Sogleich fragte er, weshalb ich mich geprügelt hätte und mit wem, und er fragte es mit der Autorität, die in seinem Beruf sicherlich vonnöten war.
Da er nicht alles zu wissen brauchte, erzählte ich ihm nur einen Teil der Wahrheit.»Ich war auf der Suche nach Dr. Force, und dabei habe ich mich an einem Wasserhahn gestoßen. Ziemlich ungeschickt.«
Er legte den Kopf schräg und betrachtete mich aufmerksam.»Ich muß leider feststellen, daß Sie mich anlügen.«
«Wie kommen Sie darauf?«
«Es ist ungewöhnlich, sich mit einem Wasserhahn zu prügeln.«
Ich zeigte ihm ein laues Grinsen.»Also gut, der Hahn war an einem Schlauch befestigt, mit dem ich geschlagen wurde. Darauf kommt es aber nicht an. Ich erfuhr, wo Dr. Force zu finden ist, und habe gestern in Lynton mit ihm gesprochen.«
«Wo in Lynton? In dieser neuen Privatklinik?«
«Phoenix House. «Ich nickte.»Die Klinik von Dr. Force sieht aus, als wäre sie für Kinder gedacht.«
«Nicht für Kinder. Für geistig Behinderte. Mir wurde gesagt, daß die älteren Patienten dort bei ihm in guten Händen sind.«
«Stimmt, sie sahen recht zufrieden aus.«
«Und was für einen Eindruck haben Sie sonst mitgenommen?«
Ich antwortete ihm ohne viel Zögern.»Force kann ausgesprochen reizend sein, wenn er will, und er hat auch ein bißchen was von einem Gauner.«
«Nur ein bißchen?«Der Professor seufzte.»Adam Force war hier Leiter eines Forschungsprojekts zur Linderung des Schnarchens mit Hilfe von Glasfaserinstrumenten und Mikrolaser…«Er schwieg einen Moment.»Ich möchte Sie nicht langweilen…«
Die Gefahr bestand nicht, denn da ich selbst Glasinstrumente für derartige Forschungen entworfen und hergestellt hatte, war mein Interesse geweckt. Als ich ihm das sagte, staunte der Professor seinerseits. Er ging auf die Arbeit, mit der Force beschäftigt gewesen war und die er gestohlen hatte, näher ein.
«Wir hatten mit einem Verfahren experimentiert, bei dem ein Mikrolaserstrahl durch ein Glasfaserinstrument in das Gewebe der Kehle geleitet wird. Der Mikrolaser erwärmt das Gewebe, so daß es hart wird und der Schlafende zu schnarchen aufhört. Gestohlen hat Adam Force das Ergebnis unserer Bemühungen, die optimale Wellenlänge zu finden, die ein Laser braucht, um das Gewebe zu durchdringen und es exakt auf die erforderliche Temperatur zu erwärmen… Können Sie mir folgen?«
«Mehr oder weniger.«
Er nickte.»Ein zuverlässiges Mittel gegen das Schnarchen wäre für die Betroffenen von unschätzbarem Wert. Adam Force hat diese Daten gestohlen und sie an ein Marketing-Unternehmen verkauft, das darauf spezialisiert ist, Neuheiten und Informationen über Neuheiten an den Mann zu bringen. Force gab unsere neuesten, noch unvollständigen Daten an Leute weiter, mit denen wir schon verschiedentlich gearbeitet hatten und für die kein Anlaß zu Mißtrauen bestand. Adam legte alle richtigen Papiere vor. Erst nach Wochen wurde der Dieb stahl entdeckt, und als wir den Marketing-Leuten unser Material anboten und sie uns sagten, das hätten sie bereits von Adam Force gekauft, fielen wir aus allen Wolken.«
«Also haben Sie ihn entlassen«, meinte ich.
«Das hätten wir tun sollen. Er hat sicher damit gerechnet, aber wir brauchten ihn unbedingt für unser Forschungsprogramm. «Der Professor sah eher betrübt als zornig drein.
«Lassen Sie mich raten«, sagte ich.»Sie haben ihn nicht angezeigt, weil er Ihnen allen so sympathisch war.«
Lawson-Young nickte traurig.»Adam hat praktisch auf Knien um Verzeihung gebeten und sich bereit erklärt, das Geld in Raten zurückzuzahlen, wenn wir ihn nicht vor Gericht bringen würden.«
«Und?«
«Zwei Monate lang hat er pünktlich gezahlt«, sagte der Professor geknickt,»und dann fanden wir heraus, daß er noch viel geheimere Informationen zu Geld zu machen suchte… und damit meine ich unbezahlbare Informationen, die die Welt verändern können. «Er unterbrach sich jäh, als hätte ihm der ungeheuerliche Vertrauensbruch von Adam Force die Sprache verschlagen.
«Zum Dank für unsere Großzügigkeit«, fuhr er schließlich fort,»hat er die neuesten, explosivsten Daten aus unserer ganzen Forschungsarbeit entwendet, und wir sind überzeugt, daß er vorhat, sie an den international Meistbietenden zu verkaufen. Ich spreche von den Informationen auf dem Video, das Ihnen Force wieder abgenommen hat, und wir hatten inständig gehofft, Sie würden das Band finden.«
«Sie wußten doch gar nicht, daß es mich gibt«, sagte ich ungläubig.
«Das wußten wir schon. Unsere Detektive sind sehr gründlich. Wir wußten nur nicht, ob Adam Sie nicht vielleicht eingewickelt hatte wie Ihren Freund Stukely.«
«Martin?«
«Aber ja. Force kann sehr überzeugend und charmant sein, wie Sie wissen. Wir nehmen an, daß er Stukely auch um einen ziemlich hohen Geldbetrag gebracht hat, der angeblich in unsere Forschungsarbeit fließen sollte.«
«Martin war doch kein Idiot«, wandte ich ein.
«Sehr wahrscheinlich hatte Stukely keine Ahnung, daß das Material auf dem Videoband gestohlen war. Glauben Sie mir, man muß kein Idiot sein, um auf einen Betrüger hereinzufallen. Mich halte ich auch nicht für einen Idioten, und er hat mich getäuscht. Ich habe ihn als Freund behandelt.«
«Wie hat Martin Dr. Force kennengelernt? Das wissen Sie nicht zufällig?«
«Doch. Das war bei einem Benefizessen für die Krebsforschung. Adam Force hat dort Geld für die Stiftung gesammelt, und Stukely war als Gast des Mannes da, für den er ritt, einem Förderer der Stiftung. Auch ich bin zufällig einer ihrer Förderer, und an dem Abend habe ich Martin Stukely kurz gesehen.«
Ich erinnerte mich dunkel, daß Martin von dem Essen erzählt hatte, aber wir hatten nicht länger darüber geredet. Allerdings war es typisch für Martin, an unerwarteten Orten Bekanntschaften zu schließen — hatte ich ihn doch als Geschworenen am Gericht kennengelernt.
Nach einer Weile sagte Lawson-Young:»Wir haben wirklich überall nach Beweisen dafür gesucht, daß Adam im Besitz von Material war, das dem Labor gehörte. Wir wissen mit neunzigprozentiger Sicherheit, daß er alle relevanten Einzelheiten auf der Videokassette, die er Martin Stukely anvertraute, aufgezeichnet hat.«
Zu meiner Erleichterung war keine Rede davon, mit Räubermethoden oder einer gesprächig machenden, rigorosen Zahnbehandlung aus mir herauszuholen, wo sich die
Kassette befand. Ich merkte jedoch, daß der Professor wieder so angespannt war wie zu Beginn, und ich fragte mich, ob er befürchtete, ich könnte ihn wie Adam Force zum Narren halten.
«Force hat die Kassette«, sagte ich einfach.»Fragen Sie ihn. Allerdings erzählte er mir gestern, er habe Ihre Formeln und Schlußfolgerungen überspielt und jetzt seien nur noch Pferderennen auf dem Band zu sehen.«
«O Gott.«
«Ich würde ihm das nicht glauben«, sagte ich.
Nach ein paar Augenblicken fragte der Professor:»Erkennen Sie jeweils, ob jemand lügt?«
«Das kommt auf die Person an und auf den Zusammenhang, in dem gelogen wird.«
«Mhm«, machte er.
Ich ließ eine lange Reihe von Halbwahrheiten Revue passieren, auch solche, die ich selbst in die Welt gesetzt hatte.
«Läßt man die Lügen beiseite«, meinte George Lawson-Young lächelnd,»erhält man wahrscheinlich die Wahrheit.«
Nach einer Weile sagte er noch einmaclass="underline" »Wir haben wirklich überall nach Beweisen dafür gesucht, daß Adam Material an sich gebracht hat, das Eigentum des Labors ist. Wir glauben, daß er die relevanten Fakten auf Band aufgezeichnet hat, weil einer unserer Mitarbeiter meint, ihn dabei beobachtet zu haben, aber da er in einem ganz anderen Bereich tätig ist, hat er Adam geglaubt, als der ihm sagte, es handele sich um routinemäßige Aufzeichnungen. Dann hat Adam beim Pferderennen in Cheltenham Martin Stukely ein Band anvertraut. Nach Stukelys Tod hörten wir uns um und erfuhren, daß sein Jockeydie-ner das Band wie vorgesehen an einen Freund Stukelys weitergegeben hatte. «Er schwieg.