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„Ja.“

Der Sirier lachte auf. „Wissen Sie, daß es dreihundert Jahre her ist, seit irgend jemand auf der Erde etwas Tödlicheres als eine Knallbüchse abgefeuert hat?“

„Das kann nicht wahr sein!“

Plötzlich verließ die sardonische Liebenswürdigkeit Firnik wie Luft, die durch ein Meteorloch entweicht. Seine Stimme klang fast tonlos, als er sagte: „Ich will Ihnen diesmal vergeben, weil Sie fremd sind und die Sitten hier nicht kennen. Aber wenn Sie mich noch einmal einen Lügner nennen, töte ich Sie.“

Ewings Kinn schob sich vor. „Ich habe Sie nicht —“

„Genug! Machen Sie es nicht noch schlimmer. Sehen Sie, Ewing, ich habe eine Tatsache festgestellt. Sie haben keine Beweise, um mir zu widersprechen. Halten Sie also den Mund, wenn Sie mich nicht weiter beleidigen wollen.“

Barbar, dachte Ewing. Laut forschte er: „Mit anderen Worten, die Erde ist ein völlig pazifistischer Planet?“

„Allerdings.“

„Und ich habe also meine Zeit verschwendet, indem ich hierherkam?“

Der Sirier zuckte uninteressiert die Achseln. „Tragt eure Schlachten besser selbst aus, Die Irdischen können euch nicht helfen.“

„Aber sie schweben ebenfalls in Gefahr“, protestierte Ewing. „Glauben Sie, die Klodni würden haltmachen, bevor sie die Erde erreicht haben?“

„Wie lange werden sie Ihrer Meinung nach brauchen, um soweit zu kommen?“ fragte Firnik.

„Wenigstens ein Jahrhundert.“

„Ein Jahrhundert. Schön. Sie müssen auf ihrem Weg zur Erde an Sirius IV vorüber. Wir werden uns ihrer annehmen, wenn es soweit ist.“

Ewing sah ihn finster an. Er stand auf. „Es war sehr interessant, mit Ihnen zu sprechen. Und danke für die Einladung.“

Er bahnte sich seinen Weg durch den überfüllten Raum zu den leuchtenden Wänden des Korridors. Ein Schiff hob sich draußen von der betonierten Landebühne ab; Ewing verfolgte es einen Moment lang, während es außer Sicht donnerte. Er erkannte, daß er ebensogut nach Corwin zurückkehren und von seinem Fehlschlag berichten konnte, wenn der Sirier die Wahrheit gesprochen hatte.

Es war ein bitterer Gedanke, daß sein Flug vergebens sein sollte. Seine Frau fiel ihm ein, und sein Sohn. Mehr als zwei Jahre hindurch würde Laira keinen Gatten haben, Blade keinen Vater. Und wofür? Alles für einen nutzlosen Flug zu einem Planeten, dessen Ruhmestage in ferner Vergangenheit lagen?

Irgendwo auf der Erde, überlegte er, wird es jemanden geben, der uns beistehen kann. Dieser Planet hat uns alle hervorgebracht. Ein Körnchen Lebenskraft muß in ihm verblieben sein. Ich werde mich nicht auf den Rückweg machen, ohne versucht zu haben, es zu finden.

* * *

Die eingehende Befragung einer der stationären Robotwachen verschaffte ihm endlich die Auskunft, die er brauchte. Es gab einen Ort, an dem Ankommende von den Außenwelten sich eintragen konnten, wenn sie wollten. Er traf Vorsorge für die Betreuung und Unterbringung seines Schiffes bis zu seinem Abflug und schrieb sich in der Archivhalle als Baird Ewing, Botschafter der Freien Welt Corwin, ein. Ein Hotel schloß sich an das Zentralgebäude des Raumhafens an. Ewing verlangte und erhielt ein Zimmer darin zugewiesen. Er unterzeichnete einen Zettel, der den Robotangestellten des Raumhafens gestattete, sein Schiff zu betreten und seine Habseligkeiten in seinen Hotelraum zu schaffen.

Das Zimmer war gemütlich, wenn auch etwas eng. Ewing war an die Geräumigkeit seines Hauses auf Corwin gewöhnt, einem Planeten, auf dem nur achtzehn Millionen Menschen in einem Gebiet lebten, das größer war als die bewohnbare Landmasse der Erde. Sein Heim erstreckte sich über fast viereinhalb Hektar.

Die Beleuchtung war gedämpft und indirekt. Ein Luftreiniger summte leise; sein Fenster eröffnete Ausblicke auf den geschäftigen Raumhafen, und er konnte es mit einem Fingerdruck undurchsichtig machen.

Eine Öffnung, mit einem Sprechgitter bedeckt, diente als Verbindung mit dem Büro im Parterre. Er schaltete den Kommunikator ein. Eine Robotstimme fragte augenblicklich: „Wie können wir Ihnen dienen, Mr. Ewing?“

„Gibt es so etwas wie eine Bibliothek in dem Gebäude?“

„Jawohl, mein Herr.“

„Gut. Laß einen Band über terrestrische Geschichte auswählen, der die letzten tausend Jahre behandelt, und zu mir heraufschicken. Außerdem alle neuen Zeitungen, Zeitschriften oder Ähnliches.“

Es schien, daß kaum fünf Minuten vergangen waren, bevor die Klingel an seiner Zimmertür diskret läutete.

„Herein“, rief er.

Der Robotboy hatte die Tür auf den Ton seiner Stimme eingestellt. Das flüsternde Geräusch sich schließender Relais erklang, und die Tür ging auf. Ein Trägerrobot stand davor. Auf seinen flachen Metallarmen türmten sich Mikrospulen.

Als der Robot gegangen war, zog Ewing die umfangreichste Spule aus dem Haufen und überflog ihren Titel. Er lautete Erde und Milchstraße. Der Untertitel besagte: Eine Studie kolonialer Beziehungen.

Ewing nickte zustimmend. Er mußte zu Anfang die Lücken in seinem Wissen schließen. Der spöttische Sirier hatte möglicherweise die Stärke der Erde bewußt und aus verborgenen persönlichen Gründen untertrieben.

Er öffnete die Spule, legte sie in den Betrachter und drehte sie, bis er das Klicken vernahm; Der Betrachter entsprach dem Modell, das auf Corwin im Gebrauch war; er hatte keine Schwierigkeiten damit. Er schaltete den Schirm ein.

Kapitel Eins, las er. Die Frühperiode interstellarer Ausbreitung. Der Beginn der interstellaren Kolonisation kann mit dem Jahre 2560 angesetzt werden, in dem die Entwicklung des Haleyschen Unterkrümmungsantriebs die —

Die Tür läutete von neuem. Irritiert blickte Ewing von seinem Buch hoch. Er erwartete weder Besuch, noch hatte er das Hotelpersonal um etwas gebeten.

„Wer ist dort?“

„Mr. Ewing?“ fragte eine Stimme. „Darf ich eintreten? Wir haben uns heute nachmittag kurz im Zentralgebäude kennengelernt.“

Ewing erkannte die Stimme. Sie gehörte dem ohrlosen Irdischen in türkisfarbenen Gewändern, der ihm zuvor eine so geringe Hilfe gewesen war. Was kann er von mir wollen? fragte sich Ewing.

„Gut“, erwiderte er. „Kommen Sie herein.“

Die Tür reagierte auf die Aufforderung. Gehorsam glitt sie zurück. Der schmächtige Terrestrier lächelte Ewing entschuldigend an, murmelte einen leisen Gruß und trat ein.

3. Kapitel

Er wirkte schmal, empfindlich, zerbrechlich. Ewing hatte das Gefühl, daß ein kräftiger Windstoß ihn umwerfen würde. Er maß nicht mehr als anderthalb Meter, blaß, mit wächserner Haut, großen olivfarbenen Augen und dünnen Lippen. Sein Schädel war nackt und glänzte schwach. In regelmäßigen Abständen waren edelsteinbesetzte Ringe auf chirurgischem Wege an seiner Haut befestigt; sie tanzten, wenn er sich bewegte.

„Ich hoffe, ich störe Sie nicht“, flüsterte er zögernd.

„Nein. Keineswegs. Wollen Sie nicht Platz nehmen?“

„Ich würde es vorziehen, zu stehen“, entgegnete der Irdische. „Es entspricht unserer Gewohnheit.“

Der Irdische lächelte schüchtern. „Ich bin Gelehrter Myreck“, begann er endlich. „Und Sie sind Baird Ewing — von der Kolonialwelt Corwin.“

„Das stimmt.“

„Ich hatte das große Glück, Sie heute im Zentralgebäude des Raumhafens kennenzulernen. Anscheinend rief ich einen schlechten Eindruck hervor — den der Leichtfertigkeit vielleicht, oder gar den der Verantwortungslosigkeit. Dafür möchte ich Sie um Verzeihung bitten, Kolonist Ewing. Ich würde schon dort Gelegenheit dazu gehabt haben, hätte nicht dieser sirische Affe so schnell Ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.“