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«Schön, daß du es nicht willst«, sagte ich nur und bot ihr etwas gegen den Durst an. Wie Martin trank sie offenbar lieber Mineralwasser als Alkohol, nur war es bei ihr nicht wegen des Gewichts, sondern weil sie einen Polizeiausweis und ein Motorrad hatte. Vor Tagesanbruch fuhr sie nüchtern und sicher auf zwei Rädern nach Hause.

Ich wanderte schon bald im langsam dämmernden Januarmorgen den Berg hinab und kam lange vor den anderen in die Werkstatt. Als ich aber ins Internet ging, ließ sich die Suche nach Adam Force wesentlich schlechter an als die nach Waltman Verity aus Taunton. Es hatte eine ganze Horde Veritys gegeben. Adam Force fand sich kein einziger.

Auch Hickory traf an diesem Morgen früher ein als sonst, denn er konnte es kaum erwarten, sein kostbares Segelboot aus dem Kühlofen zu holen. Er entriegelte die Ofentür und nahm das noch warme gute Stück heraus. Die durchscheinenden Farben würde er mit der Zeit noch sauberer hinbekommen, aber sein Versuch war nicht schlecht, und das sagte ich ihm. Er hörte es jedoch nicht gern. Er wollte uneingeschränktes Lob. Ein Ausdruck der Verachtung huschte über sein Gesicht, als wüßte ich seine Kunst nicht richtig zu würdigen. Wenn er sich an die wirklich schwierigen Sachen wagt, bekommt er Probleme, dachte ich, aber wie vor Zeiten schon einem anderen, ähnlich talentierten Gehilfen würde ich ihm gute Referenzen geben, wenn er sich nach einem anderen Lehrer umsah, und das dauerte jetzt sicher nicht mehr lange.

Am meisten würde er mir im Verkauf fehlen, wegen des Umsatzes, aber auch als Mitarbeiter, mit dem es nie langweilig war.

Irish, der sein Können eher herunterspielte, und die nervöse Pamela Jane, die sich selbst als hoffnungslosen Fall ansah, kamen gemeinsam aus der Morgenkälte hereingefegt und zollten dem Segelboot die überschwengliche Bewunderung, die es Hickorys Meinung nach verdiente. So waren die drei in gewohnter Harmonie vereint, aber ich glaubte nicht recht, daß es noch lange so blieb.

Den ganzen Tag schauten sie mir zu und gingen mir zur Hand, während ich die an Weihnachten ausgegangenen minarettförmigen Flakons nachmachte, acht Stück die Stunde, von Blau über Türkis zu Pink, Grün, Weiß und Purpurrot, so daß die fertigen Fläschchen serienweise in den Kühlofen gestellt werden konnten. Tempo war für den geschäftlichen Erfolg so wichtig wie das plastische Sehen, und in den Cotswold Hills mußte man im Winter für die Sommertouristen vorbauen. Also arbeitete ich von morgens früh bis sechs Uhr abends durch, um nicht nur Boote und Flakons, sondern auch Fische, Pferde, Schälchen und Vasen parat zu haben.

Als am Abend gegen sechs mein ermattetes Team verkündete, alle sechs Öfen seien voll, schickte ich sie nach Hause, räumte die Werkstatt auf und machte alles für den nächsten Tag bereit. Dann kam auch schon Catherine Dodd geradewegs vom Dienst zum Laden, lud einen Sozius auf ihr Motorrad und brachte ihn nach Hause. Wann immer es sich in dieser Woche machen ließ, schlief Kommissarin Dodd in meinen Armen und verließ mich wieder, bevor das große Aufstehen anfing, und in der ganzen Zeit war die Adresse von Adam Force nicht zu ermitteln.

Vom Glasblasen einmal abgesehen, hatte das Wochenende drei Tage nach Worthingtons und Marigolds fröhlichem Aufbruch zum Shopping in Paris für mich keinerlei Verlockungen zu bieten, da Catherine am Freitag morgen zu einem fest verabredeten Klassentreffen gefahren war.

An ebendiesem Freitag stopfte Bon-Bon, die es ohne Martin und wohl auch ohne ihr tägliches Gezänk immer noch schwer aushielt, ihren Nachwuchs in den BMW, der vom Lärm der Kinder schier aus den Fugen ging, und holte mich in Broadway von der Arbeit ab.

«Tatsache ist«, gestand Bon-Bon, als wir bei mir zu Hause vorbeifuhren, damit ich Hemden und Socken zum Wechseln einpacken konnte,»Worthington gefällt der Gedanke nicht, daß du allein hier oben bist.«

«Worthington?«

«Ja. Er hat mich deswegen irgendwo südlich von Paris angerufen und erzählt, daß du vorigen Sonntag in Broadway von einer ganzen Bande überfallen worden bist, daß aber Leute mit Hunden dazwischenkamen, und er meint, hier forderst du das Schicksal heraus. Martin hätte dich zu uns eingeladen, sagte er.«

«Worthington übertreibt«, wandte ich ein, aber als wir bei Bon-Bon angekommen waren, nutzte ich den Abend dort, um für die Kinder ein Gewinnspiel zu erfinden, das den schönen Namen trug: >Jagd nach der orangen Gasflasche und den Schnürsenkelnc.

Bon-Bon machte Einwände.»Sie haben der Polizei doch alles erzählt, was sie wissen. Dabei kommt nichts Brauchbares heraus.

«Und wenn wir damit fertig sind«, überging ich sie sanft,»spielen wir >Jagd nach den Briefen eines Mannes namens Force an Daddyc, und jeder Fund wird belohnt.«

Sie spielten mit Begeisterung bis zum Schlafengehen, da sie die ausgesetzten Goldtaler (Geldprämien) gleich in Empfang nehmen durften, und als sie sich lärmend nach oben verzogen hatten, breitete ich ihre gesammelten Funde in Martins Zimmer auf dem Schreibtisch aus.

Sie hatten ohne Hemmungen auch in Ecken gesucht, die ich eher ausgelassen hätte, und so war ihre Ausbeute in mancher Hinsicht spektakulär. Das Verblüffendste war vielleicht die Urschrift des Briefs, von dem Victor Martin eine Kopie geschickt hatte.

Lieber Martin, begann er und ging dann übereinstimmend weiter bis zur Unterschrift, die nicht vom Computer gedruckt Victor Waltman Verity lautete, sondern original handgeschrieben» Adam Force«.

«Den Brief haben die Kinder in einem Geheimfach von Martins Schreibtisch gefunden«, sagte Bon-Bon.»Ich wußte gar nicht, daß er ein Geheimfach hat, aber die lieben Kleinen.«

«Hm«, überlegte ich,»liegt sonst noch was in dem Geheimfach?«

Sie würde fragen gehen, sagte sie und kam bald darauf mit dem elfjährigen Daniel, ihrem Ältesten, zurück, der mit einer eleganten Drehbewegung ein halb verstecktes Fach in dem Schreibtisch öffnete und fragte, ob es dafür noch eine Prämie gebe. Er habe nämlich das Fach nicht geplündert, da ihm gleich der Brief in die Finger gefallen sei — der Brief, um den sich das ganze Spiel drehte, geschrieben an seinen Daddy von einem Mann namens Force.

Natürlich hatte niemand eine Spur von einer orangen Gasflasche oder von beweiskräftigen Schnürsenkeln für Turnschuhe gefunden.

Mit Freuden händigte ich noch ein paar Goldtaler aus, ging das zehn Zentimeter hohe Geheimfach unter der Tischplatte doch über die ganze Breite des Schreibtischs. Daniel zeigte mir geduldig, wie man es öffnete und schloß. Aufgeweckt und pfiffig wartete er noch mit weiteren Verstecken auf und freute sich besonders, daß ich ihm die Hinweise bezahlte, obwohl die Verstecke leer waren.

Bon-Bon durchstöberte das Schreibtischfach und wurde rot, als sie zu ihrer Verwunderung einen Stoß eigener Liebesbriefe fand, die Martin dort aufbewahrt hatte. Sie ging damit zu dem schwarzen Ledersofa und weinte dicke Tränen, während ich ihr sagte, daß das sogenannte Geheimfach nicht wirklich geheim gewesen sei, sondern zur Standardausstattung moderner Schreibtische gehörte.

«Es ist für einen Laptop gedacht«, erklärte ich Bon-Bon.

«Martin hat nur keinen Laptop drin aufbewahrt, weil er hier den Tischcomputer mit Tastatur und Bildschirm benutzt hat.«

«Und woher weißt du das?«

«Daniel hat es mir gesagt.«

«Wie traurig das alles ist«, meinte Bon-Bon durch ihre Tränen und griff nach einem Papiertaschentuch, um sich die Augen zu wischen.

Für mich jedoch war das gar nicht so geheime Laptopfach hochinteressant, da es neben Adam Forces Brief an Martin eine Fotokopie von Martins Brief an Force enthielt, der auch nicht viel länger war als die knappe Antwort.

Er lautete:

Lieber Adam Force,

jetzt habe ich in Ruhe über die Sache mit Ihren Formeln und Methoden nachgedacht. Nehmen Sie bitte, wie Sie es vorhatten, alles auf Video auf, und kommen Sie an Silvester zum Pferderennen nach Cheltenham. Da können Sie es mir bei der erstbesten Gelegenheit geben, nur nicht gerade, wenn ich an den Start gehe.