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Priams Geschichte war zu Ende. Er nahm einen großen Schluck Whisky, und ich schenkte ihm zur Erholung von der Beichte gut und reichlich nach.

Eddie selbst war auch zur Beichte gegangen. Eddie hatte sich vor Martins Beerdigung gedrückt. Eddie hatte Angst vor seiner Tochter Rose, und Eddie hatte sich schwarz maskiert, um an der Prügelaktion gegen mich teilzunehmen. Wären Tom und die Dobermänner nicht zufällig dahergekommen, hätte Eddie wohl noch wesentlich größere Sünden zu bekennen gehabt.

Meine simple Frage hatte Priam derart in Angst versetzt, daß ich seine Antwort auf mögliche wichtige Hinweise abklopfte, die mir bis jetzt entgangen waren.

Konnte er Maske Nummer vier sein? Die Unbekannte in der Gleichung?

Ed Payne hatte Rose wahrscheinlich erzählt, daß es auf der Kassette, die in der Neujahrsnacht aus meinem Geschäft entwendet wurde, um eine Halskette ging. Rose hatte ihm nicht unbedingt geglaubt. Wenn Rose aber wußte, daß es eine solche Kette gab, und fälschlicherweise angenommen hatte, auch das Video darüber sei wertvoll, ja sogar eine Million wert, konnte sie durchaus so versessen darauf gewesen sein, daß sie Bon-Bons ganze Familie betäubt hatte, um sämtliche Videokassetten im Haus an sich zu bringen.

Damals hatte ich angenommen, es sei ein Mann gewesen, der mich an der Haustür überrumpelt und bewußtlos geschlagen hatte, aber wenn ich recht überlegte, konnte es auch Rose selbst gewesen sein. Sie war kräftig, wendig, resolut und hatte allemal das Zeug, einen Mann anzugreifen. Das wußte ich aus Erfahrung.

Nachdenklich, als wüßte ich nicht mehr, daß ich ihm die Frage schon einmal gestellt hatte, fragte ich Priam:»Wie gut kennen Sie Rose Payne?«

«Die kenne ich nicht«, erwiderte er prompt, revidierte dann aber seine Antwort und schwächte sie ab.»Gesehen habe ich sie wohl schon.«

«Was würden Sie sagen, wie gut sie Adam Force kennt? Meinen Sie, Dr. Force wäre dumm genug, ihr aus einer Klinik, die er betreut, eine Flasche mit Gas zu besorgen?«

Priam machte ein Gesicht, als hätte ich ihn mit Schwertern durchbohrt, aber leider gab er keinerlei Schuldbewußtsein zu erkennen. Er fühlte sich nicht schuldig; so gut wie niemand fühlte sich schuldig.

Bon-Bons» frühes Abendessen «erwies sich zu Priams gelinder Enttäuschung als ebendies und nicht mehr. Er hatte es gern exklusiver, aber wir saßen einfach alle um den großen Küchentisch, Marigold, Worthington, die Kinder, Bon-Bon, ich und Priam selbst. Ich fungierte außerdem als Kellner, wie ich das als Gast hier gewohnt war, auch wenn Daniel, der ältere Sohn, manchmal das Geschirr abräumen half.

«Gerard«, sagte Daniel zwischen zwei Gängen und stellte sich direkt vor mich, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen,»wer ist Victor?«

Ich spitzte die Ohren und sagte:»Das ist ein Junge. Sag mir, was du gehört hast.«

«Gilt die Abmachung noch?«fragte Daniel.»Gibt es Goldtaler?«

«Aber natürlich nicht«, schimpfte Bon-Bon.»Das war doch ein Spiel.«»Ist das hier auch«, versicherte ich ihr,»da können wir die Regeln ruhig beibehalten.«

Ich langte in meine Tasche und fand zu meiner Überraschung sogar noch Kleingeld, obwohl mir die Kinder neulich mindestens zwanzig» Taler «abgeknöpft hatten.

«Was ist mit Victor?«fragte ich. Ich legte ein Geldstück auf den Tisch, und Daniel sagte:»Es sind zwei Sachen«, also legte ich noch eins dazu.

«Du verziehst die Kinder völlig«, rügte Marigold.

Theoretisch gab ich ihr vielleicht recht, aber unerwarteterweise meldete sich Daniel zu Wort:»Gerard selber hat zu Worthington und einem Bekannten gesagt, daß man bezahlen muß für das, was man bekommt.«

Marigold setzte ihren Chauffeur mit auf die Liste der schlechten Erzieher, aber Daniel, der davon nichts mitbekam, wartete nur auf sein Stichwort.

«Schieß los«, sagte ich.»Zwei Goldtaler. Die muß es aber auch wert sein. «Ich grinste ihn an.

Er legte seine Patschfinger auf die Münzen und sagte direkt zu mir:»Er will dir ein Geheimnis verraten.«

«Wann hat er das gesagt?«Ich nahm ihn ernst, aber die anderen Erwachsenen lachten.

Daniel nahm die erste Münze weg. Berechnender kleiner Satan, dachte ich.

Daniel sagte:»Er hat hier angerufen. Mami war draußen im Garten, da bin ich drangegangen. Er sagte, hier ist Victor. Er wollte nur mit dir, nicht mit Mami sprechen. Du warst nicht da, aber ich sagte ihm, daß du zum Abendessen kommst, und er sagte, er probiert’s dann noch mal, wenn er kann.«

Daniels Hand schwebte über der zweiten Münze in der Luft. Ich nickte stoisch, und er ließ sie blitzartig verschwinden.

«Das ist doch unerhört!«schimpfte Marigold mit mir.

«Du bringst meinem Enkel nichts als Unarten bei.«

«Es ist ein Spiel«, sagte ich noch einmal; und es war eins für Elfjährige. Daniel war auch sonst klug, aber ich fand, hier hatte er gute Arbeit geleistet.

Das» frühe Abendessen «endete um halb acht, eine Stunde bevor die jüngeren Kinder ins Bett mußten. Marigold, deren gute Laune wiederhergestellt war, drückte Daniel zum Abschied versöhnlich in die Falten ihres Kaftans, und nach dem Kaffee, drei Gläschen Grand Marnier und einem verkicherten Telefonplausch mit Kenneth Trubshaw über die Stiftung eines gewissen Goldpokals entschwebte Marigold auf Wolken der Gutmütigkeit hinaus zum Rolls, nahm mit Worthingtons fürsorglicher Unterstützung im Fond Platz und ließ sich nach Hause fahren.

Priam Jones fühlte sich unter Wert behandelt. Er dankte Bon-Bon zwar für ihre Gastfreundschaft, gab ihr aber zu verstehen, daß er sich als renommierter Trainer und insbesondere als Hauptarbeitgeber ihres verstorbenen Mannes ein wenig mehr Aufmerksamkeit und Beachtung gewünscht hätte. Von mir verabschiedete er sich mit einem noch kühleren Nicken, und die neuen Reifen bekamen, als er über den Kies davonsägte, das ganze Ausmaß seiner Ungehaltenheit zu spüren. Armer Priam, dachte ich. Es war sicher nicht sehr schön, in seiner Haut zu stecken.

Victor ließ mich lange warten. Bon-Bon, die nach oben ging, um den Kindern etwas vorzulesen, gab mir einen Gutenachtkuß und schickte mich in Martins Zimmer, aber es wurde elf Uhr und später, bis sich schließlich die vertraute Kieksstimme aus Taunton meldete.

«Gerard? Ich bin in einer Telefonzelle. Mum glaubt, ich sei im Bett. Sie hat Ihre Handynummer weggeworfen, und mailen kann ich auch nicht — Tante Rose hat mir meinen

Computer abgenommen. Das kotzt mich alles an. Ich möchte Sie sprechen. Sagen Sie, wo. Mir geht das Geld aus.«

Schon klickte es mehrmals bedenklich in der Leitung. Wahrscheinlich warf er seine letzten Pennys ein. Als es einen Moment still war, sagte ich:»Ich komme am Sonntag, gleicher Zug, Bahnhof Taunton.«

«Nein. Morgen. Bitte morgen!«

Ich sagte ja, und die Verbindung brach ab.

«Sie sind völlig verrückt, wissen Sie das?«sagte Tom Pigeon, als ich ihn früh um sieben anrief, um ihm Bescheid zu sagen.»Heute ist Freitag. Der Junge hat doch Schule.«

«Eben. Darum geht’s wahrscheinlich. Die Schule kann er schwänzen, ohne daß seine Mutter es merkt.«

«Sie fahren nicht«, sagte Tom entschieden, und ein paar Sekunden später dann:»Wir lassen uns von Jim fahren. In seinen Kombi gehen auch die Hunde rein. Wo sind Sie?«

«Bei den Stukelys. Holt ihr mich hier ab?«

«Vor fünf Tagen, am vorigen Sonntag«, sagte Tom mit gespielter Geduld,»hat Ihnen Rose das Gesicht mit einem Schlauch und einem Wasserhahn bearbeitet.«

«Mhm«, gab ich zu.

«Und vorgestern sind Sie, wie ich höre, beinah umgebracht worden.«

«Tja…«

«Wie wär’s, wenn Sie zu Hause blieben?«

Ich lächelte über den blöden Vorschlag.