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Seine Erleichterung darüber, von Helen zu hören, konnte Ralphs Schlaflosigkeit nicht lindern; er wachte auch weiterhin vorzeitig auf, und am Labor Day schlug er die Augen gegen 2:45 Uhr auf. Am zehnten September - dem Tag, an dem Ed Deepneau wieder verhaftet wurde, diesmal zusammen mit fünfzehn anderen - schlief Ralph noch rund drei Stunden pro Nacht, und er fühlte sich fast wie etwas auf einem Objektträger unter dem Mikroskop. Nur ein einsamer Einzeller, das bin ich, dachte er, als er in seinem Sessel saß und auf die Harris Avenue hinaussah, und er wünschte sich, er hätte lachen können.

Seine Liste todsicherer, zuverlässiger Hausmittel wuchs, und er hatte sich schon mehr als einmal überlegt, daß er ein heiteres kleines Buch zum Thema hätte schreiben können… das hieß, sollte er jemals wieder genug Schlaf bekommen, daß ihm zusammenhängendes Denken möglich wäre. Diesen Spätsommer war er schon froh, wenn es ihm gelang, jeden Tag ein Paar zusammenpassende Socken anzuziehen, und sein Denken kehrte immer wieder zu der höllischen Anstrengung zurück, an dem Tag, als Helen verprügelt worden war, eine Packung Cup-A-Soup im Küchenschrank zu finden. Soweit war es seither nicht wieder gekommen, weil es ihm gelungen war, jede Nacht zumindest etwas Schlaf zu bekommen, aber Ralph hatte schreckliche Angst, es würde bald wieder soweit sein -wenn nicht noch schlimmer -, sollte sein Zustand nicht besser werden. Es gab Zeiten (für gewöhnlich wenn er um halb fünf Uhr morgens im Sessel saß), da hätte er schwören können, daß er spüren konnte, wie sein Gehirn langsam austrocknete.

Das Spektrum der Hausmittel reichte vom Erhabenen bis zum Lächerlichen. Zu ersterem gehörte eine vierfarbige Broschüre, die die Wunder des Minnesota Institute for Sleep Studies in St. Paul anpries. Ein hinreichend gutes Beispiel für letzteres war das »Magische Auge«, ein Allzweckamulett, das über Anzeigen in Boulevardblättern wie dem National Enquirer und Inside View vertrieben wurde. Sue, die Kassiererin im Red Apple, kaufte eines und überreichte es ihm eines Nachmittags. Ralph betrachtete das schlecht gezeichnete blaue Auge, das von dem Medaillon (das sein Leben wahrscheinlich einmal als Pokerchip begonnen hatte) zu ihm aufsah und spürte, wie unbändiges Lachen in ihm emporwallte. Irgendwie gelang es ihm, dieses Gelächter zu unterdrücken, bis er wohlbehalten auf der anderen Straßenseite in seinem Apartment im ersten Stock eingetroffen war, und dafür war er mehr als dankbar. Der Ernst, mit dem Sue es ihm überreicht hatte - und die teuer aussehende Goldkette, die sie durch die Öse gezogen hatte -, deuteten darauf hin, daß sie eine Stange Geld dafür hingelegt haben mußte. Seit dem Tag, als sie beide Helen gerettet hatten, betrachtete sie Ralph fast ehrfürchtig. Das machte Ralph verlegen, aber er wußte nicht, was er dagegen tun sollte. Vorläufig entschied er, konnte es nicht schaden, das Medaillon zu tragen, damit sie seinen Umriß unter seinem Hemd erkennen konnte. Beim Einschlafen half es ihm allerdings nicht.

Nachdem er Ralphs Aussage zu den häuslichen Problemen der Deepneaus aufgenommen hatte, hatte Detective John Leydecker den Bürostuhl zurückgeschoben, die Finger hinter seinem nicht unerheblich starken Nacken verschränkt und ihm eröffnet, McGovern hätte ihm verraten, daß Ralph an Schlaflosigkeit leide. Ralph gab es zu. Leydecker nickte, rollte den Stuhl wieder vorwärts, verschränkte die Hände auf dem Durcheinander von Papieren, unter denen sein Schreibtisch größtenteils verborgen war, und sah Ralph ernst an.

»Honigwabe«, sagte er. Sein Tonfall erinnerte Ralph an McGoverns Ton, als er Whiskey als Heilmittel empfohlen hatte, und Ralphs Antwort darauf fiel genau gleich aus.

»Pardon?«

»Mein Großvater hat darauf geschworen«, sagte Leydecker. »Ein kleines Stück Honigwabe vor dem Schlafengehen. Saugen Sie den Honig aus den Waben, kauen Sie das Wachs ein wenig

- wie einen Kaugummi -, und spucken Sie es dann in den Abfall.

Bienen scheiden eine Art natürliches Schlafmittel aus, wenn sie Honig machen. Das hilft Ihnen garantiert.«

»Ohne Flachs«, sagte Ralph, der es gleichzeitig für völligen Unsinn hielt und jedes Wort glaubte. »Was meinen Sie, wo könnte man Honigwaben bekommen?«

»Nutra - der Naturkostladen draußen im Einkaufszentrum. Versuchen Sie es. Nächste Woche um diese Zeit hat sich Ihr Problem erledigt.«

Ralph genoß das Experiment - die Honigwabe war so süß und würzig, daß sie sein gesamtes Wesen zu durchdringen schien -, aber er wachte trotzdem nach der ersten Dosis um 3:07 Uhr, nach der zweiten um 3:08 und nach der dritten um 3:06 Uhr auf. Da war das kleine Stück Honigwabe verbraucht, das er gekauft hatte, und er ging sofort wieder zu Nutra und holte ein neues. Sein Wert als Schlafmittel mochte gleich Null sein, aber es war ein wunderbarer Snack; er wünschte nur, er wäre füher darauf gekommen.

Er versuchte es damit, die Füße in warmes Wasser zu stellen. Lois kaufte ihm etwas, das Allzweck-Gelmanschette hieß, im Versandhandel - man sollte sie um den Hals legen, wo sie gegen Arthritis wirkte und einem beim Schlafen half (bei Ralph tat sie beides nicht, aber er hatte sowieso nur einen milden Fall von Arthritis gehabt). Nach einer zufälligen Begegnung mit Trigger Vachon am Tresen von Nicky’s Lunch versuchte er es mit Kamillentee. »Das Kraut wirkt wahre Wunder«, erzählte ihm Trig. »Du wirst schlafen wie ein Murmeltier, Ralphie.« Und Ralph schlief tatsächlich - bis 2:58 Uhr.

Das waren die Hausmittel und homöopathischen Arzneien, mit denen es Ralph versuchte. Zu denen, die er nicht versuchte, gehörten Multivitamintabletten, die mehr kosteten, als sich Ralph mit seinem beschränkten Einkommen leisten konnte, eine Yogastellung namens »Der Träumer« (wie der Briefträger sie beschrieb, hörte sich »Der Träumer« nach einer ausgezeichneten Methode an, sich seine eigenen Hämorrhoiden anzusehen) und Marihuana. Ralph dachte lange und gründlich über letzteres nach, bis er zum Ergebnis kam, daß es sich wahrscheinlich nur um eine illegale Version von Whiskey und Honigwabe und Kamillentee handelte. Außerdem, wenn McGovern herausfand, daß Ralph Pot auchte, würde er es sich bis an sein Lebensende anhören müssen.

Und während der ganzen Experimente fragte ihn eine Stimme in seinem Kopf, ob er es wirklich mit Lurchaugen und Krötenzungen versuchen mußte, bevor er endlich zu einem Arzt ging. Diese Stimme war mehr neugierig als kritisch. Ralph selbst war ziemlich neugierig geworden.

Am zehnten September, der ersten Demonstration der Friends of Life vor Woman-Care, entschied Ralph, daß er es mit etwas aus der Drogerie versuchen würde… aber nicht unten im Rexall, wo er Carolyns Rezepte geholt hatte. Dort kannten sie ihn, kannten ihn gut, und Ralph wollte nicht, daß Paul Durgin, der Drogist von Rexall, ihn dabei sah, wie er Schlaftabletten kaufte. Wahrscheinlich war das albern - als würde man quer durch die ganze Stadt fahren, um Kondome zu kaufen -, änderte aber nichts an seiner Einstellung. Er war noch nie im Rite Aid gegenüber des Strawford Park gewesen, daher wollte er es dort versuchen. Und wenn die Apothekenversion von Lurchaugen und Krötenzungen nicht wirkte, würde er wirklich zu einem Doktor gehen.

Ist das wahr, Ralph? Ist das wirklich dein Ernst?

»Ja«, sagte er laut, während er langsam im hellen Septembersonnenschein die Harris Avenue entlangging. »Der Teufel soll mich holen, wenn ich das noch lange mitmache.«

Große Worte, Ralph, erwiderte die Stimme skeptisch.

Bill McGovern und Lois Chasse standen vor dem Park und schienen in eine angeregte Unterhaltung vertieft zu sein. Bill sah auf, erkannte ihn und winkte ihn herüber. Ralph ging hin, aber ihre Mienen gefielen ihm nicht: sichtliches Interesse bei McGovern, Besorgnis und Beunruhigung bei Lois.

»Hast du von der Sache beim Krankenhaus gehört?« fragte sie, als Ralph bei ihnen war.

»Es war nicht beim Krankenhaus und es war keine >Sache<«, sagte McGovern ärgerlich. »Es war eine Demonstration - so haben sie es jedenfalls genannt -, und die fand bei Woman-Care statt, das eigentlich hinter dem Krankenhaus liegt. Sie haben ein paar Leute ins Gefängnis gesperrt - zwischen sechs und zwei Dutzend, niemand scheint es genau zu wissen.«