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«Warum?«

«Weil alles billig ist. Krieg. Und für China-Bronzen gibt es nicht viele Sammler. Ich kann Ihnen dreihundert Dollar dafür geben.«

Lowy schüttelte den Kopf.»Ich denke, ich muß sie zuerst dem Museum wieder anbieten.«

«Aus welchem Grund?«fragte ich.»Mir gehört sie zur Hälfte. Etwa für die 15 Dollar, die Sie dafür gezahlt haben? Das gibt es nicht.«

«Haben Sie irgend etwas schriftlich?«

Ich starrte ihn an. Er hob die Hand.»Einen Augenblick, bevor Sie zu brüllen anfangen! Es ist eine gute Lehre. Lassen Sie sich alles schriftlich geben. Mir ist es ähnlich gegangen.«

Ich starrte ihn weiter an.»Ich werde zum Museum gehen und erklären, ich hätte die Bronze fast verkauft. So wie es ist. Ich werde sie dem Museum wieder anbieten, weil New York ein Dorf ist. Unter Kunsthändlern wenigstens. In ein paar Wochen würde durchgesickert sein, was los ist. Wir aber brauchen das Museum wieder. Darum. Ich werde Ihren Anteil verlangen.«»Wieviel?«

«Hundert Dollar.«

«Und wieviel für Sie?«

«Die Hälfte von dem, was darüber ist. Einverstanden?«

«Für Sie mag das Ganze ein Spaß sein«, sagte ich,»ich aber habe fast die Hälfte meines Vermögens riskiert.«

Lowy senior lachte. Er hatte viel Gold im Munde.»Außerdem haben Sie das Ganze aufgedeckt. Ich kann mir jetzt auch den ken, wie es gekommen ist. Sie haben einen jungen neuen Kurator angestellt. Der hat mal zeigen wollen, daß der alte nicht viel gewußt und falsche Sachen gekauft hat. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir haben in unserem Keller noch eine Menge Sachen, von denen wir nur wenig verstehen. Man kann schließlich nicht alles wissen. Wie wäre es, wenn Sie die Dinge durchsähen? Für zehn Dollar pro Tag — und mit Erfolgsprämien, wenn Sie Glück haben?«

«Ist das als Prämie für die Bronze gedacht?«

«So halb und halb. Es ist natürlich nur vorübergehend. Das Geschäft selbst kann ich mit meinem Bruder allein leiten. Einverstanden?«

«Einverstanden«, sagte ich und blickte aus dem Schaufenster in den brodelnden Verkehr. Wie manchmal aus Angst Hilfe wird, dachte ich ohne Überschwang. Es kam nur darauf an, daß man gelockert blieb. Wenn man sich festhalten wollte, würde man verwundet. Leben ist wie ein Ball, dachte ich. Wo es auch ist, es ist im Gleichgewicht.

«Fünfzig Megatote«, sagte der ältere Lowy.»Hundert. Nur im Massenmord ist die Welt vorwärtsgekommen. «Er biß wütend auf seine Zigarre.»Verstehen Sie das?«

«In Deutschland sind die Menschen billiger«, sagte ich.»In den Konzentrationslagern hat man ausgerechnet, daß ein Jude, der arbeitsfähig und jung ist, nur 1620 Mark wert ist. Für sechs Mark täglich verleiht man ihn an die deutsche Industrie als Sklavenarbeiter — seine Ernährung im Lager ist mit 60 Pfennigen am Tage angesetzt. Weitere zehn Pfennige: Kleideramorti sation. Durchschnittliche Lebensdauer: neun Monate. Das macht einen Gewinn von mehr als 1400 Mark. Dazu rationelle Verwertung der Leiche: Zahngold, frühere Kleidung, Wertsachen, mit gebrachtes Geld, Haare, abzüglich Verbrennungskosten von zwei Mark, macht etwa 1620 Mark Gewinn. Davon abgezogen wertlose Frauen und Kinder, Vergasung und Verbrennung kosten rund sechs Mark, dasselbe bei Greisen, Kranken usw. Durch schnittlich immer noch 1200 Mark, generös gerechnet.«

Lowy war sehr bleich geworden.»Ist das wahr?«

«Es ist so ausgerechnet worden. Von den deutschen Behörden. Aber es mag sich noch ein wenig ändern. Die Schwierigkeit ist nicht das Töten. Schwierig ist merkwürdigerweise die Beseitigung der Leichen. Es dauert eine gewisse Zeit, bis eine Leiche verbrennt. Das Eingraben ist auch nicht einfach bei Zehntausenden, wenn man es ordentlich machen will. Man hat viel zu wenig Krematorien. Bei Nacht kann man sie auch nicht immer brennen lassen. Da sind die Flugzeuge. Die armen Deutschen haben es schon schwer. Dabei wollten sie doch Frieden, sonst nichts.«»Was?«

«Natürlich. Wenn alle Welt getan hätte, was Hitler wollte, hätte es keinen Krieg gegeben.«

«Ein Witzbold«, knurrte Lowy.»Ein verfluchter Witzbold! Herr, da hören die Witze auf!«Er senkte den roten Kopf.»Wie ist das alles nur möglich? Verstehen Sie es?«

«Nein. Aber der Befehl ist fast immer unblutig. Damit beginnt es. Wer am Schreibtisch sitzt, braucht nicht das Beil in die Hand zu nehmen. «Ich blickte den kleinen Mann etwas mitleidig an.»Und Leute, die Befehle ausführen, gibt es immer, besonders in Deutschland.«

«Auch blutige?«

«Die blutigen besonders, weil der Befehl von der Verantwortung entbindet. Man kann sich also gründlich austoben.«

Lowy fuhr sich über den Schädel.»Haben Sie dies alles durch gemacht?«

«Ja«, sagte ich.»Ich wollte, ich hätte es nicht erlebt.«

«Da stehen wir nun«, sagte er.»In einem Laden an der Dritten Avenue, an einem friedlichen Nachmittag. Wie kommt Ihnen das alles vor?«

«Nicht wie Krieg.«

«Das meine ich nicht. Daß so etwas passiert, und die anderen sitzen dabei, als wäre es nichts.«

«Die anderen sitzen ja nicht dabei. Es ist Krieg. Allerdings für mich ein sonderbarer, unwirklicher Krieg. Wirklicher Krieg ist nur im eigenen Land. Alles andere ist unwirklich.«

«Aber Menschen werden getötet.«

«Die Phantasie kann nicht sehr weit zählen. Eigentlich nur bis eins. Bis zum Nächsten neben einem.«

Die Ladenklingel schnurrte. Eine Frau in einem roten Kleid wollte einen silbernen persischen Becher kaufen. Ob man ihn wohl als Aschenbecher verwenden könne? Ich benutzte die Gelegenheit, um im Keller, der sich weit unter der Straße hinzog, zu verschwinden. Ich haßte diese Art von Gesprächen. Sie kamen mir naiv und zwecklos vor. Es waren Gespräche für Leute, die nicht dabei waren und die glaubten, schon etwas getan zu haben, wenn sie sich aufregten. Es waren Gespräche für Leute, die nicht in Gefahr waren. Wie kühl dagegen war der Keller, wie ein Luftschutzkeller mit Komfort. Der Luftschutzkeller eines Sammlers. Gedämpft wie Flugzeuglärm dröhnte von oben das Rauschen der Automobile und das Stampfen der Lastkraftwagen. Aber an den Wänden hing der stille Vorwurf der Vergangenheit.

Spät abends kam ich ins Hotel zurück. Lowy senior hatte mir in der Aufwallung seines einfachen Herzens fünfzig Dollar Vor schuß gegeben. Kurz darauf hatte er es allerdings bereut, das hatte ich gemerkt. Aber wegen der Ernsthaftigkeit unseres vor hergehenden Gespräches hatte er sich doch nicht getraut, es rück gängig zu machen. So hatte ich einen unerwarteten Vorteil davon.

Ich fand Melikow nicht im Hotel, statt dessen kam Lachmann. Er war aufgeregt wie immer und schwitzte.

«Hat alles geklappt?«fragte ich ihn.

«Was?«

«Das Lourdeswasser.«

«Lourdeswasser? Du meinst das Jordanwasser! Was heißt geklappt? So etwas ist nicht so einfach. Aber ich komme vorwärts. Trotzdem: die Frau macht mich wahnsinnig! Ich segle an dauernd zwischen Scylla und Charybdis. So etwas ermüdet.«»Scylla und Charybdis?«

«Du kennst das doch. Aus den griechischen Heldensagen. Diese Felsenklemme für den Schiffer. Ich muß lavieren, lavieren, sonst bin ich verloren. «Er sah mich aus gehetzten Augen an.»Wenn ich die Frau nicht bald bekomme, werde ich impotent. Du weißt ja, daß ich einen schweren Komplex habe. Die Träume sind schon wieder da. Ich wache auf, schweißbedeckt und schreiend. Du weißt doch, daß die Bande mich kastrieren wollte. Mit einer Schere, nicht mit einem Messer. Und das Gelächter dabei! Wenn ich nicht bald mit der Frau schlafe, träume ich, daß sie es geschafft haben. Es sind fürchterliche Träume. Als wären sie wahr! Ich höre das Gelächter noch, nachdem ich aus dem Bett gesprungen bin.«»Schlaf doch mit einer Hure.«

«Das kann ich nicht. Insoweit bin ich schon impotent. Auch mit keiner normalen Frau. Das haben sie schon erreicht.«

Lachmann horchte.»Da kommt sie! Wir gehen zum Blue Ribbon, sie ißt gerne Sauerbraten. Komm mit! Vielleicht kannst du sie beeinflussen. Du kannst doch gut reden.«