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»Du weißt, was du zu tun hast?« fragte Bonifaz knapp, während er die Kapuze wieder hochschlug.

»Vertraut mir«, zischte der Assassine. Seine Hand stahl sich zu dem Dolch an seinem Gürtel, und Derek kam diese Hand… schuppig vor, wie die Haut eines Reptils. Hinter dem Assassinen blähte sich sein Mantel unnatürlich auf.

Bestimmt nicht, dachte Derek, der seinem Pferd die Nüstern streichelte, um das aufgeregte Tier zu beruhigen. Das ist bestimmt nur eine Täuschung durch den Nebel.

»Dir vertrauen?« fragte Bonifaz. »Sag mir, was du zu tun hast und in welcher Reihenfolge. Dann reden wir über Vertrauen. Dann reden wir auch über den Lohn – das Gold, das die bekommen, die Vertrauen verdienen und schweigen können.«

»Am Oberlauf das Wasser zurückstauen«, begann der Assassine, dessen monotone Stimme verriet, daß er auswendig gelernte Anweisungen herunterleierte. »Wachtposten aufstellen. Wenn es soweit ist, kommt ein einzelner Bursche – zu Fuß oder zu Pferd, egal –, und auf seinem Schild ist ein rotes Schwert vor gelber Sonne.«

Bonifaz nickte. »Und wenn es soweit ist…?«

»Den Damm öffnen, wenn der Junge die Flußmitte erreicht«, leierte der Assassine herunter, der mit einem seltsam patschenden Geräusch von einem Fuß auf den anderen trat. »Dann besorgt der Vingaard-Strudel den Rest.«

»Und dann?«

»Kein Wort über unser Tun und unsern Handel«, war die Antwort. Dann folgte überraschend in Altsolamnisch, das auf den Lippen dieses verhüllten Verschwörers richtig verräterisch klang: »Und meine Komplizen erledigen.«

»Das Gold zu teilen, wird dann viel leichter«, scherzte Bonifaz in der altehrwürdigen Sprache, die nur für Zeremonien und Lieder benutzt wurde, und Derek merkte, wie er vor seinem Ritterherrn ebenso zurückschreckte wie vor den unförmigen Ungeheuern, mit denen dieser sich abgab.

Was ist das, dachte der Junge, dessen dümmliche Arroganz wie eine Dreckschicht unter starkem Regen von ihm abglitt. Wozu verleitet dich deine Ehre, Fürst Bonifaz von Nebelhafen?

Aber er sagte nichts. Derek Kronenhüter saß im Sattel, als das Gold – die Hälfte des besagten Goldes – vom Ritter zum Assassinen wechselte. Der Rest sollte folgen, wenn der Körper des Jungen aus dem Fluß gezogen worden war. Schweigend folgte der Knappe seinem Ritter die sanft ansteigende Uferböschung hoch und nach Norden zur Burg, wo sie für den Rest der Nacht am unschuldigen Feuer Schutz finden würden und mit der Garnison über Eid und Maßstab reden konnten.

»Aber wenn…«, setzte Derek an, doch Bonifaz wischte seine Worte mit einer ungeduldigen Geste beiseite. Sein Arm sah unter dem dunklen Flügel seines Umhangs aus wie der einer Fledermaus.

»Wer würde denen schon glauben?« fragte er mit fester, böser Stimme. »Welcher Mann von Ehre würde solchen wie ihnen mehr trauen als dem Wort eines Ritters des Schwerts?«

Er drehte sich im Sattel um und bedachte seinen Knappen mit einem kalten, abschätzigen Blick.

»Sei froh, daß der Nichtsnutz Waise ist und keine Onkel oder Vettern nach der Tat bei jedem Kronenhüter nach Rache lechzen. Wenn das der Fall wäre, kämst du auch nicht ungeschoren davon, Neffe.«

Er warf Derek einen einschüchternden Blick zu. »Denk dran, ich baue in dieser Sache auf dein Schweigen, so wie du darauf bauen kannst, daß ich gegebenenfalls, wenn es denn sein muß, absolut in der Lage bin, mit… unbequemen Zeugen fertig zu werden. Es wäre nicht das erste Mal.«

Sein Blick wurde nachdenklicher, was Derek noch weniger behagte.

Fürst Bonifaz schüttelte abrupt und heftig den Kopf, als müßte er sich von einer kaum wahrnehmbaren Musik losreißen. Er richtete sich auf und blinzelte benommen.

»Morgen kehren wir zum Turm zurück, um die letzten… Vorkehrungen für alle Fälle zu treffen.«

Auf der Solamnischen Ebene in Sichtweite der alten Burg Vingaard empfing Derek Kronenhüter seine eigenen Anweisungen. Und erfuhr, was ihm bevorstand, wenn er diese nicht befolgte.

Am frühen Abend erwachte Sturm zu Musik und zur Berührung sanfter Hände. Zwei schöne Frauen hockten wie kleine, dreiste Vögel in den dicken Zweigen der Eiche über ihm. Sie waren rothaarig und blaß und mandeläugig wie Elfen, wenn auch viel kleiner. Beide trugen dünne, silbrige Tunikas.

»Dryaden!« keuchte Sturm, dem Legenden von Bezauberung und Gefangenschaft einfielen. Er wollte aufstehen. Schnell drückten die beiden ihn fest wieder zurück.

»Pst!« flüsterte die eine, die mit ihren zarten Fingern seine Lippen zusammendrückte. Sie duftete nach Minze und Rosmarin. »Sag dem Meister Bescheid, Evanthe!«

Vergeblich versuchte Sturm, der Dryade zu entkommen, doch sie hielt ihn nur noch fester, genau wie die Wurzeln um seine Beine. Er konnte sich nicht rühren. Dann erwachte durch die Bewegung der Schmerz, der seine Brust und Schulter durchzuckte. Er erinnerte sich an die Wunde, die er erlitten hatte, den schwarzen Dorn in seiner Schulter.

Sturm sah sich nach Mara um, jedoch vergeblich. Dann begannen die bezaubernden Kreaturen neben ihm, leise und melodiös zu singen.

Ihre Stimmen rankten sich um die durchdringende Melodie der Flöte, die sich zwischen den Worten hindurchschlängelte wie ein Otter durchs silberne Wasser. Trotz seiner Verwirrung und seiner wackligen Lage merkte Sturm, wie er zu lächeln begann. Er stützte sich auf einen Ellenbogen und suchte wieder nach dem Elfenmädchen.

Vertumnus saß keine zehn Schritte entfernt still unter einer Stechpalme. Sein Blättergesicht blickte nach oben; auf der Schulter prangte das Wappen der Eule.

Sturm tastete rasch nach seinem Schwert, wobei er die Dryaden, die Wurzeln und das alte Laub aufstörte. Der grüne Mann spielte mit ernster, unergründlicher Miene weiter. Sturm rutschte und stöhnte vor Schmerz auf, als er das Heft seiner Waffe fand, doch die rührte sich nicht von ihrem Platz im feuergeschwärzten Herzen des Baums, und seine Finger glitten vergeblich über das glänzende Metall.

Inzwischen hatte der Herr der Wildnis unerwartete Gesellschaft bekommen. Aus der Deckung des umliegenden Waldes trat ein Hirsch, dann ein Dachs. Drei Raben kreisten über der Eiche und ließen sich in den hohen Ästen nieder. Eine kleine braune Lerche schloß sich ihnen an, und rund um Sturm schienen die Zweige nur so zu schwirren vor Eichhörnchen. Schließlich kam ein weißer Luchs aus den Schatten, der sich zu Vertumnus’ Füßen zusammenrollte und Sturm mit goldenen, leuchtenden Augen betrachtete.

Der Junge wollte etwas sagen, doch ihm fehlten die Worte, und der Atem stockte ihm. Wieder schoß der grausame Schmerz durch seine Wunde, bis Sturm nichts mehr sah und fühlte.»Evanthe, Diona«, befahl Vertumnus. »Macht ihn los.«

»Und dann, Sir?« fragte Evanthe. »Ihn in das Herz des Baumes legen?«

»Den Waldboden mit seinem Menschenblut tränken?« fragte Diona eifrig.

»Keine Gefangenschaft mehr«, erklärte Vertumnus. »Und kein Tod mehr. Wenn die Nacht vorbei ist, wird er beides hinter sich haben.«

»Du gibst ihn ihr!« zischte Diona. »Dieser singenden Hexe mit ihren Wurzeln und Tränken!«

»Sie wird Gemüse aus ihm machen!« schimpfte Evanthe. »Und wie sollen wir uns dann vergnügen?«

Vertumnus lächelte spöttisch. Er hielt die Flöte in seiner ausgestreckten Handfläche und blies vorsichtig darüber. Das Instrument verschwand, und angesichts so ruhiger, mächtiger Magie hörten die Dryaden auf zu lärmen.

Luin und Eichel trotteten gemächlich auf die Lichtung. Sie waren vor einen von Grün bedeckten Karren gespannt und mit Schlingpflanzen und Seilen angeschirrt. Die Zügel des Wagens hielt Jack Derry, dessen Augen den Jungen im Baum genau musterten. Mit raschem, respektvollem Nicken und Lächeln nahm er Vertumnus zur Kenntnis.

»Willkommen daheim, mein Sohn«, sagte Vertumnus. Die Dryaden verbeugten sich vor Jack, und aus den schwelenden Zweigen der Eiche flog die Lerche herab, die sich auf seine Schulter setzte.

»Wie geht es ihm, Vater?« fragte Jack, der den Wagen neben Vertumnus steuerte.