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Der Mann kehrte zurück und brachte einen Freund mit. Wie undankbar von mir, ihn so zu verkennen!

Der Begleiter spähte durch den Regen und fragte:»Sie sind Engländer? Haben Sie gesagt, daß Sie Engländer sind?«Sein Ton schien auszudrücken, daß die englische Nationalität solche Torheiten wie das oktoberliche Badengehen in Oberhemd und Unterhose oder das Herumliegen auf Bootsrampen automatisch erklärte.

«Ja«, erwiderte ich.

«Sind Sie über Bord gegangen?«

«In gewisser Weise.«

Ich spürte, wie er seine Hand unter meine Achsel schob.

«Kommen Sie. Raus aus dem Wasser!«

Ich quälte mich aus dem Wasser auf die Bootsrampe und kroch dann — mehr oder weniger mit Unterstützung meiner beiden Retter — bis zum Kai hinauf, der mit Pfosten und Geländer eingefaßt war. Ich saß, den Rücken an einen dieser Pfosten gelehnt, auf dem Boden und wünschte, ich hätte genug Kraft aufzustehen.

Die beiden Männer berieten sich auf norwegisch. Dann sagte der, der Englisch sprach:»Wir bringen Sie in mein Haus, damit Sie trocken und warm werden.«

«Danke«, sagte ich, und das kam bei Gott von Herzen.

Einer von ihnen ging wieder fort und kehrte mit einem alten, zerbeulten Lieferwagen zurück. Sie bestanden darauf, daß ich mich auf den Beifahrersitz setzte, obwohl ich anbot, nach hinten zu gehen und den Laderaum naß zu machen, und dann brachten sie mich auf schnellstem Weg zu einem ein paar hundert Meter entfernten Holzhaus, das in der Nähe von ein oder zwei anderen stand. Kein Dorf, keine Geschäfte, kein Telefon.

«Dies ist eine Insel«, erklärte mir mein Retter.»Einen Kilometer lang, dreihundert Meter breit. «Er nannte mir ihren Namen, den ich aber nicht ganz mitbekam.

Das Wohnzimmer war klein und hell. Es wurde von einem riesigen Kachelofen erwärmt, der mindestens ein Sechstel des Raumes einnahm. Im Licht der Stube erwies sich, daß mein Retter ein kleiner, freundlicher Mann mittleren Alters war, der seine Hände zum Arbeiten benutzte. Er schüttelte bei meinem Anblick den Kopf und brachte zuerst eine Decke herbei und dann, nach einigem Herumkramen, ein dickes Baumwollhemd und ein Paar Hosen.

«Sie sind kein Seemann«, sagte er in feststellendem Ton, während er zusah, wie ich mich von Hemd und Unterhose zu befreien suchte.

«Nein«, gab ich ihm recht.

Meine Brieftasche fiel zu Boden. Ich war ganz überrascht, daß sie noch da war — ich hatte sie völlig vergessen. Der nur norwegisch sprechende Retter hob sie höflich auf und reichte sie mir mit einem breiten Grinsen. Er sah seinem Freund sehr ähnlich.

Unterbrochen von nicht zu unterdrückenden Zitteranfällen erzählte ich ihnen, was passiert war, und fragte sie, wie ich in die Stadt zurückkommen könne. Sie besprachen die Sache, während ich mich anzog, wobei sie zuerst häufig den Kopf schüttelten, schließlich aber ein paarmal nickten.

«Wenn Sie sich aufgewärmt haben, bringen wir Sie mit dem Boot hin«, sagte derjenige, der Englisch sprach. Er sah zu der Brieftasche hin, die jetzt auf einem Tisch aus gewachstem Fichtenholz lag.»Wir möchten Sie nur bitten, uns den Sprit zu bezahlen. Wenn Ihnen das möglich ist.«

Wir zogen zusammen das durchweichte Geld heraus und breiteten es auf dem Tisch aus. Ich bat sie, sich soviel davon zu nehmen, wie sie wollten, aber nach einer kurzen Beratung wählten sie nur einen Fünfzigkronenschein. Ich drängte sie, die Summe zu verdoppeln. Es würde nicht soviel kosten, wehrten sie ab, legten aber schließlich doch zwei Scheine beiseite und trockneten den Rest für mich so schnell auf dem Ofen, daß sich die Ecken einrollten. Nach weiteren Beratungen gingen sie an einen Schrank und holten eine Flasche mit einer blaßgelben Flüssigkeit heraus. Der Flasche folgte ein kleines Gläschen, in das ein beschiedenes Schlückchen eingegossen wurde. Dann reichten sie mir das Glas.

«Skol!« sagten sie.

«Skol!« wiederholte ich.

Sie sahen mir interessiert beim Trinken zu. Mildes Brennen in der Kehle, Hitze im Magen, und schon bald breitete sich Wärme in den gefrorenen Adern aus.

Sie lächelten.

«Aquavit«, sagte mein Gastgeber und verstaute die kostbare Flasche wieder, auf daß sie für den nächsten bedürftigen Fremden bereitstehe, der an ihre Tür geschwommen kam.

Sie schlugen vor, ich sollte mich eine Weile auf den einzigen bequem aussehenden Stuhl setzen und mich ausruhen. Da verschiedene Muskeln immer noch vor Schwäche zitterten, schien mir das eine gute Idee zu sein, und so ruhte ich mich aus, während sie damit beschäftigt waren, Ölzeug herbeizuholen. Als sie mit Anziehen fertig waren, hatte meine Haut das häßliche bläulich-purpurne Weiß verloren und wieder ihre übliche Blässe angenommen.

«Fühlen Sie sich jetzt besser?«erkundigte sich mein Gastgeber lächelnd.

«Ganz entschieden.«

Die beiden nickten erfreut und hielten mir ein überzähliges Ölzeug hin, das ich jetzt haben konnte. Sie brachten mich in einem großen, übelriechenden Fischkutter durch den lichtergesäumten Fjord in die Stadt zurück, und es regnete die ganze Zeit. Ich rechnete während der Fahrt aus, daß ich etwa zwei Stunden im Wasser gewesen sein mußte, was nicht viel über die Strömungsverhältnisse im Fjord, die Ineffektivität meines Schwimmens oder die Entfernung, die ich zurückgelegt hatte, aussagte, immerhin aber zuverlässig bewies, daß das Wasser wärmer gewesen war als ein Grad über Null.

Kapitel 2

Sie warteten, bis ich mich im Grand Hotel umgezogen hatte, damit sie die mir geliehenen Sachen wieder mitnehmen konnten. Wir trennten uns mit einem warmen Händedruck und in großer Kameradschaftlichkeit, und erst als sie fort waren, fiel mir ein, daß ich sie gar nicht nach ihren Namen gefragt hatte.

Nur zu gerne wäre ich sofort ins Bett gegangen und hätte ein halbes Jahrhundert geschlafen, aber der Gedanke an Arnes Frau, die zu Hause saß und auf seine Heimkehr wartete, schob dem

einen Riegel vor. Ich brachte also die folgenden Stunden bei

verschiedenen norwegischen Behörden zu, denen ich berichtete, was sich ereignet hatte.

Als die Polizei damit fertig war, sich Notizen zu machen, und man mir sagte, sie würden jemanden schicken, um Mrs. Kristiansen zu verständigen, bot ich an, den Beamten zu begleiten. Man war damit einverstanden. Wir fuhren mit einem Polizeiwagen in eine wohlhabende, nicht weit vom

Stadtzentrum entfernte Straße und klingelten im ersten Stock eines großen Holzhauses an der Tür zur Wohnung C. Die junge Frau, die uns öffnete, hatte ein festes, freundliches, etwa dreißigjähriges Gesicht und sah uns aus klaren grauen Augen fragend an. Die Wohnung hinter ihr wirkte warm und

farbenfroh, und die Luft war voller Beethoven.

«Ist Mrs. Kristiansen zu Hause?«fragte ich.

«Ja«, antwortete sie.»Ich bin Mrs. Kristiansen.«

Ganz und gar nicht das, was ich erwartet hatte. Sonderbare Käuze wie Arne konnten eigentlich nicht mit schlanken, jungen Frauen, denen das dichte hellblonde Haar in leichten Locken auf die Schulter fiel, verheiratet sein. Ihr Blick wanderte von meinem weit weniger auffallenden Gesicht zu dem Polizisten

hinter mir, und ihre Augen weiteten sich.

«Mein Name ist David Cleveland«, sagte ich.»Ich war heute nachmittag mit Arne zusammen.«

«Ah, Sie sind das«, rief sie aus.»Kommen Sie doch herein. ich bin ja so froh.«

Sie hielt die Tür auf, drehte sich um und rief:»Arne! Arne, sieh mal, wer da ist.«

Er trat in den Flur. Sehr lebendig.

Wir starrten uns bestürzt an. Mein Gesicht muß die Überraschung und den Schock widergespiegelt haben, die ich auf seinem sah. Dann kam er mit ausgestreckter Hand auf mich zu, wobei sich sein Gesicht zum breitesten Lächeln aller Zeiten verzog.