Delma war ein stämmiger, untersetzter Mann mit buschigen Augenbrauen und rundem, zynischen Gesicht.
«Was ist passiert?«erkundigte sich Demiris.»Wissen Sie etwas Neues von meiner Frau?!«
«Offen gesagt, wir sind auf einige Dinge gestoßen, die uns Rätsel aufgeben, Herr Demiris«, antwortete Staatsanwalt Delma.»Wir hoffen, daß Sie uns helfen können, sie zu lösen.«
«Tut mir leid, aber ich fürchte, daß ich nicht viel zur Aufklärung werde beitragen können. Die ganze Sache hat mich wirklich sehr mitgenommen… «
«Sie wollten sich gestern um fünfzehn Uhr mit Ihrer Frau im Strandhaus treffen?«
«Was? Nein. Sie rief mich an und schlug mir ein Treffen um neunzehn Uhr vor.«
«Sehen Sie, das ist eine dieser rätselhaften Unstimmigkeiten«, stellte Delma fest.»Eines Ihrer Dienstmädchen hat ausgesagt, Sie hätten Ihre Frau gegen vierzehn Uhr angerufen und aufgefordert, allein ins Strandhaus zu fahren und dort auf Sie zu warten.«
«Das stimmt nicht. Meine Frau hat mich angerufen und vorgeschlagen, wir sollten uns dort um neunzehn Uhr treffen.«
«Aha. Dann hat das Dienstmädchen sich also geirrt.«
«Offenbar.«»Haben Sie eine Ahnung, weshalb Ihre Frau dieses Treffen vorgeschlagen haben könnte?«
«Ich nehme an, daß sie mich überreden wollte, mich nicht von ihr scheiden zu lassen.«
«Sie haben Ihrer Frau gesagt, daß Sie sich scheiden lassen wollen?«
«Ja.«
«Das Dienstmädchen hat ausgesagt, es habe ein Telefongespräch mitbekommen, in dem Ihre Frau Ihnen mitgeteilt habe, sie wolle sich von Ihnen scheiden lassen.«
«Glauben Sie der Aussage eines Dienstmädchens mehr als meiner?«
«Herr Demiris, haben Sie Ihre Badesachen dort draußen im Strandhaus?«ignorierte Delma seine Frage.
«Im Strandhaus? Nein. Ich schwimme schon lange nicht mehr im Meer. Ich ziehe den Swimming-pool meiner Villa vor.«
Der Staatsanwalt zog eine Schublade auf und nahm eine Badehose in einem Klarsichtbeutel heraus. Er hielt sie hoch, damit Constantin Demiris sie sehen konnte.»Ist das Ihre Badehose, Herr Demiris?«
«Das könnte meine sein, nehme ich an.«
«Sie trägt Ihr Monogramm.«
«Ja, jetzt erkenne ich sie. Sie gehört mir.«
«Wir haben sie auf dem Boden eines Kleiderschranks in Ihrem Strandhaus gefunden.«
«Und? Wahrscheinlich ist sie irgendwann dort liegengeblieben. Warum…»
«Sie war noch feucht vom Meerwasser. Die Laboruntersuchung hat ergeben, daß es sich um Wasser aus der Bucht vor Ihrem Strandhaus gehandelt hat. Diese Flecken sind Blut.«
In dem Raum schien es plötzlich sehr heiß zu werden.
«Dann muß sie ein anderer getragen haben«, sagte Constantin Demiris energisch.
«Weshalb sollte jemand Ihre Badehose benutzen?«fragte der Staatsanwalt.»Auch das gehört zu den Dingen, die uns Rätsel aufgeben, Herr Demiris.«
Delma nahm jetzt einen kleinen Umschlag vom Schreibtisch, öffnete ihn und entnahm ihm einen goldenen Knopf mit Wappen.
«Den haben meine Leute im Strandhaus unter einem Teppich gefunden. Erkennen Sie ihn?«
«Nein.«
«Er stammt von einem Ihrer Blazer. Ich habe mir erlaubt, heute morgen einen Kriminalbeamten in Ihre Villa zu schicken, um Ihre Garderobe überprüfen zu lassen. An einer Ihrer Clubjacken fehlt ein Knopf. Die abgerissenen Fäden passen genau zu diesen Fadenresten hier. Und die Jacke ist erst vorige Woche aus der Reinigung zurückgekommen.«
«Ich verstehe nicht, was… «
«Herr Demiris, Sie haben Ihrer Frau also mitgeteilt, Sie wollen sich von ihr scheiden lassen — und sie hat versucht, Sie davon abzubringen?«
«Das ist richtig.«
Der Staatsanwalt hielt die Geschäftskarte hoch, die Constantin Demiris am Vorabend im Strandhaus gezeigt worden war.»Einer unserer Beamten ist heute beim Detektivbüro Katelanos gewesen.«
«Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich noch nie von diesen Leuten gehört habe!«
«Ihre Frau hat sie zu ihrem Schutz engagiert.«
Das traf ihn wie ein Keulenschlag.»Melina? Zum Schutz wovor?«
«Vor Ihnen. Der Firmenchef hat ausgesagt, Ihre Frau wollte sich von Ihnen scheiden lassen und Sie hätten ihr gedroht, sie zu ermorden, falls sie entsprechende Schritte unternähme. Auf seine Frage, warum sie nicht Polizeischutz anfordere, hat sie geantwortet, sie wolle unnötiges Aufsehen vermeiden.«
Constantin Demiris stand ruckartig auf.»Ich habe nicht die Absicht, mir hier diese Lügen anzuhören. Es gibt keinen…«
Delma griff erneut in die Schublade. Diesmal brachte er das im Strandhaus gefundene blutbefleckte Messer zum Vorschein.
«Sie haben meinem Kollegen Theophilos versichert, dieses Messer noch nie gesehen zu haben?«
«Stimmt.«
«Es trägt Ihre Fingerabdrücke.«
Demiris starrte das Messer an.»Meine… meine Fingerabdrücke? Das muß ein Irrtum sein. Das ist unmöglich!«
Seine Gedanken überschlugen sich… Die Aussage des Dienstmädchens… meine Badehose mit Blutflecken… der abgerissene Knopf… das Messer mit meinen Fingerabdrücken…
«Merkt ihr nicht, daß das ein abgekartetes Spiel ist, ihr Schwachköpfe?«brüllte er.»Irgend jemand hat meine Badehose mit ins Strandhaus genommen, sie und das Messer mit Blut beschmiert, einen Knopf von meiner Jacke abgerissen und…«
Staatsanwalt Delma unterbrach ihn.»Herr Demiris, haben Sie eine Erklärung dafür, wie Ihre Fingerabdrücke auf dieses Messer gekommen sein könnten?«
«Ich… Das weiß ich nicht… Augenblick! Jetzt fällt's mir ein! Melina hat mich gebeten, ein Paket für sie zu öffnen. Das muß das Messer sein, das sie mir dafür gegeben hat.«
«Aha. Und was war in dem Paket?«
«Das weiß ich nicht.«
«Sie wissen nicht, was das Paket enthielt?«
«Nein. Ich habe nur die Verpackungsschnur zerschnitten. Soviel ich weiß, hat sie's nie ausgepackt.«
«Haben Sie eine Erklärung für die Blutflecken auf dem Teppich, die zum Wasser führende Blutspur im Sand oder…?«
«Das ist doch alles sonnenklar!«unterbrach ihn Demiris.»Melina hat sich nur eine kleine Schnittwunde beibringen und zum Wasser gehen müssen, damit Sie glauben, ich hätte sie ermordet. Sie versucht bloß, sich an mir zu rächen, weil ich ihr gesagt habe, ich würde mich von ihr scheiden lassen. Jetzt hält sie sich irgendwo versteckt und lacht sich ins Fäustchen, weil sie mich schon im Gefängnis sieht. Aber sie ist so lebendig wie ich!«
«Ich wollte, es wäre so«, sagte Delma ernst.»Wir haben ihre Leiche heute morgen aus dem Meer geborgen. Sie ist erstochen und ertränkt worden. Herr Demiris, ich verhafte Sie wegen Mordes an Ihrer Frau.«
24
Anfangs hatte Melina keinen blassen Schimmer, wie sie ihr Vorhaben verwirklichen sollte. Sie wußte nur, daß ihr Mann ihren Bruder vernichten wollte — und daß sie das nicht zulassen durfte. Irgendwie mußte sie Costa daran hindern.
Ihr eigenes Leben war nicht länger wichtig. Ihre Tage und Nächte waren voller Demütigungen und Schmerzen. Sie erinnerte sich daran, wie Spyros ihr von dieser Ehe abgeraten hatte. Du kannst Demiris nicht heiraten. Der Kerl ist ein Ungeheuer! Mit ihm wirst du nur unglücklich. Wie recht er gehabt hatte! Aber sie war zu verliebt gewesen, um auf seinen vernünftigen Rat zu hören.
Jetzt mußte Costa unschädlich gemacht werden. Aber wie? Du mußt wie Costa denken. Und das hatte Melina getan. Bis zum Morgen war ihr Plan in allen Einzelheiten ausgearbeitet. Danach war alles andere einfach gewesen.
Constantin Demiris saß zu Hause in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch, als Melina hereinkam. Sie trug ein mit einem kräftigen Bindfaden verschnürtes Paket. In der anderen Hand hielt sie ein großes Tranchiermesser.