"Maschallah, das ist mir lieber als auf die Nase! Ich werde Dich schon erhalten können, Sihdi!"
"Herunter springe ich ohne Deine Hilfe. Du steckst Dich bis A dahin unter jenen Busch, um das Terrain zu beobachten. Wenn Du etwas Verdächtiges bemerkst, stößest Du den Schrei des Geiers aus."
"Den bringe ich fertig, Sihdi; wenn ich aber "Lubeka Allah Hümeh," den Gesang der Pilger, anstimmen sollte, so müßten wohl einige Töne über Bord geworfen werden. Doch, hier stehe ich, fest und sicher wie ein Elephant. Willst Du aufsteigen?" "Ja, komm!"
Er schwang sich auf die Schultern des Dieners und konnte von hier aus gerade den oberen Rand der Mauer erfassen. Ein fester Griff, eine gewandte Volte und er saß oben. A "Hamdullillah, Preis und Dank sei Gott, daß ich nicht droben bin! Ich käme nicht so leicht wieder herab, und wenn ich auch meinen langen Namen als Seil gebrauchen wollte," klang es von unten herauf; dann schlüpfte Ali hinter seinen Busch.
Katombo nahm zunächst eine solche Stellung unter den Zweigen ein, daß er nicht so leicht bemerkt werden konnte; dann blickte er hinab in den Garten.
Eine weiße Gestalt kam langsam den Gang daher. War es die Erwartete oder nicht? Er hatte vergessen der Haremshüterin seinen Namen zu sagen, und daher war es leicht begreiflich, wenn Sobe<de nur mit Mißtrauen auf das Abenteuer einging.
Er bemerkte, daß die Gestalt durch den Schleier hindurch die Stelle, an welcher er sich befand, sorgfältig musterte, und beschloß, sich durch ein kleines Wagniß Gewißheit zu verschaffen.
"Katombo!" rief er so laut, daß nur sie es noch zu hören vermochte.
Beim Klange dieses Namens zuckte sie zusammen, warf einige rasche Blicke umher und kam dann herbeigeeilt.
"Katombo, bist Du es wirklich?"
"Ich bin es. Doch blicke nicht empor, sondern thue, als ob Du Blüthen pflücktest! Daheim ist alles wohl. Vater und Schwestern lassen Dich grüßen. Ich habe Deinen Aufenthalt entdeckt und bin gekommen, Dich zu retten." "Das ist unmöglich." "Warum?"
"Ich muß noch heute Nacht zu Schiffe; der Mudellir schleppt mich nach Kairo."
"Dich allein?"
"Ja!"
"Dann ist Alles gut; denn er fährt mit meinem Sandal." "Allah kerihm, Gott ist gnädig!"
"Du wirst neben der Kajüte untergebracht. Ich habe an der Seite nach dem Raume zu ein Brett locker gemacht, damit wir mit einander reden können. Hüte Dich eine Bewegung zu machen, aus der er sieht, daß Du mich und die Leute kennst!" "Hast Du ein Messer bei Dir?" B "Ja."
"Wirf es mir herab!"
Er zog es aus dem Gürtel und ließ es hinunterfallen. "Hier nimm; doch ich hoffe, daß Du es nicht brauchst!" Ein leiser Ruf erscholl.
Die Hüterin gibt mir das Zeichen. Lebe wohl!" "Friede und Hoffnung sei mit Dir!"
Sie eilte davon, und Katombo sprang von der Mauer herab. Ali kam aus dem Busche hervor.
"Du hast sie gesehen?"
"Ja."
"Und mit ihr gesprochen, Sihdi?" "Ja."
"Hat sie nichts von mir gesagt?"
Katombo mußte über die trockene Naivetät des Dieners lachen. "Odoch!"
"Was sagte sie, Sihdi? Sage es schnell!"
"Sie frug mich, warum Du heute morgen so naß gewesen bist."
Ali blickte verlegen vor sich nieder.
"Hatte Dich vielleicht wieder El Timsach, das Krokodil, in das Wasser gezogen?"
"Nein, Sihdi. Es war eine fürchterliche Überschwemmung in der Straße Bab-el-Run, von der ich Dir ein ander Mal erzählen werde."
"Gut; ich kann warten. Aber jetzt komm! Wir sind hier keineswegs in Sicherheit." Sie verließen den Ort und kehrten in einem weiten Bogen nach dem Flusse zurück. Im Laufe des Nachmittags kamen alle nöthigen Reiserequisiten auf dem Sandal an, und während des Lärmens, welcher bei der Zurichtung des Schiffes unvermeidlich war, konnte das kleine Geräusch nicht auffallen, welches Katombo dadurch verursachte, daß er noch einige Bretter an der Koje lockerte, in welcher Sobe<de untergebracht werden sollte. Auch einen Riegel brachte er an, durch welchen der kleine Raum von innen fest verschlossen werden konnte. Auf diese Weise war das Mädchen vor jeder Fährlichkeit geschützt. Der Nachmittag verging und ebenso der Abend. Es wurde Nacht, und die Sterne leuchteten vom tiefblauen Firmamente so ruhig hernieder, als ob es auf Erden weder Leid noch Schmerzen, weder Angst noch Sorgen gebe. Da plötzlich tauchten Fackeln auf A dem Platze auf, vor welchem die Barken, Dahabi,s und Sandals ankerten. Vier Träger brachten einen Palankin, den ein schwarzer Verschnittener begleitete. Sie näherten sich der Stelle, wo die
"Djuhr-el-Djienne" ankerte, und verlangten eine Landungsbrücke übergelegt. Diesem Wunsche wurde entsprochen, und nun brachten sie den Palankin an Deck. Der Verschnittene trug eine Nilpeitsche in der Hand.
"Wo ist der Re<s?" frug er mit seiner unnatürlichen Falsettstimme, welche im grellsten
Widerspruch mit seinem herkulischen Körperbaue stand.
"Hier bin ich," antwortete Katombo, indem er näher trat.
"Öffne den Raum für diese Frau, aber schnell, sonst mache ich Dir Beine!"
Der Re<s sah sich den Mann ruhig an. Dann meinte er: "Ich werde öffnen, aber nicht schneller, als es mir beliebt. Hier an Bord gilt nur meine Peitsche und nicht die Deinige.
Merke Dir das!"
Der Kastrat fletschte ihm die großen, weißen Zähne entgegen, hatte aber doch nicht den rechten Muth, seine Drohung auszuführen.
"Wollen sehen!" meinte er höhnisch.
"Werden auch sehen!" antwortete Katombo. "Komm!"
Die Sänfte wurde nach der Kajütenluke getragen, wo Sobe<de ausstieg. Der Verschnittene führte sie hinab. Nach kaum einigen Minuten, während welcher Zeit sich die Palankinträger bereits wieder entfernt hatten, kehrte er eiligen Laufes zurück und kam gerade auf Katombo zu.
"Gib mir Hammer und Zange!" "Wozu?"
"Wie kannst Du einen Riegel machen an die Thür, welche die Frau von ihrem Gebieter trennt! Sie ist sein Eigenthum, und er muß zu ihr können, so oft er will. Ich will den Riegel entfernen!"
"Du willst? Allah akbar, Gott ist groß im Himmel und auf Erden, und ich bin Gott auf meinem Schiffe. Der Riegel bleibt wo er ist!"
"Er kommt fort, sage ich!"
"Er bleibt, sage ich!"
"So warte, Du Kelb, Du Hund!"
Er holte mit der Peitsche aus, doch Katombo kam ihm zuvor. Er riß ihm die Peitsche aus der Hand, zog sie ihm drei, vier Male über das Gesicht und faßte ihn dann bei der Gurgel. Es kostete ihn nur eine geringe Anstrengung, den entmannten Neger zu Boden zu werfen. "Fesselt ihn," gebot er seinen herbeispringenden Untergebenen; "gebt ihm einen Knebel und werft ihn in das Strafloch!"
Sie gehorchten, und nun ging Katombo zur Kajüte, in welcher eine halbleuchtende Lampe brannte. Die Thür zur Nebenkoje war verriegelt. Er klopfte an. "Wer ist da?" "Katombo!"
Jetzt sprang die Thür auf, und mit einem lauten konvulsivischen Schluchzen warf sich Sobe<de an seine Brust. Alles Gesetz, alle Strenge, alle Zurückhaltung war vergessen, und die Unglückliche folgte nur der Gewalt ihres Herzens. "Katombo, bin ich nun sicher?"
"Du bist es, und keine Hand soll wagen, Dich auch nur leise anzutasten!" "Wo ist der fürchterliche Mensch?" "Gefangen und im Schiffskerker."
"Ia Allah! O Gott, Du machst Dich unglücklich! Er besitzt die größte Macht beim Mudellir, und Du bist verloren!"
"Noch nicht. Hätte ich Dich noch nicht hier, so könnte ich demüthig sein, nun Du aber in Sicherheit bist, bin ich der Kapitän meines Sandals, und wehe dem, der es wagt, gegen meinen gerechten Willen zu handeln! Dieser Riegel ist fest; er wird Dich vor Hamd-el-Arek schützen; und diese Bretter brauchst Du nur auf die Seite zu schieben, so gelangst Du in den
Raum, den ich für mich hergerichtet habe, weil der Mudellir in meiner Kajüte wohnen will. Befiehl, und es wird geschehen, was Du gebietest!"