"Ja; aber nun muß ich befürchten, daß Du dann mich nicht mehr liebst!" Sie legte ihre Arme um seinen Nacken und flüsterte:
"Ich habe Dich geliebet und liebe Dich heut, und werde Dich lieben in Ewigkeit!" Er küßte sie mit tiefer Bewegung auf die reine Stirn.
"Ja, ich trug ein großes Leid im Herzen! Was würdest Du thun, Ayescha, wenn ich Dich jetzt von mir stieße und eine Andere liebte, die mich blos für eine Woche sehen will, um mit meiner Liebe zu spielen?"
"Katombo, thue das nicht; ich würde sterben!" bat sie in angstvollem Tone. "Nein, meine Seele, das thue ich nicht! Ich habe auch geglaubt, daß ich sterben müsse; aber das Herz des Mannes ist stark; es blutet fort, doch es bleibt leben, und das ist schlimmer als der Tod."
Sie sah ihn fragend an.
"So hast Du eine Andere geliebt, die Dich verlassen hat?" "Ja. Und nicht wahr, nun wirst Du mir Deine Liebe entziehen? "
"O nein, denn Du hast mich ja damals noch nicht gekannt. Ich möchte vielmehr nun meine Liebe verdoppeln, damit Dein Herz seine Wunden vergißt!" "Sie sind geheilt, heut, in einem einzigen Augenblick." "An welchem?"
"Als Du mir sagtest, daß ich Dich lieben darf."
"Sie - war - wohl - - schön, sehr schön?" frug sie stockend.
A "Ja, sie war schön, aber nicht so gut wie Du!"
"O nein, gut kann sie nicht gewesen sein, sonst hätte sie Dir nicht einen solchen Gram bereitet. Ich hasse sie nicht, weil Du sie liebtest, sondern ich hasse sie, weil sie so schlimm gegen Dich war. Wie hieß sie?" "Zarba."
"Zarba. Ich werde mir diesen bösen Namen merken, aber ich werde ihn niemals aussprechen, um nicht das Glück zu trüben, das ich Dir so gern geben möchte!"
Diese Worte des lieben engelsreinen Mädchens drangen ihm bis in die tiefsten Tiefen seines Innern, und Alles, was ihn bisher so unglücklich und elend gemacht hatte, drängte sich noch einmal eng zusammen, so daß es ihm heiß aus dem Herzen in die Augen stieg, aus welchen eine einzige aber desto schwerere Thräne niedertropfte. Sie fiel auf Ayeschas Wange. Sofort schlug das Mädchen die Arme um ihn und bat, nun selbst leise schluchzend: "Weine nicht, Katombo, sondern liebe mich; Du sollst Alles vergessen, und ich werde Dir nie ein Leid thun, nie ein einziges!"
"Wirst Du auch mich nicht vergessen, wenn ich fern von Dir bin?"
"Ich werde stets an Dich denken, alle Tage, zu jeder Stunde und an jedem Augenblick! Kannst Du mir verzeihen, daß ich Dich fort von hier trieb, dorthin, wo nur Gefahr auf Dich wartet?" "Du?"
"Ja ich, als ich den Vater bat, Dich an seiner Stelle nach Assuan zu senden?"
"Ich habe Dir ja gar nichts zu vergeben, vielmehr muß ich Dir Dank sagen, daß Du mir beistandest, als er mir meine Bitte nicht erfüllen wollte."
"Ich weiß, daß nur Du allein die Schwester bringen wirst; ich weiß, daß Du alle Gefahren besiegen wirst; Vater aber wäre nie zurückgekehrt. Sein Herz ist krank; o, gieb ihm Heilung, Katombo, denn Du liebst mich und ihn, und er hat Dich seinen Sohn genannt!" "Ich habe ihm versprochen, daß ich sterben oder Sobe<de zurückbringen werde, und ich habe noch niemals mein Wort gebrochen. Er hat mich seinen Sohn genannt; aber werde ich es auch so sein dürfen, wie wir es wünschen - als Mann seiner Tochter?"
Bei dieser Frage verdunkelte ein Schatten den halb offen gebliebenen Eingang und - Manu-Remusat stand vor ihnen. Sie erhoben sich erschrocken; er aber legte seine beiden Hände auf ihre Häupter.
"Du darfst es sein, Katombo, denn Ihr liebt Euch so, wie ich mein Weib einst liebte, und seid werth, Euch zu beglücken. ich wollte Dich sprechen, Ayescha, fand Dich nicht im Harem und suchte Dich. Ich habe alle Eure Worte vernommen. Gehe nach Assuan, Katombo, und wenn
Du mir Sobe<de bringst, sollst Du Ayescha zum Weibe haben, Es ist ein hoher, köstlicher
Preis; verdiene ihn Dir!" - - -
Dreizehntes Kapitel.
Vom Reis zum Kapudan Pascha.
Die Sonne hatte sich schon längst aus den Fluthen des rothen Meeres erhoben, doch war der Morgen noch nicht so weit vorgerückt, daß ihre Strahlen sehr beschwerlich gefallen wären. Auf den Fluthen des Nils tummelte sich ein reges Leben, und auch in den Straßen und Gassen von Assuan herrschte ein Verkehr, der nach einigen Stunden, wenn das Gestirn des Tages höher zu stehen kam, nothwendig ersterben mußte.
Am Ufer lag zwischen andern Fahrzeugen ein Sandal, der die Blicke aller Kenner auf sich zog. Der Rumpf hatte eine schärfere und schlankere Bauart, als sonst bei diesen Fahrzeugen zu bemerken war; von dem Segelbaue konnte man nichts sehen, da Alles im Reffe lag, aber die eigenthümliche und fremdartige Takelung ließ vermuthen, daß auch die Leinwand eine ungewöhnliche Form und Stellung besitzen werde.
Auf dem Vorderdecke dieses Fahrzeuges saßen mehrere Männer, welche Tabak rauchten und sich dabei in aller Gemüthsruhe das am Ufer sichtbare Leben und Treiben beschauten; am Hinterdecke aber, ganz nahe am Steuer stande Zwei, die in einer zu lebhaften Unterhaltung begriffen waren, als daß sie, wenigstens jetzt, für diesen Gegenstand ein Interesse haben können. Der Eine war ein sehr hochgewachsener, noch junger Mann in der Tracht eines Re<s, und der Andere zeigte eine schmächtigere, weit kleinere Statur, die sich durch eine ungewöhnliche Lebhaftigkeit auszeichnete. "Also Bab-el-Run heißt die Straße, Ali," meinte der Erstere.
"Ja, Bab-el-Run, Effendi. Meine Gestalt ist kurz, aber mein Gedächtniß ist so lang wie der Nil; wie könnte ich mir sonst meinen eigenen Namen merken!" "Und über dem Thore des Hauses steht das erste Surat des Kuran."
"Das erste, das ist gut; da habe ich nicht so viel zu zählen, als wenn es das neunzigste oder hunderachtundvierzigste wäre." "Und Du wirst Deine Sache gut machen, Ali?"
"Maschallah, habe ich sie jemals schlecht gemacht? Nur ein einziges Mal bin ich dumm gewesen, weil ich das Krokodil nicht gleich verschlungen habe, als es mich fressen wollte. Sei ohne B Sorge, Sihdi! Assuan ist nicht bekannt, als ob hier besonders kluge Leute wohnten." "Hier hast Du Geld. Man weiß nicht, ob Du welches brauchen wirst."
"Maschallah, Sihdi, ich weiß, daß ich stets welches brauche; aber was ich übrig behalte, das sollst Du ehrlich wieder bekommen. Das Geld ist wie der Vogeclass="underline" man weiß, aus welchem Ei er kommt, aber wenn er ausgekrochen ist, so weiß man nicht, wohin er fliegt." "So gehe!" lachte Katombo. "Sallam —"
Das aale<kum" war nicht mehr zu hören, denn Ali hatte bereits den Fuß auf den Bord gesetzt, um an das Ufer zu springen. Hier gab er sich ganz das Ansehen eines Mannes, der ohne ein besonderes Ziel behaglich dahinzuschlendern vermag, weil ihm die liebe Zeit nicht allzu karg zugemessen ist, und erst nach einiger Zeit trat er zu einem müßig stehenden Lastträger. "Sallam aale<kum!"
"Aale<kum!" lautete die einsilbige Antwort.
"Ist Friede in Deinem Hause?"
"Friede immerdar!"
"Und Glück bei Deinem Geschäfte?"
"Allah gibt Jedem, was er braucht. Gibt er viel, so braucht man viel, gibt er wenig, so braucht man wenig."
"Hamdullillah, Preis sei Gott, daß ich gefunden habe, was ich suche!" "Was suchest Du?"
"Sag lieber: "Wen suchest Du?" Ich suche einen weisen Mann, der mir eine Frage beantworten kann, und da Deine Worte von Gelehrsamkeit duften wie die Bücher des Kadis, so glaube ich, daß Du mir Antwort geben kannst."
"So frage!" gebot der Lastträger, welcher sich außerordentlich geschmeichelt fühlte, und nun eine Frage erwartete, zu deren Beantwortung ein ungewöhnlicher Scharfsinn gehöre. "Wo liegt die Straße Bab-el-Run?"
Das Gesicht des Lastträgers verfinsterte sich mit einem Male.
"Ist das Deine gelehrte Frage?"