Выбрать главу

Dan Braun

Schlittenfahrt

Kapitel 1

Kaltes, graues Wasser schlug glucksend gegen die zerbrechlich aussehenden Seitenwände des Fiberglasdinghis. Ich zitterte vor Kälte und dachte an die hundertfünfzig Meter bis zum Meeresboden unter uns.

Wir trieben mit abgestelltem Außenbordmotor etwa eine Stunde von Oslo entfernt auf dem Wasser des Fjords, und mein Freund Arne Kristiansen brauchte den ganzen Nachmittag, um mir ein paar einfache Fragen zu beantworten.

Ein grauer Tag, feucht, regnerisch. Der Wind war beißend kalt und sang mir in den Ohren. Meine Füße waren Eisklumpen. Hier draußen auf dem Fjord war es sehr viel kälter als an Land — die Oktobertemperatur bewegte sich auf den Gefrierpunkt zu, und nur Arne war entsprechend angezogen.

Während ich lediglich eine Regenjacke über einem ganz normalen Anzug trug und keinen Hut aufhatte, war Arne in der richtigen Ausrüstung erschienen — mit einer gefütterten roten Mütze, deren Ohrenklappen unter dem Kinn zusammengebunden waren, einer gefütterten blauen Hose, deren Beine in kurzen, weitschäftigen Gummistiefeln steckten, und einer gefütterten roten, vorn mit silbernen Druckknöpfen geschlossenen Jacke. Etwas Schwarz-Gelbes im Nacken deutete auf zusätzliche wärmende Schichten darunter hin.

Wir hatten uns telefonisch an der Statue auf dem Radhusplassen verabredet, da er entschieden gegen meinen Vorschlag gewesen war, zu mir ins Grand Hotel zu kommen. Selbst angesichts des großen, offenen Platzes hatte er etwas von Langstrecken-Abhörgeräten (seine Worte) gemurmelt und schließlich auf dem Dinghi bestanden. Da ich aus langer Erfahrung wußte, daß man mit Arnes ständigem leichten

Verfolgungswahn am besten zurechtkam, wenn man einfach darauf einging, zuckte ich die Achseln und folgte ihm den Kai entlang bis zu der Stelle, wo das kleine blaßgrüne Boot am Fuße einer Treppe vertäut lag.

Ich hatte völlig vergessen, daß es draußen auf dem Wasser immer wesentlich kühler ist. Ich ballte meine starr werdenden Hände in den Taschen zur Faust, lockerte sie und wiederholte meine letzte Frage.

«Wie würdest du sechzehntausend Kronen aus dem Land schmuggeln?«

Zum zweiten Mal erhielt ich keine Antwort. Arne ging mit Antworten so verschwenderisch um wie das Finanzamt mit Steuerrückzahlungen.

Er blinzelte langsam, und ich deutete jeden Wimpernschlag als äußeres Zeichen eines geistigen Zuges auf dem Schachbrett seines Verstandes. Zweifellos überdachte er wie immer jede nur denkbare Konsequenz — falls Antwort A eine von fünf möglichen Reaktionen auslöste, und Antwort B zu sechs klärenden Zusatzfragen führte, dann war es vielleicht besser, erst C zu beantworten, wobei… obwohl…

Das machte die Unterhaltung mit ihm etwas mühsam.

Ich versuchte, ihm ein bißchen auf die Sprünge zu helfen.»Du hast gesagt, es seien nur Münzen und gebrauchte kleine Scheine gewesen. Wie dick mag der Packen sein? Würde das Ganze in einen kleinen Koffer reinpassen?«

Er blinzelte.

«Glaubst du, daß er damit einfach so durch den Zoll spaziert ist?«

Er blinzelte.

«Oder daß er sich noch irgendwo in Norwegen aufhält?«

Arne öffnete den Mund und sagte widerstrebend:»Das weiß kein Mensch.«

Ich setzte meine Versuche fort.»Wenn ein Ausländer hier bei euch in ein Hotel geht, dann muß er ein Formular ausfüllen und seinen Paß vorlegen. Die Formulare sind für die Polizei bestimmt. Hat man sie dort mal durchgesehen?«

Pause.

«Ja«, sagte er dann.

«Und?«

«Bob Sherman hat kein Formular ausgefüllt.«

«Überhaupt keins? Aber was war, als er aus England hier ankam?«

«Er hat nicht im Hotel gewohnt.«

Geduld, dachte ich. Hab Geduld!

«Wo dann?«

«Bei Freunden.«

«Was für Freunden?«

Er überlegte. Ich wußte, daß Arne die Antwort kannte, und er wußte, daß er sie mir schließlich geben würde. Wahrscheinlich konnte er nichts dafür, daß sein Verstand auf diese Weise arbeitete, verdammt noch mal, schließlich war er von Beruf Ermittler.

Und ich war auch noch sein Lehrer gewesen!» Bevor Sie eine Frage beantworten, immer erst nachdenken. «Daran hielt er sich jetzt.

In den drei Monaten, die er in England verbracht hatte, um sich über die Arbeitsweise der Ermittlungsabteilung des Jockey Club zu informieren, waren wir allmählich Freunde geworden. Eine Zeitlang hatte er bei mir gewohnt, meistens waren wir zusammen zu den Rennen gefahren, und ständig hatte er Fragen gestellt und zugehört und beim Nachdenken geblinzelt. Das war vor drei Jahren gewesen. Aber zwei Minuten hatten ausgereicht, um die alten, herzlichen Gefühle der Wertschätzung und Nachsicht wieder aufleben zu lassen. Ich mag ihn, dachte ich, mehr wegen als trotz seiner kleinen Macken.

«Er hat bei Gunnar Holth gewohnt«, sagte er.

Ich wartete.

Nach zehn Sekunden fügte er hinzu:»Holth ist Trainer.«

«Ist Bob Sherman für ihn geritten?«

Diese wirklich simple Frage stürzte ihn in ein noch längeres Nachdenken als sonst, und erst nach längerem geistigem Schachspiel erwiderte er schließlich:»Bob Sherman hat diejenigen von Gunnar Holths Pferden geritten, die an Hürdenrennen teilnahmen, als er in Norwegen war. Ja. Diejenigen Pferde Holths, die bei Flachrennen liefen, als Sherman in Norwegen war, hat er nicht geritten.«

Herr, gib mir Kraft!

Arne war noch nicht fertig.»Bob Sherman ritt Pferde für die Rennbahn.«

Ich war verwirrt.»Wie meinst du das?«

Er ging erneut mit sich zu Rate und erhielt offensichtlich grünes Licht für eine erläuternde Antwort.

«Die Rennbahn zahlt ein paar ausländischen Jockeys zusätzliche Rennpreise, damit sie nach Norwegen kommen. Das macht die Rennen für die Zuschauer interessanter. Und so hat die Rennbahn auch Bob Sherman dafür bezahlt, daß er dort ritt.«

«Wieviel haben sie ihm gezahlt?«

Eine aufkommende Brise erzeugte auf der Wasseroberfläche des Fjords richtige kleine Wellen. Der Fjord südlich von Oslo ist keine von diesen schmalen Schluchten, wie man sie von den

>Komm ins schöne Norwegen! <-Plakaten her kennt, sondern eine breite Meeresbucht, die mit Felseninseln gesprenkelt ist und von den ausgedehnten Vororten der Hauptstadt gesäumt wird. Ein Küstendampfer stampfte in einer Entfernung von knapp einem Kilometer an uns vorbei, und sein Kielwasser versetzte unser Boot in ein leichtes Schwanken. Das uns am nächsten gelegene Ufer schien weiter weg denn je.

«Laß uns umkehren«, sagte ich übergangslos.

«Nein, nein. «Er hatte für derart ängstliche Vorschläge nichts übrig.»Sie haben ihm fünfzehnhundert Kronen gezahlt.«

«Mir ist kalt«, sagte ich.

Er sah überrascht auf.»Es ist doch noch nicht Winter.«

Ich gab ein Geräusch von mir, das halb Lachen und halb Zähneklappern war.»Sommer ist es aber auch nicht gerade.«

Er warf einen unbestimmten Blick in die Runde.»Bob Sherman hat hier in Norwegen sechsmal an Rennen teilgenommen«, sagte er.»Dies letzte war sein siebentes.«

«Bitte, Arne, erzähl mir im Hotel davon, ja?«

Er schenkte mir seine volle Aufmerksamkeit.»Was ist los?«

«Ich bin nicht schwindelfrei.«

Er sah mich verständnislos an. Ich nahm meine steifgefrorene Hand aus der Tasche, ließ sie über die Bordwand hängen und zeigte nach unten. Arnes Gesicht entspannte sich, als er begriff, und sein Mund, den er normalerweise argwöhnisch zusammenpreßte, verzog sich zu einem breiten Grinsen.

«Tut mir leid, David. Ich fühle mich halt auf dem Wasser pudelwohl. Wie im Schnee auch. Entschuldige.«

Er drehte sich sofort um und wollte den Außenbordmotor anwerfen, hielt dann aber inne und sagte:»Er könnte auch ganz einfach über die Grenze nach Schweden gefahren sein. Der Zoll dort würde sich für Kronen nicht interessieren.«

«Mit was für einem Auto?«fragte ich.