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Als die Frauen im Sekretariat von Avon Paradise Tours erst einmal erfaßt hatten, was ich wissen wollte, waren sie zwar einigermaßen hilfsbereit, gaben aber doch nur zurückhaltend Auskunft, um nicht gegen irgendwelche Hausregeln zu verstoßen.

Das verstand ich doch, oder?

Ich verstand.

Daraufhin öffneten sie die harmlosen Schleusen und sagten mir alles.

Die Mitglieder eines Fitneßclubs aus der Gegend von Bristol unternahmen regelmäßig dienstags Busfahrten zum Hollerday Phoenix House, um sich in der dortigen Klinik auf Herz und Nieren prüfen zu lassen und Gesundheitstips mit nach Hause zu nehmen. Dr. Force, der die Klinik betrieb, weil er in Lynton wohnte, wurde für seinen einmal wöchentlichen Dienst von dem Fitneßclub und Avon Paradise Tours gemeinsam bezahlt. Die Sekretärinnen steckten die Köpfe zusammen und fügten an, das Forschungslabor, in dem Dr. Force gearbeitet hatte, habe auf ihn verzichtet (»ihn also entlassen, Sie verstehen?«).

Welches Labor? Das wußten sie nicht. Sie schüttelten gemeinsam die Köpfe, doch eine sagte, sie habe gehört, sein Fachgebiet seien Lungenkrankheiten gewesen.

Ich ließ mir von den Avon-Paradise-Damen ein Branchenverzeichnis geben, rief an Ort und Stelle die unterschiedlichsten in Frage kommenden Institute an und erkundigte mich nach einem Dr. Force. Dr. Force? Unbekannt, unbekannt, unbekannt. Der allseits unbekannte Dr. Force trieb mich ans Fenster, wo ich den in der Ferne schimmernden, Hochwasser führenden Avon erblickte und mich fragte, was nun?

Lungenkrankheiten.

Kontrollabschnitte. Lauter Nullen. Zahlungsempfänger… Puste. Ein handgeschriebenes Wort von Martin, das weder Bon-Bon noch mir etwas gesagt hatte.

Im Telefonbuch für Bristol und Umgebung war nichts und niemand namens Puste verzeichnet, und mehr wußte auch die Auskunft nicht.

Aber Martin hatte in großen Blockbuchstaben unmißverständlich PUSTE notiert.

PUSTE konnte sehr wohl für Lunge stehen.

Meine Gedanken schweiften ab. Regen platschte an das Fenster. Die Damen wurden unruhig und gaben zu verstehen, daß ich lange genug geblieben sei.

PUSTE.

Nun ja, warum nicht?

Unvermittelt fragte ich, ob ich noch einmal ihr Telefon benutzen dürfe, und als sie mir das nun doch etwas widerstrebend gestatteten, sah ich mir die Tastenziffern für Puste an, die auf 78783 lauteten. Sorgfältig drückte ich die Nummer. Ich hatte nichts zu verlieren.

Als ich es rund ein dutzendmal hatte klingeln lassen und es gerade aufgeben wollte, meldete sich eilig und energisch eine Frau:»Ja? Wer ist da?«

«Könnte ich bitte Dr. Force sprechen?«

Ein langes Schweigen trat ein. Ich wollte schon auflegen, um nicht noch mehr Zeit zu verschwenden, da erkundigte sich ein Mann mit tiefer Stimme, ob ich der Anrufer sei, der nach Dr. Force gefragt habe.

«Ja«, erwiderte ich.»Ist er da?«

«Bedaure. Nein. Hier ist er seit einigen Wochen nicht mehr. Würden Sie mir Ihren Namen sagen?«

Ich war mir nicht sicher, wie ich darauf antworten sollte. Allmählich wurde ich doch vorsichtig. Ich sagte, ich würde gleich noch einmal anrufen, und legte auf. Zur Verwunderung der Paradise-Damen bedankte ich mich dann aber nur herzlich, nahm Jim ins Schlepptau und ging.

«Wohin?«fragte er.

«Zum Essen in ein Pub.«

Jims Gesicht hellte sich auf wie der lichte Morgenhimmel.»Kunden wie Sie könnte ich den ganzen Tag fahren.«

In der Kneipe trank er dann lediglich ein großes Glas Bier mit Limo, ganz wie ich es mir von einem guten Fahrer wünschte.

Das Pub hatte ein Münztelefon. Als wir im Begriff waren zu gehen, wählte ich noch einmal PUSTE, und sofort meldete sich die Stimme des Mannes.

Er sagte:»Ich habe mich mit Avon Paradise Tours unterhalten.«

«Dachte ich mir schon«, erwiderte ich lächelnd.»Und jetzt haben Sie wahrscheinlich die Nummer der Fernsprechzelle auf dem Display. Spart es nicht Zeit, wenn wir uns einfach treffen? Sagen Sie, wo, und ich komme hin.«

Ich nannte Jim den vorgeschlagenen Treffpunkt und ersah aus seinem Nicken, daß er ihn kannte.»Halbe Stunde«, sagte Jim, und zweiundzwanzig Minuten später hielt er im Halteverbot vor dem Eingang eines winterlichen Parks. Entgegen der einhelligen Ermahnung von Worthington, Tom Pigeon und Jim, ohne sie keinen unbekannten Ort aufzusuchen, stieg ich aus, bedeutete Jim weiterzufahren und ging allein in den Park.

Der Nieselregen hörte langsam auf.

Die Anweisung für das Treffen hatte geheißen:»Gehen Sie nach links bis zum Standbild«, und dort, neben einem tänzelnden Pferd aus Kupfer, traf ich einen großgewachsenen Mann, der sehr gebildet und vernünftig aussah und sich vergewisserte, daß ich derjenige war, auf den er wartete.

Kapitel 8

Es war, als führte er ein Selbstgespräch.»Größe zirka eins fünfundachtzig. Braune Haare. Dunkle Augen. Alter achtundzwanzig bis vierunddreißig, würde ich sagen. Sympathisches Erscheinungsbild, sieht man von einer neueren Verletzung rechts am Kinn ab, die ärztlich versorgt worden ist und heilt.«

Er sprach in ein kleines Mikrofon, das er in der Hand hielt. Offenbar gab er für den Fall, daß ich in irgendeiner Weise tätlich wurde, eine Personenbeschreibung von mir durch, und ich gab ihm zu verstehen, daß mir das klar war. An jedem anderen Tag hätte ich über die Vorstellung gelacht.

«Er kam mit einem grauen Rover. «Er gab Jims Kennzeichen durch und beschrieb meine Kleidung.

Als er eine Pause einlegte, sagte ich:»Er heißt Gerard Logan und ist Glasmacher, mit einem eigenen Geschäft in Broadway, Worcestershire. Und wer sind Sie?«

Er war die Stimme am Telefon. Er lachte über meinen trockenen Tonfall und stopfte das Mikrofon in eine Tasche. Er sei George Lawson-Young, sagte er, Professor der Pulmologie, also Lungenspezialist.

«Und 78783?«fragte ich.»Gibt es dazu eine Anschrift?«

Bei allen Möglichkeiten der modernen Technik konnte er sich nicht vorstellen, wie ich ihn gefunden hatte.

«Altmodische Ausdauer und Rätselraten«, meinte ich.

«Das erkläre ich Ihnen, wenn Sie mir sagen, was Sie über Adam Force wissen.«

Ich mochte den Professor auf Anhieb, ohne die Vorbehalte, die ich gegenüber Adam Force verspürt hatte. Professor Lawson-Young ließ keinerlei böse Absicht erkennen, sondern warf im Gegenteil seine anfängliche Vorsicht über Bord. Mein erster Eindruck, einen gutmütigen und sehr vernünftigen Menschen vor mir zu haben, wurde bald zur Gewißheit, und so erzählte ich ihm ohne Umschweife von Martin und seiner Vereinbarung mit Dr. Force, dessen Videoband in Verwahrung zu nehmen.

«Martin wollte dann aber, daß ich es aufbewahre«, sagte ich,»und als er starb, kam das Band in meine Hände. Force ist mir nach Broadway gefolgt und hat das Band wieder an sich gebracht, und wo es jetzt ist, weiß ich nicht.«

Draußen auf der Straße fuhr Jim langsam mit dem grauen Rover vorbei, und sein blasses Gesicht hielt durchs Fenster nach mir Ausschau.

«Ich habe einen Leibwächter dabei«, sagte ich und winkte beruhigend zur Straße hin.

Belustigt gestand Professor Lawson-Young, daß auch er nur in sein Mikrofon zu brüllen brauchte, um Hilfe herbeizuholen. Anscheinend war er genauso froh wie ich, daß sich das nun erübrigte. Seine körperliche Anspannung löste sich. Und ich gab die mir dringend empfohlene Wachsamkeit auf.

«Wo haben Sie sich denn so am Gesicht verletzt?«fragte der Professor.

Ich zögerte. Was ich mir im Hinterhof von 19 Lorna Terrace geleistet hatte, hörte sich einfach zu blöd an. Als ich schwieg, hakte Lawson-Young neugierig nach, interessiert wie ein engagierter Zeitungsmensch. Ich antwortete lediglich, ich hätte mich geprügelt und den kürzeren gezogen.