich projektirten Reise, konnte aber leider zu seinem Verdrusse nicht das Mindeste erfahren.

Unter diesen Vorbereitungen verging der heiße Nachmittag. Die in jenen Gegenden äußerst kurze Dämmerung brach herein, und es wurde Abend. Dennoch aber hörte die Arbeit nicht auf; sie wurde beim Scheine der Fackeln und Laternen fortgesetzt, und zwar immer noch unter der persönlichen Leitung Katombos, der A dieselbe erst dann an den Steuermann abtrat, als der Abendstern beinahe seinen Kulminationspunkt erreicht hatte.

Jetzt verließ er den Sandal und kehrte nach dem Hause zurück. Doch betrat er dieses letztere nicht, vielmehr wandte er sich vom Gartenthor seitwärts und suchte den Kiosk zu erreichen, ohne von Jemand bemerkt zu werden. Es gelang ihm, obgleich in Folge des beabsichtigten Abganges des Sandals noch alle Augen offen und alle Hände beschäftigt waren. Er fand das Gartenhaus noch verschlossen und trat seitwärts hinter ein Feigengebüsch, um die Ankunft der Geliebten zu erwarten.

Noch hatte er nicht lange hier gestanden, als er leise Schritte vernahm. Eine schwarz verhüllte Frauengestalt nahte; er hatte Ayescha bisher nur in weißen Gewändern gesehen, aber das Klopfen seines Herzens sagte ihm, daß sie es dennoch sei und sich nur in dunkle Farbe gekleidet habe, um nicht bemerkt oder gar erkannt zu werden.

Sie blieb gerade vor ihm stehen, blickte empor zum Himmel nach dem Abendstern und flüsterte dann, indem sie forschend um sich blickte:

"Katombo!"

"Ayescha!"

"Du bist so beschäftigt, daß ich schon glaubte, Dich nicht anzutreffen!"

"Ich wäre gekommen, und wenn mich hundert Arme gehalten hätten. Hatte ich nicht viel mehr Recht zu der Frage, ob Du kommen werdest, Du mein Engel, meine Huri, meine Fee?" "Hatte ich es Dir nicht versprochen? Komm; laß uns eintreten!"

Sie stieg die Stufen empor und öffnete. Er folgte ihr. Die Matte, welche das nach dem Garten gehende Fenster bedeckte, wurde aufgezogen, so daß der Strahl des Mondes und der Sterne in den Raum fiel, und dann nahmen sie Beide neben einander auf dem Divan Platz. Er entfernte den neidischen Schleier von ihrem Angesichte und blickte ihr lange, lange und wortlos in die dunklen, mit einem magischen Blicke auf ihm ruhenden Augen.

"Ayescha, ist diese Stunde kein Traum, keine Täuschung, keine Fata morgana, welche dem Pilger wunderbar Schönes und Köstliches vorspiegelt, um ihn dann in die tiefste Verzweiflung zu stürzen?"

"Es ist kein Traum und keine Spiegelung, Katombo, sondern Wahrheit. Ich war beinahe noch ein Kind, als ich Dich zum ersten Male bei uns sah, aber ich habe Dich geliebt seit jenem Tage bis heute, und ich werde Dich lieben, so lange Allah mir das Leben schenkt." "Und weshalb liebst Du mich? Ich kam her elend und arm, ohne irgend eine der vielen Gaben, welche Allah an Glückliche vertheilt."

"Du hast die beste und edelste Gabe, welche Allah nur seinen Auserwählten bietet: Du bist ein Mann! Weißt Du nicht, daß es hier nur Sklaven gibt, die hier sich demüthig beugen und dort so hochmüthig sich brüsten? Gibt es ein Fatum, ein Kismet? Der Prophet sagt ja, und der Kuran sagt es auch. Aber wenn es Dein Kismet ist, ein Mann zu sein, so bist Du es doch nicht mit einem Male, sondern Du mußt es werden und bleiben durch Dich selbst. Vater nahm Dich auf, als Du arm und verlassen zu ihm kamst. Er frug Dich nur nach Deinem Namen, nach weiter nichts; aber Du hast mehr als diesen Namen."

"Ja, ich habe mehr, viel mehr, unendlich mehr als ihn, denn ich habe Dich, die mir kostbarer ist als alle Schätze und Ehren der Erde."

"Nein, Du hast Dich, und nur darum darfst Du auch mich besitzen. Ich habe gesehen, mit welchen Mühen Du nach des Vaters Liebe und Vertrauen gerungen hast; ich habe das Licht in Deiner Kammer leuchten sehen alle Nächte hindurch bis an den frühen Morgen; Du saßest bei den Büchern, welche Vater Dir gegeben hatte und in denen die schwere Kunst zu lernen ist, ein Schiff zu führen auf dem Strome und auf der großen See. Und wenn Du auf Reisen warst, so bin ich in Deine Kammer gegangen und habe viele Bücher gesehen in fremden Sprachen und mit Zeichen, die kein Taleb (Schriftgelehrter) versteht. Vater sagt, daß Du klüger und geschickter seist als er; Ali nennt Dich Effendi (Magister oder Doktor) und Du bist es auch. Du bist ein Mann, denn Du glaubst nicht an das Fatum und nicht an das Kismet, sondern Du willst durch Deine Arbeit und durch Deine Mühe werden, was Du wirst, und darum hebe ich meine Augen auf zu Dir und liebe Dich."

Es war ihm so wunderbar, so selig zu Muthe bei diesen Worten des herrlichen Mädchens. Er sah sich in seinem tiefsten, innersten Denken und Streben von ihr verstanden, und dies machte B ihn noch stolzer, noch glücklicher als ihre Liebe. Woher hatte sie die Anschauungen, die er hinter der Stirn eines orientalisch erzogenen Mädchens gar nicht erwarten und vermuthen konnte?

"Wer hat Dich gelehrt, am Kismet zu zweifeln?" "Darf ich es Dir sagen, Katombo?" "Sage es !"

"Aber Du wirst dann Dein Herz von mir wenden und mich nicht mehr lieben!" Er legte ihr Köpfchen in überquellender Zärtlichkeit an seine Brust und flüsterte: "Ayescha, ich war in einem fremden Lande, wo man ein wunderbar schönes Lied singt. Darin kommen Worte vor, die ich Dir als Antwort geben will." "Wie lauten sie?"

"Ich hab Dich geliebet und liebe Dich heut, und werde Dich lieben in Ewigkeit!"

"Welch schöne Worte; in jenem Lande muß es Dichter geben, die ebenso groß und gut sind wie dir unsrigen!"

"Noch größer und besser!"

"Wie heißt es?"

"Germanistan."

"Und ich darf glauben, was dieses Lied sagt, und Dir ohne Sorge meine Antwort geben?" "Du darfst es, denn lieber will ich sterben, als auf Deine Liebe verzichten!"

"So wisse, daß wir eine alte Sklavin hatten, die nach dem Tode der Mutter immer bei uns sein mußte. Sie war keine Gläubige, sondern eine Christin und hat mir und Sobe<den heimlich viel erzählt von ihrem Heilande, der Isa-Ben-Marryam (Jesus, der Sohn Mariens) geheißen hat und für die Elenden und Armen gar gestorben ist. Die Worte, welche er lehrte, waren wie Thau in der Dürre und wie Balsam für die Schmerzen. Wir haben viel geweint über seine Leiden; aber er wohnt jetzt bei Allah und regiert die Erde. Ich liebe ihn, und weil er verboten hat, an das Kismet zu glauben, so will ich ihm gehorsam sein." "Weiß Dein Vater all dies?"

"Nein. Aber Du bist ein Gläubiger und wirst mich nun von Dir stoßen!"

"Nein, das werde ich nicht, denn was Isa-Ben-Marryam gesagt hat, das glaube auch ich. Doch das Herz ist ein Brunnen, aus dem nicht Jeder trinken darf; darum soll man nicht sprechen von seinen Gedanken, und nicht reden von den Gefühlen, welche in ihm wohnen. Wer glücklich ist, soll seine Seligkeit verschließen, und wer ein Leid zu tragen hat, darf es nicht Andern zeigen."

"Und doch hast Du es Andere sehen lassen!"

"Ich? Woher weißt Du, daß ich ein Leid im Herzen hatte?"

"Hast Du jemals gelacht, seit ich Dich kenne? Bist Du jemals munter und vergnügt gewesen? Auf Deiner Stirn stand geschrieben, daß Dich ein großes Unglück drückte, und erst heut sah ich Dein Auge zum ersten Male ohne Wolken. Willst Du mir sagen, was Dich so tief betrübte?"