"Sein Name lautet Kanaveda-el-Vajda-el-Brinjaari!" antwortete Katombo, indem er den Namen des Zigeunervaters nebst seinem Stand möglichst in das Arabische übertrug. "Und wer war Deine Mutter?"
B "Sie war Vajdzina, das heißt Fürstin beim Volke der Lombadaaren." "Allah segne Dich, mein Sohn, den Du hast große und berühmte Eltern gehabt. Aber sie müssen in einem sehr fernen Lande wohnen, den die Worte, welche Du sagst, gehören nicht in die Gegend el Arab."
Katombo hütete sich wohl, ihm irgend welche Aufklärung zu geben, und so wandte sich der Kadi wieder an Manu-Remusat.
"Deinen Namen habe ich schon geschrieben. Welche Deiner Töchter willst Du diesem Katombo-Ebn-Kanaveda-el-Vajda-el-Brinjaari zur Frau geben?"
Der Gefragte konnte mit den Andern ein leises Lächeln darüber nicht verbergen, daß Katombo plötzlich einen so schönen, langen und hochtrabenden Namen erhalten hatte, und antwortete: "Die Jüngste."
"Wie viel gibt er Dir dafür?"
"Er hat einen Preis gezahlt, wie ihn kein König geben kann, ich zähle ihn nicht."
"Habt Ihr noch etwas zu bemerken?"
"Nein."
"So schreibt Eure Namen auf dieses Pergament!"
Es geschah; der Kadi gab sein Siegel und seine Unterschrift dazu und reichte Omar-Bathu und Katombo je eines der Schriftstücke. Dann erhob er sich.
"Steht auf, denn ich habe meines Amtes gewartet, und wir werden Al-Kadar, die siebenundneunzigste Sure des Kuran beten!"
Sie erhoben sich alle, auch die Frauen, um die Hände zu falten, und der Kadi betete: "Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Wahrlich, wir haben ihn, den Kuran, in der Nacht Al-Kadar geoffenbart. Was lehrt Dich aber begreifen, was die Nacht Al-Kadar ist? Die Nacht Al-Kadar ist besser als tausend Monate. In derselben stieg herab der Engel der Geister, mit Erlaubniß ihres Herrn, mit den Bestimmungen Gottes über alle Dinge. Friede und Heil bringe Euch diese Nacht bis zur Morgenröthe!" Er ließ eine kurze Pause eintreten und fügte dann hinzu: "Ihr Männer, jetzt steht Euch der Weg zum Harem Eurer Weiber offen; führt sie dahin, wo sie Euch sein sollen wie die Huri des Paradieses, um zu beglücken Eure Herzen und zu stärken Eure Glieder für die Kämpfe und Mühen des Lebens!"
Jeder der beiden Verheiratheten nahm seine Frau und entfernte sich mit ihr. Manu-Remusat blieb mit dem Kadi zurück. Er griff hinter sein Kissen und zog einen Beutel hervor, zwischen dessen Maschen glänzendes Gold durchschimmerte.
"Deine Hand soll offen sein dem Bruder und reichlich geben dem Diener des Propheten!" sagt der Kuran. Hier, Kadi, nimm was Dir gehört!"
Der Beamte ergriff den Beutel mit einer Miene, in welcher sich die freudigste Überraschung aussprach. Er schwieg einen Augenblick, als ringe er mit einem Entschluß; dann frug er: "Wirst Du den Männern Deiner Töchter heut ein Fest geben, wie es gebräuchlich ist unter den Kindern des Propheten?"
"Nein. Es ist Trübsal über mich gekommen und Herzeleid über mein ganzes Haus. Du bist Kadi und wirst wissen, was ich meine." "Ich weiß es."
"Der Kaschef hat es Dir erzählt?"
"Er war bei mir." Er zögerte noch einen Augenblick; aber das reiche Geschenk hatte ihn mittheilsam gemacht; darum fuhr er halblaut fort: "Er hat mir sein Amt für so lange
übertragen, als er abwesend ist."
"Wo geht er hin?"
"Nach Kairo."
"Wann?"
"Um Mitternacht." "Mit welchem Schiffe?" "Mit dem Deinen."
"Mit welchem? Er ist noch nicht hier gewesen, um es zu miethen."
"Er wird es nicht miethen. Er wird um Mitternacht mit acht Khawassen Deinen Sandal besteigen, um ihn, gerade so, wie er ist, nach Kairo zu fahren, damit der Khedive Alles mit eigenen Augen sehen soll."
Manu-Remusat erschrak, denn er mußte aus dieser Maßnahme ersehen, daß sein Untergang beschlossen sei.
A "Und Dir läßt er den Auftrag zurück, mich und die Meinen streng zu bewachen." "So ist es. Was ist Dir Deine Freiheit werth?" "Wie viel gilt Dir das Leben des Kaschef?"
"Ich sehe, daß Du ein kluger Mann bist, Manu-Remusat. Sage mir offen Deine Gedanken!" "Du wirst Kaschef, wenn er nicht nach Kairo kommt und auch niemals von Kairo zurückkehrt."
"Deine Gedanken sind auch die meinigen. Sprich weiter!" "Welches steht Dir höher im Preise, meine Freiheit oder diese Stelle?"
"Allah schenke Dir alles Gute und mir die Stelle! Aber er wird zurückkehren und Du wirst sterben!"
"Meinst Du, daß Manu-Remusat sich vor einem Henker fürchte und ihm sein Haupt mit knechtischer Ergebenheit unter den Säbel legt? Wer wird mich bis Mitternacht bewachen, Du oder er?" "Ich, denn er hat keine Zeit dazu, weil er sich zur Reise vorbereiten muß. Ich soll immer zwölf Khawassen um Dein Haus stellen, bis er wiederkehrt, und nur diejenigen Diener aus-und eingehen lassen, welche für Euch Nahrung holen."
"So merke auf, was ich Dir sage! ich schwöre Dir beim Barte des Propheten, daß er niemals zurückkehren wird, wenn Du mir schwörst, bis um Mitternacht Deine Khawassen von mir fern zu halten."
"So schwöre es!"
"Ich schwöre. Auch Du?"
"Auch ich."
"Beim Barte des Propheten?" "Beim Barte des Propheten!" "So gib mir Deine Hand!" "Hier hast Du sie!"
Sie schlugen ein. Dann zog Remusat einen kostbaren Ring von seinem Finger und reichte ihn dem Kadi.
"Hier, nimm diesen Diamant als Bestätigung meines Schwures. Er ist groß und hat mehr Werth als vieles Gold. Du darfst ihn ohne Scheu tragen, denn es hat ihn hier noch Niemand gesehen."
"Deine Hand ist wie die Hand des Morgens, welcher Licht und Wärme bringt und Segen spendet. Allah sei mit Dir auf allen Deinen Wegen. Sallam aale<kum!" "Sallam aale<kum, Friede sei mit Dir!"
Der Kadi entfernte sich. Er hatte ein besseres Geschäft gemacht, als er jemals erwarten konnte. Manu-Remusat gab einem herbeigerufenen Diener Befehl, sofort seine beiden Schwiegersöhne rufen zu lassen. Sie erschienen, und er theilte ihnen seine Unterredung mit dem Kadi mit.
A "Fliehe mit mir!" meinte Omar-Bathu, der Mameluk. "Du bist nirgends sicher, als nur bei mir in der Wüste."
"Auch dorthin dringen die Häscher des Khedive." "Ich werde Dich zu schützen wissen!"
"Du wirst mich schützen und dann mit mir untergehen. Nein, Omar, nimm Sobe<de und die Schätze, welche Du ihr brachtest, und kehre zu den Deinigen zurück! Ich weiß einen Ort, an dem ich sicherer bin, als selbst im wilden Dschebel Artalan, und von da aus werde ich zuweilen kommen, um Dich und Sobe<de zu besuchen." "Wo ist dieser Ort?"
"Es ist eine Insel im Meere, die Niemand kennt als nur ich allein, ich entdeckte sie, als ich noch der Bei-el-Re<s des Khedive war. Dorthin gehe ich mit Katombo und Ayescha, und nur die Möve, welche in den Lüften schwebt, wird uns sehen." "So willst Du den Nil hinunterfahren?"
"Ja, mit dem Sandal und meinen Dahabi,s, in die ich bis zur Mitternacht meine Habe verlade."
"Und der Kaschef, welcher mit dem Sandal fahren will?"
"Wird in Ketten fahren oder auf dem Grunde des Niles auf den Tag der Auferstehung warten."
"Ich werde Dich begleiten, bis Du sicher bist!"
"Du wirst noch heut Siut verlassen und nur allein für die Sicherheit Sobe<dens sorgen. Ich habe Katombo bei mir und viele treue Diener, auf die ich mich verlassen kann. Macht Euch fertig, ich werde jetzt die Tochter vorbereiten!"
Kurze Zeit später begann zwischen dem Hause und dem Flusse im Dunkel der Nacht ein außerordentlich reges und geschäftiges Leben sich zu entfalten. Auf mehreren Dahabi,s vernahm man das Geräusch von Kisten und Ballen, welche an Bord gebracht und in den Raum verladen wurden; emsige Gestalten eilten hin und her, und nur der Sandal lag einsam und verlassen da, wie ein schlafendes Wasserungeheuer, welches sich im Traume von den Wogen leise hin und her wiegen läßt.
Draußen vor der Stadt hielt im Dunkel dieselbe Karawane, welche kurz vor der Dämmerung ihren Einzug in Siut gehalten hatte. In ihrer Mitte lag auf dem Boden eines jener Hedschin (Reitkameele) B welche, vom Stamme der Bischarihn erzeugt, für die edelsten und besten Thiere der Wüste gelten. Es trug, wie man beim Schimmer des südlichen Sternenhimmels erkennen konnte, auf seinem Rücken einen mit kostbaren Teppichen belegten und behangenen Tachterwan (Kameelkorb für Frauen), der nur zur Aufnahme eines vornehmen Weibes bestimmt sein konnte. Unter den Reitern, welche abgestiegen waren und bei ihren Thieren hielten, herrschte eine tiefe lautlose Stille, welche erst unterbrochen wurde, als leise nahende Fußtritte zu vernehmen waren.