«Nein«, antwortete sie zögernd.
«Dann ist’s doch gut, daß ich nichts davon gesagt habe.«
«Und Sie haben mich absichtlich irregeführt, als Sie sagten, Sie wollten Offen entlasten. Das hatten Sie gar nicht vor.«
«Hm — nein. Aber ich wollte, daß Sie sich ihm gegenüber ganz normal benehmen. Und außerdem — was soll das ganze Theater?«
«Wir dachten«, begann Lynnie mit unterdrückter Stimme,»wir dachten beinahe… Sie sind so lange weggeblieben… daß Sie. daß man.«
«Sie haben mir nichts getan«, erklärte ich lächelnd.
«Aber wollen Sie uns das nicht bitte erklären?«fragte Lynnie.»Warum wollten Sie, daß ich Sie auf diese Weise verriet?«
«Das hat mehrere Gründe. Zunächst ging es um Daves Sicherheit.«
«Das begreife ich nicht«, sagte Eunice.
«Offen sollte wissen — und es den Clives mitteilen —, daß wir die Anwesenheit der beiden in England beweisen können; sie sind auf dem Bild zu sehen, das bei dem Ausflug an die Themse geknipst wurde. Ein als Unfall getarnter Mord ist nur so lange sinnvoll, wie es kein erkennbares Motiv gibt und der Mörder nicht mit dem Opfer in Verbindung gebracht werden kann. Wir haben ihnen nun gezeigt, daß wir sowohl über das Motiv wie auch über die Verbindung Bescheid wissen. Sie wissen jetzt, daß sie die Hauptverdächtigen wären, wenn Dave etwas zustieße. Dadurch wird es höchst unwahrscheinlich, daß sie es noch einmal versuchen.«
«Teufel!«stieß Lynnie hervor.»Weiter!«
«Als Walt und ich heute morgen auf der Orpheus-Farm herum stöberten und angeblich eine Untersuchung wegen der Feuerversicherung anstellten, da machte Offen sich noch keine Sorgen. Natürlich erkannte er mich da auch noch nicht. Das war ja, bevor Sie Offen die Fotos gezeigt hatten. Er zeigte sich aber in keiner Weise davon beunruhigt, daß plötzlich zwei Fremde auftauchten, um unter einem Vorwand, den er nicht einmal nachprüfte, herumzuschnüffeln. Nichts von der Nervosität, die man eigentlich erwarten sollte, nachdem ihm gerade ein gestohlenes Pferd wieder abgenommen worden war, während er zwei weitere auf seinem Hof stehen hatte. Das gefiel mir nicht. Etwas daran stimmte nicht.«
«Also hat er sie nicht«, sagte Eunice erleichtert.»Ich konnte mir auch nicht vorstellen, daß Culham James Offen Pferde stiehlt! Ich meine, er ist ein so angesehener Mann.«
Walt und ich tauschten einen unbemerkten amüsierten Blick. Ansehen ist die denkbar beste Tarnung für Betrug. Ohne Ansehen könnte es praktisch keinen Betrug auf der Welt geben.
Ich fuhr fort:»Ich wollte ihn deshalb wissen lassen, daß ich mich besonders für Moviemaker und Centigrade interessiere, und daß ich nicht mit Feuerversicherungen zu tun habe, sondern im Gegenteil der Mann bin, dem er den Verlust von Chrysalis zu verdanken hat. Nachdem ihr beide weggefahren wart, ging ich noch einmal zu ihm, aber er machte sich immer noch keine Sorgen. Im Gegenteil. Die Situation schien ihm ausgesprochen Spaß zu machen. Ich stellte ihm eine Menge Fragen hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen für Moviemaker und Centigrade, und er zeigte sich immer noch völlig ungerührt. «Ich hielt inne.
«Das läßt nur einen Schluß zu: Die beiden Hengste, die er in seinem Stall stehen hat, sind tatsächlich genau das, was sie sein sollen: Moviemaker und Centigrade. Schnüffler stören ihn nicht, und ich mit meinen offenkundigen Dieb stahl svorberei-tungen konnte auch keinen Eindruck auf ihn machen. Er muß demnach ganz sicher sein, vor Gericht beweisen zu können, daß die beiden Hengste echt sind. Bei einem Diebstahlsversuch würde er mich schnappen und in echte Schwierigkeiten bringen. Das wäre für ihn dann ein kleiner Ausgleich für den Verlust von Chrysalis.«
Walt nickte kurz.
Eunice sagte beharrlich:»Nach meiner Meinung beweist das alles nur, daß Sie den falschen Baum anbellen. Er macht sich deshalb keine Sorgen, weil er sich einfach nichts zuschulden hat kommen lassen.«
«Er hat Ihnen also gut gefallen?«
«Ja«, antwortete sie.»Er war verdammt nett zu uns.«
Lynnie nickte.»Der Meinung bin ich auch.«
«Wie verhielt er sich, als Sie ihm die Fotos zeigten?«
«Erst hat er nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen, dann nahm er sie mit ans Fenster«, antwortete Lynnie.
«Dann fragte er mich, wer die Bilder aufgenommen hätte, wann und wo. Ich erzählte ihm von dem Ausflug an die Themse, und wie Sie und Dave über das Wehr gegangen sind.«
Eunice lächelte mich von der Seite an: >Ich hab’s ja gleich gesagt!<
«Er machte ein paar nette Bemerkungen über Sie«, schloß Lynnie.»Ich erzählte ihm dann noch, Sie seien nach Amerika gekommen, um Chrysalis zu suchen, und hätten das auf irgendeine Weise auch geschafft.«
«Er erkundigte sich, wo Sie ihn entdeckt hätten«, fügte Eunice hinzu.»Aber das wußten wir ja nicht. Ich sagte, nun suchten Sie nach Allyx, und auch das störte ihn überhaupt nicht. Ich bin überzeugt, daß Sie sich täuschen.«
Ich lächelte sie an. Sie wollte gar nicht, daß der Hengst gefunden wurde. Als Verbündete war sie genauso zuverlässig wie dünnes Eis an einem sonnigen Tag. Ich nahm mir vor, ihr in Zukunft nichts mehr zu erzählen, was ich nicht an Offen weitergetragen haben wollte. Wie die meisten gesetzestreuen Bürger konnte sie sich einfach nicht vorstellen, daß man einem Menschen die kriminelle Neigung nicht ansehen konnte und daß sich ein liebenswürdiges Äußeres durchaus mit Betrug und Mord vertrug.»So ein netter Mensch!«sagen die Nachbarn erschüttert, wenn sich herausstellt, daß im Garten von Mr. Smith ein Dutzend ermordete Frauen vergraben sind.»Und immer so freundlich…«
Eunice war beherrscht von dem halb unbewußten Wunsch, daß Allyx nicht aufgefunden würde. Dabei konnte es sein, daß sie Offen alles offenbarte, einfach deshalb, weil sie nicht glaubte, daß ein so >liebenswerter< Mensch eine tödliche Gefahr darstellen konnte. Vielleicht trieb sie dabei auch derselbe Impuls, der sie veranlaßt hatte, die Pistole auf mich zu richten.
«Gehen wir essen«, schlug ich vor. Eunice und Lynnie gingen ihre Toilette auffrischen.
Walt sah mich gedankenvoll an, dann wanderten seine Augenbrauen fragend in die Höhe.
Ich nickte.»Ich hab’ ihm ein Abhörmikrofon unter die Tischplatte geklebt, nur eine Armlänge vom Telefon entfernt. Ich habe mich deshalb verspätet, weil ich noch lauschte. Er rief Yola an und berichtete ihr über meinen Besuch, aber sonst war nichts. Ich habe den Empfänger in einem Versteck zurückgelassen und bin hierher gefahren.«
«Glauben Sie, diese beiden Hengste sind tatsächlich Moviemaker und Centigrade?«
«Klar. Vergessen Sie nicht, er hat sie ganz offiziell erstanden. Und anscheinend hat er sie auch behalten. Er konnte ja nie sicher sein, ob nicht ein früherer Besitzer sie besuchen kam. Diese Pferde bekommen eine Kennummer eintätowiert, ehe sie
zum ersten Rennen starten. Das ist doch hier Vorschrift, wie? Es wird sich leicht nachweisen lassen, daß sie echt sind.«
«Aber Sie glauben doch auch nicht, daß Mrs. Teller recht hat
— daß er Allyx und Showman demnach nie besessen hat?«
«Bei Gelegenheit spiele ich Ihnen sein Telefongespräch mit Yola vor. Er war vorsichtig genug, die beiden Hengste von der Orpheus-Farm verschwinden zu lassen, als wir Chrysalis erwischten. Heute morgen hat er unseren Besuch mehr oder weniger erwartet. Ich fürchte, Culham James können wir nicht viel anhängen. - Walt, haben Sie Eunice und Lynnie irgendwelche Einzelheiten über unseren Ausflug in die Teton-Berge erzählt?«
Er schien sich in seiner Haut nicht recht wohl zu fühlen.
«Ich war über Sie verärgert.«
«Was haben Sie den beiden genau erzählt?«
«Nicht viel. Ich war entsetzt, als ich hörte, daß Lynnie Offen die Fotos gezeigt hat, wo die Clives mit drauf sind. Als Mrs. Teller auch noch sagte, Sie hätten das bewußt geplant, da habe ich Sie für völlig verrückt gehalten — weil die Clives Sie schon einmal umzubringen versuchten. Das habe ich den beiden gesagt.«