Während dieser Vorkommnisse waren immerhin einige Stunden vergangen. In der ersten Zeit war der Lärm unter Deck in ununterbrochener stürmischer Weise erschollen; dann hatte er sich nach und nach vermindert, und endlich war es ruhig geworden. Die Überlisteten hatten eingesehen, daß sie an ihrer Lage nichts zu ändern vermochten.
Jetzt hellte sich der Osten, zum Zeichen, daß der Tag heranzubrechen beginne, und die Maschinisten stiegen zum Feuerraume hinab, um dem Schiffe Dampfkraft zu geben. Für Ayescha war das Zelt aus dem Sandal heraufgeholt und auf dem Quarterdecke aufgerichtet worden; Katombo stand neben demselben. Manu-Remusat hielt immer noch am Steuer, und Malek-Pascha hatte sich in die Kapitänskajüte zurückgezogen, welche, als die beste und eleganteste Räumlichkeit, ihm zum Aufenthalte dienen sollte. Da trat Ali herauf zu Katombo.
"Sihdi, da unten pocht Einer immerfort und will mit dem Kapitän reden, dort wo die Offiziers stecken!"
Ali war Bootsmann geworden und that sich nicht wenig auf diese Würde zu gut.
"Rufe die Leute, die nicht beschäftigt sind, unter die Waffen, und dann wollen wir öffnen."
Die Waffen waren bereits vertheilt worden und nach wenigen Augenblicken marschirte eine stattliche Reihe Seemänner vor den Kajüten auf.
"Ali, öffne!" befahl Katombo.
Die Handspeichen wurden fortgenommen und die Nägel entfernt. Sofort trat der Kapitän hervor, gefolgt von sämmtlichen Offizieren. Sie hatten sich Alle bis an die Zähne bewaffnet, mußten aber einsehen, daß ein Widerstand ohne Hilfe ihrer eingeschlossenen Mannschaften ein gleich von vorn herein verunglücktes Unternehmen sei.
Daß etwas einer Meuterei oder einer Empörung Ähnliches vorliege, hatten sie sich wohl denken können, wie die Verhältnisse aber eigentlich und wirklich standen, das hatten sie sich natürlich nicht sagen können. Katombo hatte die Uniform ab- und seine Kleider wieder angelegt. Die Haltung welche er einnahm, mußte ihnen sagen, daß er der Mann sei, an den sie sich zu wenden hatten.
Die Offiziere blieben halten, der Kapitän trat vor. "Wo ist Seine Durchlaucht der Herzog von Raumburg?" Katombo lächelte überlegen.
"Sie stehen nicht an dem Platze, welcher Sie berechtigen könnte, irgend eine Frage an mich, den gegenwärtigen Kommandeur des "Drachen" zu richten. Das Schiff ist seit einigen Stunden Eigenthum meines Kriegsherrn, des Sultans von Stambul, und ich an Ihrer Stelle würde vorziehen, das Weitere ruhig abzuwarten. Dennoch will ich ausnahmsweise Ihre Frage beantworten: Malek-Pascha ist frei, Raumburg aber befindet sich jetzt in demselben Käfige, in welchen Sie mich einsperren zu lassen beliebten." "Der Herzog - in diesem Loche!"
"Der Schuft - in diesem Loche! wollen Sie wohl sagen. Es haben bessere Männer dort gesteckt, wie ich mich selbst überzeugt habe, wenn auch nur für wenige Stunden, und zwar nicht nur als politische, sondern sogar auch als Kriminalgefangene, wie Sie sich entsinnen B werden. Auch Sie sind Gefangene, und zwar die meinigen, und es steht ganz in Ihrem Belieben, ob Ihre Lage leicht oder schwer zu ertragen sein wird. Geben Sie Ihre Waffen ab!" Die Herren blickten einander fragend an, dann schnallte der Kapitän seinen Säbel ab und entledigte sich des Messers und der Pistolen. Die Übrigen folgten seinem Beispiele. "Sie werden hier ruhig und im Gliede warten, bis ich Ihre Räume besichtigt habe. Wer eine verdächtige Bewegung unternimmt, wird erschossen!"
Er verschwand mit Ali in den Kajüten, und es dauerte sehr lange, ehe er zurückkehrte. Als dies geschah, trug der neue Bootsmann einen ganzen Pack von allerlei Effekten auf den Armen.
"Ich habe mir erlaubt mir Einiges auszusuchen, dessen Sie vorläufig nicht mehr bedürfen -Depeschen und Instruktionen, die für uns von großer Wichtigkeit, für Sie aber von keinem Belange mehr sind. Folgen Sie diesem Manne; er wird Ihnen diejenigen Räume anweisen, welche ich für Sie bestimme!"
Ali legte den Pack ab und führte sie zurück. Sie wurden eingeschlossen und erhielten nur die Hälfte des Platzes, den sie früher innegehabt hatten; den übrigen nahm Katombo für sich, Ayescha und Manu-Remusat in Anspruch.
Jetzt mußte Ali die konfiszirten Schriftstücke zu Malek-Pascha in die Kajüte tragen; dann wurden die Luken geöffnet, um mit den gefangenen Mannschaften zu verhandeln. Dies war eine nicht leichte Aufgabe, aber sie wurde zwar erst nach längerer Zeit aber endlich doch zur Zufriedenheit gelöst. Die Leute mußten ihre Waffen abgeben und blieben eingesperrt. Diese Maßregel war sehr nothwendig bei der geringen Anzahl von Männern, welche Katombo zur Verfügung standen.
Während dieser ganzen Zeit hatte sich der Großvezier nicht blicken lassen; die Papiere mußten von außerordentlicher Wichtigkeit für ihn sein. Nun aber kam er auf das Verdeck und schritt mit einer Miene auf Katombo zu, in welcher die hellste Genugthuung erglänzte. "Allah ist mit Dir und Deiner Hand, denn wo Du hingreifst, da sprießt die Blume des Segens hervor. Die Instruktionen, welche Du gefunden hast, sind mehr als zehntausend Beutel werth. Wir haben heut den Feind besiegt zu Lande und zur See, ohne daß wir eine Schlacht geschlagen oder auch nur einen Mann verloren hätten. Im Gegentheile, wir haben einen gewonnen, nämlich Dich, dem alle Ehren offen stehen, welche die hohe Pforte zu vergeben hat. Ich sage noch einmaclass="underline" sei mein Sohn! Willst Du?" "Ich will."
"Und trage von jetzt an den Namen, den mein Erst- und Einziggeborener trug, bevor ihn der
Engel des Todes zu sich nahm!"
"Welchen?"
"Den Namen Nurwan. Darf ich Dich so nennen?" "Herr, ich bitte Dich darum!"
"So lasse Allah seinen Segen leuchten über Dir auf allen Deinen Wegen. Du hast mir das Leben und die Freiheit wiedergegeben, hast dem Großherrn den Sieg gebracht; es warten Deiner große Ehren und Würden, doch bleibe immer so kühn und stark, so treu und wahr, als ob Du lebtest auf der einsamen Insel, zu welcher Du mit Manu-Remusat und Deinem Weibe gehen wolltest. Und hast Du dann noch einen Feind, Allah inhal, der Herr verbrenne ihn!"
Vierzehntes Kapitel. Der schwarze Kapitän.
Nach den zuletzt erzählten Ereignissen waren zehn Jahre vergangen.
Es war im März, dem heißesten Monat Egyptens. Die Sonne brannte glühend hernieder; der Sand der Wüste vermochte ihre Strahlen nicht mehr aufzunehmen; er warf sie wieder von sich, so daß sie sich wie ein wallendes Gluthmeer über die Ebene lagerten und dem nach einem grünen Punkte sich sehnenden Auge Schmerzen verursachten.
Eine kleine Karawane zog durch die Wüste. Voran ritten zwei Männer zu Pferde. Der eine war alt, sein Bart hatte das Grau des Silbers angenommen; dennoch aber machte er noch den
Eindruck der Kraft und Ausdauer, welche zu einem Wüstenritte unbedingt erforderlich sind. der andere war bedeutend jünger. Seine Gestalt überragte die des ersten um Kopfeslänge.
Hinter ihnen kam ein kostbar aufgezäumtes Kameel mit einem Tachterwahn (Frauenkorb), in welchem eine verschleierte Frau saß, die ein ungefähr zweijähriges Mädchen in den Armen hielt, dessen kindliche Züge auf die Schönheit der Mutter schließen ließen.
Dann folgte eine Diener, welcher mehrere Lastkameele leitete, und den Zug beschlossen einige bewaffnete Männer, denen man es ansah, daß sie ihre krummen Säbel und langrohrigen
Büchsen wohl zu gebrauchen wußten.
Die beiden Anführer unterhielten ein lebhaftes Gespräch.
"Weißt Du gewiß, daß wir uns in der rechten Richtung befinden, Katombo?" frug der Ältere. "Ja, Vater," antwortete der Gefragte. "Ich weiß es ganz genau, daß wir am Abende, also in ungefähr drei Stunden, die Uah (Oase) erreichen werden."
"Dann Gott sei Dank! Wir fürchten uns natürlich vor einer B solchen Reise nicht; aber Ayescha und das Kind besitzen unsere Kräfte nicht und bedürfen es sehr, daß der Ritt zu Ende geht. Was wird Omar-Bathu sagen!"