"Liegen bereit, in der großen Taurolle am Mittelmast. Es sind vier Hämmer dabei; ich habe Alles dem Zimmermann genommen." "Warst Du bei meiner Frau?"
"Ja. Sie fürchtet sich um Sie und läßt Sie bitten, ja doch Ihr Leben zu schonen." "Wie steht es mit der Waffenkammer?"
"Die ist verschlossen, aber ein Fußtritt bricht die Thür sehr leicht ein." "Wie steht es oben?"
"Es schläft Alles, und die Wachen ahnen nicht das Geringste." "So führe mich zu den Meinen." "Kommen Sie!"
Er faßte ihn bei der Hand, zog ihn durch den Raum und brachte ihn vor eine Thür, hinter welcher man ein Geräusch vernahm, als ob menschliche Körper im Stroh raschelten. "Hier ist es."
Katombo tastete und fühlte drei Riegel, welche er zurückschob. "Wer da?" frug es laut von innen. Er öffnete.
"Remusat sprich leise. Ich bin es, Katombo." "Katombo? Hamdullillah, Preis sei Gott, Du bist frei?" "Ja. Wollt Ihr es auch sein?" "Frage nicht, sondern gib uns Waffen!"
Sie waren Alle aufgesprungen und streckten ihm ihre Hände entgegen.
"Ja, Waffen, Waffen her, damit wir frei werden!" Katombo drängte sie zurück.
"Ihr Männer, hört, was ich Euch sage: Wir wollen nicht nur frei sein, sondern wir wollen auch das Schiff haben, auf dem wir uns befinden, sonst holen Sie uns schon nach einigen Stunden wieder. Die ganze Besatzung schläft, außer den Deckwachen. Hier habt Ihr jeder ein Messer. Wir schleichen uns hinauf und beseitigen die Wachen ohne alles Geräusch. Darauf kommt Alles an, denn wenn vorzeitiger Lärm entsteht, so sind wir verloren. Wir kriechen also am Boden hin, ein Jeder bis zu seinem Mann. Du, Ali, schleichst Dich in die Kapitänskajüte, um die Tochter Deines Herrn zu schützen; sie ist dort. Ihr drei, Hafis, Bako und Rahman, kriecht bis zum Mittelmast; dort liegt eine Taurolle, in welcher Nägel und Hämmer liegen. Für den Fall, daß je ein Ruf ausgestoßen wird, der uns schaden könnte, springt Ihr dann gleich vor und vernagelt schleunigst die Vorder- und Hinterluke nebst dem Eingang zur Offizierskajüte. Jeder von Euch eins von diesen Dreien. Wir Andern machen die Wachen stumm. Das Übrige muß sich dann aus den Verhältnissen ergeben. Seid Ihr einverstanden?" "Ja!" flüsterte es rund im Kreise, und nur Remusat setzte hinzu: "Wie befindet sich Ayescha?" "Gut. Also vorwärts - halt!"
Er streckte den Arm vor um sie zurückzuhalten, denn oben erschallten Schritte. "Der Offizier von der Runde," bemerkte Baldrian ängstlich. "Kommt er herab?" "Jedenfalls."
"Desto besser. Komm, Vater! Ihr Andern wartet noch!"
Er lehnte die Thür nur an, ohne sie zu verriegeln, und schlüpfte mit Manu-Remusat hinter die Treppe. Wirklich näherten sich die Schritte und kamen die engen Stufen herab. Es war derselbe Lieutenant, welcher den Sandal bestiegen hatte. Er trug eine Blendlaterne und wollte sich jedenfalls überzeugen, daß sich die Gefangenen in Sicherheit befänden. Als er die letzte Stufe überschritten B hatte, tauchte Katombo aus seinem Winkel auf und faßte ihn von hinten bei der Kehle. Remusat erhob das Messer, doch Katombo mahnte: "Nicht stechen! Ich brauche die Uniform."
Er preßte die Kehle des Mannes so lange zusammen, bis dieser erstickt zu Boden sank. A Remusat hatte die Laterne ergriffen und leuchtete; Katombo zog dem Todten die Kleider aus und trat hinter die Treppe; bald kam er als Offizier hervor.
"Nun vorwärts! Jeder kennt seinen Platz und mag seine Schuldigkeit thun; ich brauche Euch nicht erst zu sagen, was auf dem Spiele steht."
"Wollen wir die Türken nicht mit herauslassen?" frug der Schiffsjunge.
"Nein. Sie wären uns im Wege und könnten sehr leicht alles verderben. Vorwärts!"
Er schritt voran und blies die Laterne erst in der Nähe des Oberdeckes aus. Kaum auf dasselbe gestiegen, sah er eine Gestalt auf sich zukommen.
"Wer da!"
"Ronde!"
"Alles in Ordnung und nichts pas - - -"
"Passirt!" wollte der Deckoffizier sagen, kam aber nicht dazu das Wort vollständig auszusprechen, da ihm bei der ersten Silbe das Messer Katombos in das Herz fuhr.
Dieser schritt weiter und wurde noch von drei Posten angerufen, welche ganz dieselbe
Antwort erhielten. Vorn am Steven traf er mit Manu-Remusat zusammen.
"Wie steht es?" frug er diesen.
"Es lebt Keiner mehr außer dem Steuermanne."
"So komm! Zuerst nehme ich ihn, und dann nimmst Du das Steuer."
Sie gingen nach hinten, Katombo mit lautem militärischem Schritte und Manu-Remusat eine
Strecke hinter ihm, leise und schleichend.
"Ronde?" frug der Steuermann, aus seinem Hause tretend.
"Ronde!" antwortete Katombo in bejahendem Tone.
"Werden bald nach Nord fallen müssen, denn wir haben die Höhe von Kap Matapan bereits
überschritten."
"So überschreite auch die!"
Bei dem letzten, laut betonten Worte sank der nichtsahnende Mann, mitten in das Herz getroffen, zu Boden. Sofort tauchte Remusat empor.
"Maschallah, hast Du einen sicheren Stoß! Gerade als ob Du B Djezzar Bei (Oberhenker) des
Großsultans gewesen wärst! Also ich nehme das Steuer. Wie halten wir?"
"Den jetzigen Kurs, sonst müßten wir manövriren, und dazu haben wir jetzt die Leute nicht.
Es ist ein großes Glück für uns, daß der "Drache" nur unter Segeln fährt, ginge die Maschine,
so hätten wir den Streich kaum wagen können."
"Was wirst Du jetzt thun?"
"Ich werde - - ah, da kommt der, den ich brauche!" Und zu dem Schiffsjungen gewendet, welcher jetzt herbeigesprungen kam, frug er: "Wo schlafen der Maschinist und die Feuerleute?"
"Dort im Langboote, wenn des Nachts nur gesegelt wird. Sie haben des Tages so viel Hitze auszustehen, daß sie des Abends das kühle Deck aufsuchen. An sie habe ich gar nicht gedacht; die hätten Alles verderben können!"
"Dann ist es gut, daß wir so leise gewirthschaftet haben, daß sie uns nicht hören konnten. Wie kommt man zu den Speisevorräten und dem Wasser?" "Durch die Kambuse (Küche)."
"Also braucht man die andern Räume nicht zu berühren?"
"Nein. Es führt nur diese eine Thür hinab in den Vorrathsraum, und der Proviantmeister hat den Schlüssel dazu."
Hamdullillah, so haben wir das Spiel gewonnen! Gibt es genug Laternen und Handspeichen?" "So viele Sie wollen." "So komm!"
Er eilte nach dem Mitteldeck, wo seine Leute ihn erwarteten. Er vertheilte sie und gab ihnen die Anweisung nebst den nöthigen Werkzeugen, alle Thüren und Luken zu vernageln und mit Handspeichen zuzustemmen. Sie begaben sich paarweise an die ihnen angewiesenen Plätze. Unter Deck schlief alles, vom Kapitän bis zum letzten Jungen herab. Da auf einmal ertönten laute und vielzählige Hammerschläge durch das ganze Schiff, daß alle Mannen erwachten. Man sprang auf und schritt zu den Thüren der Kajüten und den schweren Fallklappen, welche zum wasserfesten Verschluß der Luken angebracht waren, und gelangte augenblicklich zu der Überzeugung, daß man eingenagelt A werde. Es mußte etwas geschehen, es mußte vielleicht eine Meuterei ausgebrochen sein, oder hatten sich die Gefangenen befreit - alle, sowohl die Offiziere hinten als auch die Matrosen vorn strengten ihre Kräfte an, Thüren oder Klappen aufzusprengen, doch vergeblich, denn wenn auch die Nägel nachgegeben hätten, die eingestemmten Handspeichen wären selbst der riesigsten Kraft nicht gewichen. Die sehr natürliche Folge war ein Tumult unter Deck, der sich von Minute zu Minute zu vergrößern schien.
Unterdessen war Katombo an das Langboot getreten. Bei den ersten Hammerschlägen erwachten die schlafenden Maschinenleute und machten Miene, ihren Platz zu verlassen. "Bleibt!" befahl er ihnen.
Sie erkannten die Uniform ihres Schiffes und gehorchten also dem Befehle. "Ihr versteht, ohne alle fremde Hilfe eine Maschine zu behandeln?"
"Natürlich!" antwortete der Eine, ganz verwundert über diese höchst überflüssig scheinende Frage.
"Wollt Ihr eine fünfmal höhere Gage verdienen als die jetzige?"
"Natürlich!" klang es zum zweiten Male, und zwar mit noch kräftigerer Betonung als vorher.