«So!«Rose hörte sich plötzlich siegesgewiß an.»Wenn Sie nicht wollen, daß er verbrannt wird, sagen Sie mir lieber, wo die Videobänder geblieben sind, die ich haben will.«
«Sie können Hickorys Gesicht entstellen, wenn Sie nicht aufpassen«, sagte ich eindringlich.»Verbrennungen durch Glasschmelze sind furchtbar. Eine Hand kann so schlimm verbrannt werden, daß sie amputiert werden muß. Ein Arm, ein Fuß… da riecht man, wie das Fleisch brennt… der Mund kann wegbrennen, die Nase.«
«Halt die Klappe«, schrie Rose, und noch einmal, aus vollem Hals:»Halt die Klappe!«
«Man kann sich ein Auge ausbrennen«, sagte ich.»Man kann sich die Eingeweide regelrecht verschmoren.«
Die zartbesaitete Pamela Jane, die die Gefahr kannte, blieb von allen am ruhigsten, und es war der Fleischberg Norman Osprey mit den massigen Schultern, dem der Schweiß ausbrach und der aussah, als müsse er sich übergeben.
Rose blickte auf die rotglühende Pfeife. Sie sah auf Hik-kory und warf mir einen Blick zu. Ich sah ihr mehr oder weniger an, was in ihr vorging. Sie war gekommen, um meine Wertschätzung für Hickory zu einer Erpressung auszunutzen, und nun hatte sie mich tatsächlich in der Hand.
Neben der starken Persönlichkeit von Rose boten ihre Gefährten ein blasses Bild. Selbst der gutaussehende
Adam Force mit seinem gewinnenden Lächeln wurde in ihrer Gegenwart zum Statisten, und mir ging auf, daß das Gerede über sie als Schreckfigur, die insbesondere Männer in heillose Furcht versetzen konnte, keineswegs aus der Luft gegriffen war. Ihren Vater trieb sie regelmäßig in die Beichte, und was für ein Chaos sie heute wieder in seinem gutkatholischen Gewissen anrichtete, vermochte ich mir kaum vorzustellen.
Für Norman Osprey war sicher ein Tag so gut oder so schlecht wie jeder andere. Für ihn war immer nur die Kraft entscheidend, die nötig war, um sich durchzusetzen, und der Rest war Kopfrechnen und die Magie der Zahlen, auf die er sich so gut verstand.
Adam Force sah aus, als könne er es kaum erwarten, den unbekannten Inhalt der Spritze durch die Kanüle zu jagen. Ich betete, daß die arme Pamela Jane ihre Tränen unter Kontrolle bekam und aufhörte zu schluchzen, denn beides schien Dr. Weißbart zunehmend zu reizen, und der mit Paketband stumm und blind gemachte Hickory sah aus, als würde er sich keinen Millimeter mehr rühren, bis ihn jemand aus dem Sessel, in den ihn Rose gedrückt hatte, herauszog.
Eindrücke blitzten auf und vergingen. Rose sah mich berechnend an, genoß die Gewißheit, daß sie mich bald besiegen würde. Ich konnte nicht beschwören, daß ihr das nicht gelingen würde. Kapuzenmasken und Baseballschläger gab es zwar diesmal nicht. Aber mit bloßen Armen geschmolzenem Glas ausgesetzt zu sein war schlimmer.
Plötzlich und unverhofft sagte Rose:»Sie sind heute morgen hergekommen, um eine Pferdefigur aus Glas und Gold zu machen. Ich will das Gold.«
Hoppla, dachte ich. Bis jetzt hatte niemand Gold ins Spiel gebracht. Soweit ich wußte, war in Roses Beisein nicht von Gold die Rede gewesen. Ich hatte das Gold für die Figur geordert und noch ein wenig fürs Lager, aber das war nun wirklich keine Menge, für die sich ein Überfall lohnte.
Irgend jemand hatte Rose irregeführt, oder sie hatte etwas mißverstanden, und ihre habgierige Phantasie hatte den Rest erledigt.
Rose war immer noch überzeugt, daß ich sie auf die eine oder andere Art reich machen konnte.
Adam Force schenkte ihr ein bewunderndes Lächeln und applaudierte ihr mit den Augen.
Wenn es mir gelang, diese, nun ja, goldene Gelegenheit zu nutzen… Es war eine Chance. Ich brauchte Zeit, und wenn ich das Pferd machte, konnte ich schön viel Zeit gewinnen.
Ich sagte:»Das Gold ist noch nicht da. Ich frage mich, was die sich dabei denken. «Der unbekümmerte und doch nörgelige Ton, in dem ich das sagte, verblüffte Rose derart, daß sie die Glasmacherpfeife erst einmal sinken ließ.
«Wenn die Figur nicht rechtzeitig fertig wird«, sagte ich,»wo sie doch bestellt ist, also dann — «, ich schwieg, als hätte ich mich um ein Haar mächtig verplappert.»Was soll’s«, sagte ich gespielt nervös, und Rose verlangte das Ende des Satzes zu hören.
«Na ja…«, sagte ich.
«Wird’s bald?«
«Gold…«:, sagte ich.»Das brauche ich für das Pferd.«
Pamela Jane, es sei ihr unendlich gedankt, hörte auf, weiter Tränen zu vergießen, und rief mir mit Abscheu und Entsetzen durch die Werkstatt zu, ich solle etwas tun, um Hickory frei zu bekommen, statt an eine Glasfigur für die Rennbahn Cheltenham zu denken.
«Wie können Sie nur?«empörte sie sich.»Das ist ja widerwärtig.«
«Der Juwelier will mir das Gold für die Hufe, die Mähne und den Schweif vorbeibringen«, sagte ich.
Rose rang mit sich und fragte:»Wann?«
Ich antwortete, das würde ich ihr nicht sagen.
«Aber ja doch«, meinte sie und reckte drohend die heiße Pfeife vor.
«Um elf«, sagte ich hastig. Gut gelogen.»Lassen Sie mich das Pferd machen«, fuhr ich in einem fast flehenden Ton fort.»Wenn ich damit fertig bin, sage ich Ihnen auch, wie Sie an die Videokassette herankommen, und Sie müssen mir versprechen, Hickory freizulassen, sobald Sie das Gold haben.«
Pamela Jane sagte erschüttert:»Das darf doch nicht wahr sein.«
Sie begriff nicht, wie ich so schnell klein beigeben konnte. Sie wußte nicht, daß ihre Verachtung der Gradmesser meines Erfolges war.
Rose blickte auf ihre Armbanduhr, sah, daß sie eine Stunde auf das Gold würde warten müssen, und kam zu der irrigen Auffassung, sich das leisten zu können.
«Fangen Sie mit der Figur an«, befahl sie.»Wenn das Gold kommt, quittieren Sie ganz normal den Empfang, sonst gibt es Flämmchen für Ihren Hickory, verstanden?«
Ich nickte.
«Also dann los. «Sie schaute sich in der Werkstatt um, machte eine Bestandsaufnahme und befahl Pamela Jane, sich in den anderen Sessel zu setzen. Adam Force hielt ihr nun die bedrohliche Nadel an den Hals, und Norman Osprey band ihr mit Paketband die Füße zusammen.
Pamela Jane starrte mich böse an und sagte, sie werde mir weder bei dem Pferd noch überhaupt je wieder assistieren.
Rose bestärkte sie in diesem Entschluß, indem sie erklärte, ich sei schon immer ein Feigling gewesen. Ich schaute Pamela Jane ausdruckslos an und sah, wie sich leise Zweifel bei ihr meldeten, noch während sie Roses Schmährede zuhörte.
Ich hatte nicht vorgehabt, den Ehrenpreis in Roses Beisein zu modellieren. Genau deshalb hatte ich die Leibwache organisiert, und es hatte nichts genützt. Andererseits war die Konfrontation mit Rose früher oder später fällig gewesen, und wenn es jetzt soweit war, mußte ich eben etwas schneller denken. Plattfüßig und steif stand ich da.
«Ich dachte, Sie könnten mit Glas umgehen«, hänselte mich Rose.
«Zu viele Leute«, reklamierte ich.
Barsch befahl sie Norman Osprey und Eddie Payne, in den Verkaufsraum hinter der halbhohen Wand zu gehen, und etwas höflicher schickte sie Adam Force hinterher. Alle drei stellten sich an die Wand und schauten zu. Rose ergriff eine der Glasmacherpfeifen, die ich zum Antempern an die Ofenöffnung gelegt hatte, stieß sie in den Hafen, der jetzt weißglühendes Glas enthielt, zog sie mit einem recht großen Glasposten am Ende wieder heraus und drehte sie gerade so schnell, daß die Schmelze nicht auf den Boden fiel.
«Los jetzt«, sagte sie. Sie stieß den Klumpen lodernden Unheils auf meinen rechten Arm zu, und ich wich gerade so weit zurück, daß er mir nicht die Haut verbrannte.
Wie sollte man so eine Glasfigur kreieren? Zunächst einmal mußte ich für den Rumpf des Pferdes mehrere Posten klares Kristallglas aufnehmen. Derweil hielt Rose zwei Pfeifen mit pflaumengroßen Glasklumpen, die alles zerstören würden, was sie berührten, über die Köpfe von Hickory und Pamela Jane und drohte, ihnen die Ohren abzubrennen, ihnen einzuheizen, daß es duften würde wie in der Bratküche, sobald ich ihr den geringsten Anlaß lieferte. Fortwährend müsse ich ihr sagen, was ich als nächstes vorhatte. Wehe, ich machte eine unvorhergesehene Bewegung. Hickory und Pamela Jane würden es büßen. Hatte ich verstanden?