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Natürlich muß er noch anderswo hin und andere Taten vollbringen - wenn man ein übernatürlicher Psychopath wie er ist, hat man zweifellos jeden Tag alle Hände voll zu tun -, aber es muß ihm schwerfallen, sich lange von hier fernzuhalten, so beschäftigt er auch sein mag. Und wie fühlt er sich dabei? Wie bei einem tollen Fick an einem Sommernachmittag, genau so.

Lois zupfte ihn von hinten am Ärmel, und er drehte sich zu ihr um. Sie lächelte immer noch, aber durch den fiebrigen Ausdruck in ihren Augen sah das Lächeln verdächtig wie ein Schrei aus. Hinter ihr schlenderten Connie Chung und Rosenberg zu dem Gebäude.

»Du mußt mich hier wegbringen«, flüsterte Lois. »Ich kann es nicht mehr ertragen. Mir ist, als würde ich den Verstand verlieren.«

[»Okay - kein Problem.«]

»Ich kann dich nicht hören, Ralph - und ich glaube, ich kann die Sonne durch dich hindurchscheinen sehen. Mein Gott, das kann ich tatsächlich!«

[»Oh - warte -«]

Er konzentrierte sich und spürte, wie die Welt um ihn herum einen leichten Ruck machte. Die Farben verblaßten; Lois’ Aura schien in ihre Haut hineinzuschrumpfen.

»Besser?«

»Nun, auf jeden Fall solider.«

Er lächelte kurz. »Gut. Komm mit.«

Er nahm sie am Ellbogen und führte sie zu der Stelle zurück, wo Joe Wyzer sie abgesetzt hatte. In dieselbe Richtung führten auch die blutigen Spuren.

»Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«

»Ja.«

Sie strahlte sofort. »Das ist toll! Ich habe gesehen, wie du emporgestiegen bist, weißt du - es war ziemlich seltsam, als hätte ich gesehen, wie du dich in eine sepiafarbene Fotografie verwandelst. Und dann… als ich dachte, ich könnte die Sonne durch dich hindurchscheinen sehen… das war sehr seltsam.« Sie sah ihn streng an.

»Schlimm, hm?«

»Nein… nicht gerade schlimm. Nur seltsam. Diese Käfer dagegen… die waren schlimm. - Igitt!«

»Ich weiß, was du meinst. Aber ich glaube, die sind alle da hinten.« »Vielleicht, aber wir haben das Schlimmste noch lange nicht überstanden, oder?« »Ja - es ist ein weiter Weg zurück ins Paradies, hätte Carol gesagt.«

»Bleib nur bei mir, Ralph Roberts, und verirre dich nicht.« »Ralph Roberts? Nie gehört. Norton ist mein Name.« Und das, stellt er glücklich fest, brachte sie zum Lachen.

Kapitel 24

Sie gingen langsam über den asphaltierten Parkplatz mit seinem Gitter aufgesprühter gelber Linien. Ralph wußte, heute abend würden die meisten Plätze besetzt sein. Kommt, seht, hört zu… und, am allerwichtigsten, zeigt eurer Stadt und den Fernsehzuschauern im ganzen Land, daß ihr euch nicht von den Charlie Pickerings dieser Welt einschüchtern laßt. Selbst die Minderheit, die die Angst abhalten würde, würde durch die von morbider Neugier Angelockten wieder wettgemacht werden, vermutete Ralph.

Als sie sich der Rennbahn näherten, näherten sie sich auch dem Rand des Leichentuchs. Es war dort dicker, und Ralph konnte langsame, wuselnde Bewegungen darin erkennen, als bestünde das Leichentuch aus winzigen Fetzen verkohlter Substanz. Es sah ein wenig wie die Luft über einem offenen Kohleofen aus, wo Stücke verbrannten Papiers über der flimmernden Hitze schweben.

Und er konnte zwei Geräusche hören, die einander überlagerten. Das obere war ein silbernes Seufzen. Der Wind könnte so ein Geräusch hervorbringen, dachte Ralph, wenn er lernen würde, wie man weint. Es war ein unheimliches Geräusch, aber das darunterliegende war regelrecht unangenehm - ein schlabberndes Kaugeräusch, als würde ganz in der Nähe ein riesiger Mund gewaltige Mengen Essen in sich hineinschaufeln.

Lois blieb stehen, als sie sich der dunklen, von Teilchen wimmelnden Haut des Leichentuchs näherten, und sah mit ängstlichen, bekümmerten Augen zu Ralph auf. Als sie ihn ansprach, sprach sie mit der Stimme eines kleinen Mädchens. »Ich glaube nicht, daß ich da durch kann.« Sie machte eine Pause, rang mit sich und brachte schließlich auch den Rest heraus: »Weißt du, es lebt. Das ganze Ding. Es sieht sie« - Lois zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf die Leute auf dem Parkplatz und die Nachrichtenteams in der Nähe des Gebäudes -, »und das ist schlimm, aber es sieht auch uns, und das ist schlimmer… weil es weiß, daß wir es auch sehen können. Gefällt ihm nicht, wenn man es sieht. Wenn man es fühlt vielleicht, aber nicht, wenn man es sieht.«

Jetzt schien das unterschwellige Geräusch - das schmatzende Eßgeräusch - fast artikulierte Worte zu bilden, und je länger Ralph zuhörte, desto mehr wuchs seine Überzeugung, daß er recht hatte.

[Hinausss. Forrttt. Zieeeeht abb]

»Ralph«, flüsterte Lois. »Hörst du das?«

[Hasss euch. Töttt euch. Fressss euch.]

Er nickte und hielt sie wieder am Ellbogen. »Komm mit, Lois.« »Komm -? Wohin?«

»Runter. Bis ganz runter.«

Einen Moment sah sie ihn nur an und verstand nicht; dann dämmerte es ihr, und sie nickte. Ralph spürte, wie das Blinzeln in seinem Inneren stattfand - ein wenig stärker als das Liderflattern vor kurzer Zeit -, und plötzlich wurde der Tag um ihn herum klar. Die wirbelnde Smogbarriere vor ihnen schmolz und verschwand. Dennoch machten sie die Augen zu und hielten den Atem an, als sie sich der Stelle näherten, wo sich, wie sie wußten, der Rand des Leichentuchs befand. Ralph spürte, wie Lois seine Hand fester drückte, als sie durch die unsichtbare Barriere hastete, und als er selber hindurchging, schien ein dunkler Wirrwarr von Erinnerungen - der langsame Tod seiner Frau, der Verlust eines Lieblingshundes, als er noch ein Kind war, der Anblick von Bill McGovern, wie er sich bückte und die Hand auf die Brust drückte - zuerst seinen Geist einzuhüllen und ihn dann zu umklammern wie eine unbarmherzige Hand. Das silberne Schluchzen ertönte in seinen Ohren, so konstant und so grauenhaft leer; die weinende Stimme eines von Geburt an Schwachsinnigen.

Dann waren sie durch.

Kaum hatten sie den hölzernen Bogen auf der gegenüberliegenden Seite des Parkplatzes passiert (WIR SIND ZUM RENNEN IM BASSEY PARK! stand auf der Rundung geschrieben), zog Ralph Lois zu einer Bank und ließ sie sich setzen, obwohl sie vehement darauf beharrte, daß es ihr gut gehe.

»Gut. Aber ich brauche einen Moment, bis ich mich wieder unter Kontrolle habe.«

Sie strich eine Haarlocke aus seiner Schläfe und hauchte einen sanften Kuß auf die Vertiefung darunter. »Laß dir soviel Zeit, wie du brauchst, Liebling.«

Das waren, wie sich herausstellte, fünf Minuten. Als er hinreichend sicher war, daß er aufstehen konnte, ohne in den Knien einzuknicken, nahm Ralph wieder ihre Hand, und sie erhoben sich gemeinsam.

»Hast du sie gefunden, Ralph? Hast du seine Spur gefunden?«

Er nickte. »Damit wir sie sehen können, müssen wir zwei Sprünge nach oben machen. Zuerst habe ich versucht, nur soweit aufzusteigen, daß ich die Auren sehen kann, weil dann nicht alles schneller abzulaufen scheint, aber das hat nicht geklappt. Es muß ein wenig höher sein.«

»Gut.«

»Aber wir müssen vorsichtig sein. Denn wenn wir sehen können

»Können wir auch gesehen werden. Ja. Und wir dürfen auch nicht vergessen, daß die Zeit verrinnt.«

»Auf gar keinen Fall. Bist du bereit?«

»Fast. Ich glaube, vorher brauche ich noch einen Kuß. Ein kleiner würde schon genügen.«

Er lächelte und gab ihr einen.

»Jetzt bin ich bereit.«

»Okay - gehen wir.«

Blinzel

Die rötlichen Farbflecken führten sie über den Bereich gestampfter Erde, wo während der Kirmeswoche die Mittelstraße verlief, dann zur Rennbahn, wo von Mai bis September Trabrennen stattfanden. Lois stand einen Moment vor dem brusthohen Bretterzaun, sah sich um und vergewisserte sich, daß niemand in der Nähe war, und dann zog sie sich hoch. Zuerst bewegte sie sich so behende wie ein junges Mädchen, aber als sie ein Bein auf die andere Seite geschwungen hatte und breitbeinig auf dem Zaun saß, hielt sie inne. Ein Ausdruck von Überraschung und Mißfallen beherrschte ihr Gesicht.