Um diesen Handwerker hätte ich mich schon lang kümmern müssen, es aber aus Zeitmangel und anderweitigen Problemen bisher versäumt. Ich musste mir schnell etwas einfallen lassen und sagte Lisbeth, dass ich sie gleich zurückrufen würde.
Aus Verzweiflung und in Ermangelung besserer Ideen ging ich das Adressverzeichnis meines Handys durch. Kunden, Ärzte, Lisbeths Nummer, die Nummer meiner Oma, Gregs Nummer, die ich seit Monaten wählen wollte, mich aber nicht traute, und der Hausmeister.
Hausmeister? Wer verbarg sich denn hinter diesem Eintrag? Ich überlegte einen Moment, dann dämmerte es mir. Das musste mein Nachbar sein, der mir damals die Wohnung gezeigt hatte. Er erledigte auch Reparaturen am Haus, letzten Monat hatte er die Gegensprechanlage ausgetauscht. Ob der nicht…?
Als ich endlich bei meinem Haus ankam, war ich unter meiner Steppjacke nass geschwitzt.
Ich klingelte direkt an der Tür meines Nachbarn.
»Guten Tag, Frau Leyendecker«, sagte Herr Metzenrath.
»Ich habe ein Problem«, sagte ich nach einem kurzen Hallo. »Sie kennen nicht zufällig einen guten Elektriker?«
»Natürlich«, entgegnete er leicht entrüstet. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
Ich war verwirrt. Was meinte das Pantoffeltierchen damit?
Anscheinend hatte Herr Metzenrath meine Irritation bemerkt und setzte nach: »Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass ich hier als Hausmeister fungiere?«
Ach so, das meinte er. Eilig erklärte ich: »Nein, nicht ich habe ein Problem in meiner Wohnung. Ich habe ein kleines Unternehmen, das Dienstleistungen im Haushalt anbietet, und brauche für einen meiner Kunden einen Elektriker. Einen richtigen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Aber ich bin Elektriker«, erklärte mein Nachbar mit durchgedrücktem Rücken. »Meister!«
»Wirklich?«, fragte ich nach.
Er nickte würdevoll.
Vermutlich stammte sein Meisterbrief aus einer Zeit, in der noch Sütterlin geschrieben wurde.
»Was haben Sie denn für ein Problem?«, fragte mich Meister Metzenrath und lächelte mit schräg gelegtem Kopf.
Ich umriss es in knappen, natürlich laienhaften Worten.
Seine Augen strahlten. »Ich habe dreißig Jahre in Eindhoven gearbeitet. Bei Philips, Sie wissen schon.«
Ich wusste leider nicht, und das sah man mir wohl auch an.
»Wir haben schon in den Siebzigern das Haus der Zukunft entwickelt. Intelligentes Home-Management, vernetzte Hausgeräte und solche Sachen.«
Haus der Zukunft? Siebzigerjahre? Der Tonfall meines Nachbarn wurde jetzt drängender.
»Einige der Steuerungen, die dieser Kunde in seinem Haus hat, habe ich vermutlich selbst mit entwickelt.« Er strahlte, als habe er mir gerade die Lottozahlen vorhergesagt. »Na ja«, lenkte er ein, »natürlich gab es immer einen leitenden Ingenieur im Team, aber wenn man eine Idee wirklich in die Tat umsetzen will…«
Ich hatte jetzt wirklich keine Zeit, mir die Organisationsdiagramme niederländischer Entwicklungsteams erläutern zu lassen, freute mich aber wie eine Schneekönigin, einem früheren Mitglied derselben gegenüberzustehen, und fragte hastig: »Haben Sie ein Auto?«
»Oh. Nein.« Herr Metzenrath ließ die Schultern hängen.
»Aber Werkzeug haben Sie da?«
Er nickte, wieder etwas hoffnungsvoller.
Ich überlegte. Am Auto musste es nicht scheitern, ich konnte ihn schnell zu Lisbeth fahren.
»Suchen Sie ihr Werkzeug zusammen, ich bin gleich wieder da.«
Ich spurtete in meine Wohnung, zog meine Jeans aus und Businessklamotten an, da ich gleich weiter musste zu einem Akquisetermin, und trat wieder auf den Bürgersteig. Drei große Werkzeugkoffer standen vor meinem Auto.
»Machen Sie doch bitte den Kofferraum auf, dann kann ich schon mal einladen.«
Ich blickte sprachlos zwischen meinem Nachbarn und seinen Werkzeugkisten hin und her.
»Geben Sie mir den Schlüssel.«
Er versuchte, mir den Autoschlüssel aus der Hand zu nehmen, aber ich krampfte die Finger darum, als ginge es um Leben und Tod. Was ja gewissermaßen auch den Tatsachen entsprach.
»Das können Sie doch auf die Rückbank stellen«, sagte ich.
»Besser nicht, die Kisten sind untendrunter schmutzig und rau. Sie könnten die Polster beschädigen.«
»Haben Sie keine Decke, die Sie drunterlegen können?«
»Nein. Warum auch? Wir stellen sie in den Kofferraum. Da sind sie auch leichter hinein- und herauszuheben.«
Er hatte immer noch die Hand nach dem Autoschlüssel ausgestreckt.
»Der Kofferraum ist voll.«
»Oh, haben Sie Getränkekisten drin? Die kann ich Ihnen ja schnell in die Wohnung bringen.«
Ich starrte ihn wie ein hypnotisiertes Karnickel an, machte den Mund auf, aber mir fiel nichts mehr ein.
»Äh, nein«, brachte ich nur raus.
Ich schloss für einen Moment die Augen, öffnete sie wieder und griff nach dem Handy.
»Ich rufe Ihnen besser ein Taxi.«
Wie Lisbeth mir später in ihrer unvergleichlichen Art berichtete, beugte sich Herr Metzenrath nach seiner Ankunft in Herrn Webers »Haus der Zukunft« über den eineinhalb Quadratmeter großen Schaltplan, der die Verkabelung der futuristischen Wohnstätte darstellte, und studierte diesen ungefähr vier Minuten lang völlig reglos. Dann ließ er sich von Lisbeth den Hauptverteilerkasten zeigen, fragte, welche Funktion sie heute nicht bräuchte, denn offenbar sei die Hauptleitung schlicht und einfach von der Menge der Stromverbraucher überlastet, und klemmte die automatische Feuchtemessung der Blumenbeete ab, die angesichts der Schneefälle der vergangenen Tage sowieso überflüssig war. Bei der Kühlschranküberwachung verlängerte er die Übertragungsintervalle zur elektronischen Einkaufsliste von dreißig Minuten auf acht Stunden und die automatische Rollladenfunktion würde ab sofort nur noch zwischen achtzehn Uhr abends und acht Uhr morgens in Fünfzehn-Minuten-Intervallen gemessen. Er wechselte die durchgebrannte Sicherung aus und klemmte zwei weitere Stromverbraucher von der Sicherung des Küchenbereichs ab und an die Umwälzpumpe des Gartenteichs an, da an diesem Regelkreislauf noch Kapazität vorhanden war.
Lisbeth wäre nicht sie selbst, wenn sie sich nicht alle diese Details bis ins Letzte gemerkt und auf der entsprechenden Karteikarte vermerkt hätte, damit sie erstens dem Kunden Rede und Antwort stehen und zweitens bei einem ähnlichen Problem demnächst bereits ein gewisses Vorwissen zur Verfügung stellen könnte.
Mit Herrn Metzenrath schien sie gut auszukommen, denn er durfte ihr nach Erledigung der elektrischen Umbauarbeiten sogar bei der Vorbereitung der Häppchen helfen. Ausnahmsweise natürlich nur, da sie wegen des technischen Problems etwas in Zeitverzug gekommen war.
Mit triefender Nase, tränenden Augen und flatternden Nerven absolvierte ich meine Akquisetermine. Termin Nummer eins und zwei waren Routine, Termin Nummer drei begann damit, dass ich die angegebene Adresse nicht fand. Moorenstraße fünf. Das war irgendein Institut, dessen Namen ich am Telefon nicht richtig verstanden hatte, auf dem Gelände der Uniklinik Düsseldorf. Oder war das ein anderer Kunde gewesen? Ich war mir, bei all den Telefonaten der letzten Tage, nicht mehr sicher, ob ich immer die richtigen Stimmen den richtigen Terminen zuordnete. War das der Typ gewesen, der mich im Auto erreicht hatte? An das Telefonieren während der Fahrt über die Freisprecheinrichtung musste ich mich erst noch gewöhnen. Oder der Interessent mit dem Baulärm im Hintergrund? Ich erinnerte mich nicht, versuchte nur, den hingekritzelten Richtungsangaben zu folgen, und hatte mich bald hoffnungslos verfahren. Ich hielt an, als ich zwei Frauen in weißen Kitteln über die Straße hasten sah.