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«Catherine, wissen Sie, für wessen Leben Sie verantwortlich sind? Für Ihr eigenes — und sonst keines! Das Leben und Sterben anderer können Sie unmöglich beeinflussen. Sie sind schuldlos. Mit diesen Todesfällen haben Sie nicht das geringste zu schaffen. Das müssen Sie begreifen.«

Sie sind schuldlos. Mit diesen Todesfällen haben Sie nicht das geringste zu schaffen. Catherine saß da und dachte über seine Worte nach. Sie wünschte sich verzweifelt, daran glauben zu können. Der Tod dieser Menschen war auf deren eigenes Verhalten zurückzuführen. Und Kirk war durch einen tragischen Unfall umgekommen.

Alan Hamilton beobachtete sie schweigend. Er ist ein anständiger Kerl, dachte Catherine, als sie aufblickte. Ein weiterer Gedanke drängte sich ihr auf: Ich wollte, ich hätte ihn schon früher kennengelernt.

«Danke«, sagte Catherine.»Ich…ich will versuchen, das zu glauben. An diese Idee muß ich mich erst gewöhnen.«

Alan Hamilton lächelte.»Vielleicht können wir uns gemeinsam daran gewöhnen. Kommen Sie wieder?«

«Wie bitte?«

«Dies ist ein Probelauf gewesen, oder? Sie wollten danach entscheiden, ob Sie weitermachen wollen.«

Catherine zögerte keine Sekunde lang.»Ja, ich komme wieder, Alan.«

Als sie gegangen war, saß Alan Hamilton an seinem Schreibtisch und dachte über sie nach.

Im Laufe der Jahre hatte er viele attraktive Patientinnen behandelt, von denen einige ihm mehr oder weniger deutlich Avancen gemacht hatten. Aber er war ein zu guter Psychiater, um sich in Versuchung führen zu lassen. Eine persönliche Beziehung zu einer Patientin wäre Verrat an seinem Beruf gewesen.

Dr. Alan Hamilton stammte aus einer Arztfamilie. Schon sein Vater war Chirurg gewesen, sein Großvater berühmter Kardiologe. Alan hatte am King's College studiert und nach seiner Promotion die Facharztausbildung für Chirurgie begonnen. Dann war der Zweite Weltkrieg ausgebrochen.

Alan Hamilton hatte sich freiwillig gemeldet und arbeitete als Chirurg. Er operierte Tag und Nacht mit wenigen Pausen und kam manchmal bis zu sechzig Stunden nicht zum Schlafen. Als das Notlazarett, in dem er arbeitete, ausgebombt wurde, verlegte er seine Patienten in ein ehemaliges Lagerhaus.

Im Oktober 1940, als die deutschen Luftangriffe ihren Höhepunkt erreichten, heulten wieder einmal die Luftschutzsirenen, und die Zivilbevölkerung machte sich daran, in die unterirdischen Schutzräume zu flüchten. Alan Hamilton, der gerade operierte, weigerte sich, seinen Patienten im Stich zu lassen. Die Bombenteppiche kamen näher. Ein Kollege Hamiltons drängte:»Los, los, wir müssen in den Keller!«

«Nur noch zwei Minuten. «Er war dabei, dem Patienten einen Granatsplitter aus dem Oberschenkel zu entfernen.

«Alan!«

Aber er blieb an seinem Platz und konzentrierte sich so sehr auf die Operation, daß er die in naher Umgebung detonierenden Bomben kaum wahrnahm. Und die eine, die das Lagerhaus traf, hörte er nicht einmal.

Hamilton lag sechs Tage lang im Koma, und als er daraus erwachte, erfuhr er, daß er nicht nur innere Verletzungen erlitten hatte, sondern auch einen komplizierten Bruch der rechten Hand. Der Bruch war gerichtet worden und geheilt, so daß die Hand wieder normal aussah, aber Hamilton würde nie mehr operieren können.

Er brauchte fast ein fahr, um über das Trauma hinwegzukommen, daß seine berufliche Zukunft zerstört war. Er war bei einem Psychiater in Behandlung, der ihm eines Tages resolut erklärte:»Hör zu, es wird allmählich Zeit, daß du aufhörst, dich in Selbstmitleid zu ergehen, und dein Leben weiterlebst.«

«Und was soll ich beruflich tun?«fragte Hamilton verbittert.

«Was du bisher getan hast — nur auf andere Weise.«

«Das verstehe ich nicht.«

«Du bist ein Heiler, Alan. Bisher hast du menschliche Körper geheilt. Nun, das kannst du nicht mehr. Aber es ist ebenso wichtig, menschliche Seelen zu heilen. Du würdest einen guten Psychiater abgeben. Du bist intelligent und besitzt Einfühlungsvermögen. Denk mal darüber nach.«

Es sollte sich als eine der glücklichsten Entscheidungen seines Lebens erweisen. Alan Hamilton hatte viel Freude an seiner Tätigkeit. In gewisser Beziehung war es sogar befriedigender, in tiefer Verzweiflung lebenden Patienten wieder zu innerer Ruhe zu verhelfen, als sich um ihr körperliches Wohlergehen zu kümmern.

Hamilton machte sich rasch einen Ruf als ausgezeichneter Psychiater; in den letzten drei Jahren hatte er bereits häufig neue Patienten abweisen müssen. Mit Catherine Alexander hatte er nur sprechen wollen, um ihr einen Kollegen zu empfehlen. Aber irgend etwas an ihr hatte ihn angerührt. Ich muß ihr helfen.

Als Catherine von ihrem Termin bei Alan Hamilton ins Büro zurückkam, schaute sie bei Wim vorbei.

«Ich bin heute bei Doktor Hamilton gewesen«, erklärte sie ihm.

«Oh? Die psychologische Bewertungsskala für persönliche Krisensituationen zeigt folgende Rangfolge: Tod des Ehepartners hundert Punkte, Scheidung dreiundsiebzig, Trennung vom Ehepartner fünfundsechzig, Strafhaft dreiundsechzig, Tod eines nahen Angehörigen dreiundsechzig, eigene Krankheit oder Verletzung dreiundfünfzig, Eheschließung fünfzig, Kündigung durch den Arbeitgeber siebenundvierzig.

Catherine hörte ihm sprachlos zu. Wie muß es sein, alles nur statistisch sehen zu können? Niemals einen anderen als menschliches Wesen begreifen, niemals einen wirklichen Freund haben zu können? Mir kommt's vor, als hätte ich einen neuen Freund gewonnen, dachte Catherine.

Wie lange er wohl schon verheiratet ist?

20

Constantin Demiris' Worte klangen noch immer in Lambrous Ohren. Er zweifelte nicht im geringsten daran, daß Demiris versuchen würde, seine Drohung wahrzumachen. Was war mit Rizzoli schiefgelaufen? Alles war sorgfältig geplant gewesen! Aber er durfte sich nicht damit aufhalten, darüber nachzugrübeln. Jetzt kam es darauf an, seine Schwester zu warnen.

Lambrous Sekretärin kam herein.»Ihr Zehn-Uhr-Besuch ist da, Herr Lambrou. Soll ich ihn…?«

«Nein, ich lasse mich entschuldigen. Sagen Sie alle meine Termine ab. Ich komme vormittags nicht mehr ins Büro zurück.«

Er griff nach dem Telefonhörer und war fünf Minuten später unterwegs zu Melina.

Sie erwartete ihn im Garten der Villa.»Spyros! Du hast am Telefon so aufgeregt geklungen! Was ist passiert?«

«Hör zu, wir müssen miteinander reden. «Er führte sie zur Bank einer mit Weinlaub bewachsenen Gartenterrasse. Wie bezaubernd sie ist, dachte er, als sie sich gegenübersaßen. Sie hat stets alle glücklich gemacht, deren Lebensweg sie gekreuzt hat. Sie hat nichts getan, um das zu verdienen, was ihr jetzt droht.

«Willst du mir nicht erzählen, was passiert ist?«

Ihr Bruder holte tief Luft.»Ich fürchte, daß ich dir eine sehr schmerzliche Mitteilung machen muß, Schatz.«

«Du fängst an, mich zu beunruhigen.«

«Das will ich auch. Dein Leben ist in Gefahr.«

«Was? Wodurch denn?«

Er wählte seine Worte sorgfältig.»Ich befürchte, daß Costa dir nach dem Leben trachtet.«

Melina starrte ihn mit offenem Mund an.»Soll das etwa ein Scherz sein?«

«Nein, das ist mein Ernst, Melina.«

«Schatz, Costa hat alle möglichen schlechten Eigenschaften, aber er ist kein Mörder. Er könnte keiner…«»Das ist ein Irrtum! Er hat schon früher gemordet.«

Sie war blaß geworden.»Was willst du damit sagen?«

«Oh, er mordet nicht mit den eigenen Händen. Dafür hat er seine Leute, aber

«Das glaube ich dir nicht!«

«Erinnerst du dich an Catherine Douglas?«

«Die Amerikanerin, die ermordet wurde

«Sie ist nicht ermordet. Sie lebt.«

Melina schüttelte den Kopf.»Sie… das kann nicht sein! Ich meine… ihre Mörder sind doch hingerichtet worden!«

Lambrou griff nach den Händen seiner Schwester.»Melina, Larry Douglas und Noelle Page haben Catherine nicht ermordet. Costa hat sie versteckt gehalten, während die beiden vor Gericht standen.«