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«Klar«, sagte der Sprecher,»den erkennen Sie leicht. Er hat tiefblaue Augen, einen kurzen weißen Bart und trägt bestimmt orange Socken.«

Ich blinzelte.

«Er kann rot und grün nicht sehen«, sagte der Sprecher.

«Er ist farbenblind.«

Kapitel 7

Ich nahm den stillen alten Weg durch die Wälder, den übergrünten, sanft ansteigenden Fahrweg, den der rücksichtsvolle Sir George Newnes in den Fels hatte sprengen lassen, damit sich die Kutschpferde an dem gar zu steilen Schloßberg nicht überanstrengten.

An diesem Dienstag im Januar ging ich allein durch den Wald. Der Autoverkehr, allenfalls als ein fernes Summen vernehmbar, kleckerte über eine moderne Straße auf der anderen Seite des Berges zu dem Neubaukomplex hinauf, der neben dem alten Schloß errichtet worden war.

Es gab keine Vögel, wo ich ging, keine Lieder. Mitten am Tag war es dunkel, die dichtstehenden immergrünen Bäume wuchsen über mir zusammen. Meine Füße tappten geräuschlos über Fichtennadeln, und stellenweise schaute noch der blanke, aufgesprengte graue Fels hervor. Der hundert Jahre alte Weg bescherte mir eine Gänsehaut. Er führte an einem verwilderten Tennisplatz vorbei, auf dem Leute aus einer anderen Welt gelacht und gespielt hatten. Gespenstisch war schon das richtige Wort dafür, aber Gespenster sah ich nicht.

Ich kam von oben herunter zum Hollerday Phoenix House, wie der» Sprecher «es vorhergesagt hatte, und sah, daß sich das Dach weitgehend aus großen, metallgerahmten Glasplatten zusammensetzte, die sich öffnen und schließen ließen wie bei einem Gewächshaus. Das Glas interessierte mich natürlich — es war dickes, getöntes Floatglas, das die ultravioletten A- und B-Strahlen des Sonnenlichts herausfilterte —, und ich mußte an die Sanatorien von einst denken, wo sich Schwindsüchtige in der trügerischen Hoffnung, viel Luft und Sonne würde sie heilen, ganz unromantisch aus dem Leben husteten.

Hollerday Phoenix House bestand aus einem Haupttrakt mit zwei langen Flügeln. Ich ging nach vorn zu dem imposanten Eingangstor und stellte fest, daß das Gebäude, das ich am Ende des gespenstischen Weges betrat, eindeutig einundzwanzigstes Jahrhundert war und keinesfalls ein Tummelplatz für Geister.

Die Eingangshalle sah aus wie eine Hotelhalle, doch wie es tiefer drinnen ausschaute, bekam ich wegen der beiden weißbekittelten Personen, die sich am Empfang unterhielten, erst einmal nicht mit. Es waren ein Mann und eine Frau, und der Mann hatte einen Bart in der Farbe seines Kittels und trug tatsächlich orange Socken.

Sie sahen flüchtig zu mir herüber, als ich eintrat, wurden dann aber berufsbedingt auf meine Schrammen und blauen Flecke aufmerksam, an die ich, bis sie mich anschauten, gar nicht mehr gedacht hatte.

«Dr. Force?«versuchte ich mein Glück, und Weißbart antwortete wie gewünscht:»Ja?«

Seine sechsundfünfzig Jahre standen ihm gut zu Gesicht, und die gepflegte Frisur und der Bart gaben seinem Kopf eine Form, die für Filmstars bares Geld war. Dem vertrauen die Patienten, dachte ich. Ich hätte ihn vielleicht auch selbst gern als Arzt gehabt. Bei der Autorität, die er ausstrahlte, würde es nicht leicht sein, ihn dahin zu schocken, wo ich ihn haben wollte.

Und fast sofort wurde mir klar, daß die Schwierigkeit nicht darin bestand, ihn zu schocken, sondern den verschlungenen Wegen seines Verstandes zu folgen. Immer wieder schwenkte er, während wir uns unterhielten, von scheinbar liebenswürdiger Freundlichkeit auf Abwehr oder unterdrückte Feindseligkeit um. Er war auf Draht, und er war klug, und obwohl ich ihn im großen ganzen sympathisch fand, überkam mich zwischendurch doch manchmal eine heftige Abneigung. Adam Force, so schien mir, war eine sehr anziehende Persönlichkeit, deren Charme kommen und gehen konnte wie Flut und Ebbe.

«Sir«, redete ich ihn als den Älteren an,»ich bin wegen Martin Stukely hier.«

Er setzte eine Trauermiene auf und teilte mir mit, daß Martin Stukely tot war. Gleichzeitig spannten sich seine Gesichtsmuskeln vor Schreck; diesen Namen hatte er auf Lyntons Hollerday Hill nicht zu hören erwartet. Ich sagte ihm, ich wisse, daß Martin Stukely tot sei.

«Sind Sie Journalist?«fragte er argwöhnisch.

«Nein«, sagte ich,»Glasmacher. «Und setzte meinen Namen hinzu.»Gerard Logan.«

Sein ganzer Körper straffte sich. Er schluckte und verdaute die Überraschung und fragte schließlich entgegenkommend:»Was wünschen Sie?«

Ich sagte ebenso freundlich:»Ich hätte gern die Videokassette zurück, die Sie an Silvester aus dem Ausstellungsraum von Logan Glas in Broadway entwendet haben.«

«Hätten Sie gern, hm?«Er lächelte. Darauf war er vorbereitet. Es lag ihm fern, mir den Wunsch zu erfüllen, und er gewann seine Fassung zurück.»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«

Dr. Force musterte mich in meinem bewußt konservativen Anzug mit Krawatte langsam von Kopf bis Fuß, und ich spürte so sicher, als hätte er es ausgesprochen, daß er sich fragte, ob ich imstande sei, ihm Schwierigkeiten zu machen. Offenbar war er Realist genug, sich eine ehrliche, wenn auch unliebsame Antwort darauf zu geben, denn er sagte nicht einfach» Schwirr ab«, sondern schlug vor, wir sollten die Sache im Freien besprechen.

Mit» im Freien«, so stellte sich heraus, meinte er den Weg, den ich gerade heraufgekommen war. Er führte mich dorthin und musterte mich heimlich von der Seite, um den Grad meines Unbehagens abzuschätzen, der gleich Null war. Lächelnd tippte ich an, daß mir auf dem Weg nach oben keine herumstreifenden Gespenster begegnet waren.

Falls ihm mein Gesicht etwas lädiert vorkomme, sagte ich, so hätte ich das Rose Payne zu verdanken, die überzeugt sei, ich müsse entweder im Besitz seiner Videokassette sein oder wissen, was drauf war.»Sie glaubt, wenn sie mir genügend zusetzt, gebe ich ihr die Kassette oder die Information, nur habe ich beides nicht. «Ich hielt inne und sagte:»Was schlagen Sie vor?«

«Geben Sie ihr irgendwas«, antwortete er prompt.»Diese Kassetten sehen doch alle gleich aus.«

«Sie glaubt, Ihre Kassette sei eine Million wert.«

Adam Force schwieg.

«Stimmt das?«fragte ich.

«Ich weiß es nicht«, erwiderte Force leise, und das hörte sich nach der Wahrheit an.

«Martin Stukely«, sagte ich ebenso leise, ohne Angriffslust,»hat Ihnen einen Scheck mit vielen Nullen ausgestellt.«

Force, hocherregt, sagte scharf:»Er hat versprochen, das niemand zu erzählen — «

«Er hat es nicht erzählt.«

«Aber — «

«Er ist gestorben«, sagte ich.»Er hat Scheckhefte mit Kontrollabschnitten hinterlassen.«

Ich spürte förmlich, wie er überlegte, was Martin sonst noch hinterlassen hatte, und ich ließ ihn spekulieren. Schließlich fragte er in scheinbar echter Besorgnis:»Wie haben Sie mich gefunden?«

«Dachten Sie, ich würde das nicht schaffen?«

Er schüttelte kurz den Kopf und lächelte ein wenig.»Ich hätte nicht gedacht, daß Sie überhaupt suchen. Die meisten Leute überlassen so etwas der Polizei.«

Er hätte mir durchaus sympathisch sein können, dachte ich, wäre da nicht Lloyd Baxters epileptischer Anfall gewesen und eine verschwundene Tasche voll Geld.

«Rose Payne«, sagte ich ausdrücklich noch einmal — und diesmal berührte ihr Name bei Adam Force eine empfindliche Saite —,»Rose«, wiederholte ich,»ist überzeugt, daß ich weiß, wo Ihre Videokassette ist, und wie gesagt steht für sie fest, daß ich weiß, was drauf ist. Wenn Sie nicht einen Weg finden, sie mir buchstäblich vom Leib zu halten, könnte es sein, daß mir ihre Aufmerksamkeiten zuviel werden und daß ich ihr sage, was sie unbedingt wissen will.«

Als hätte er wirklich keinen Schimmer, wovon ich redete, fragte er:»Wollen Sie damit sagen, daß ich diese Rose kenne? Und wollen Sie andeuten, daß ich gewissermaßen für Ihre, ehm… Verletzungen verantwortlich bin?«