Выбрать главу

Ian und Doc unterhielten sich murmelnd über irgendetwas anderes. Im Wesentlichen brachte Ian Doc auf den neuesten Stand, was so in der Höhle los war.

»Was ist mit Wandas Gesicht passiert?«, flüsterte Doc, aber ich konnte ihn problemlos verstehen.

»Das Gleiche wie immer«, sagte Ian mit belegter Stimme.

Doc machte ein leises trauriges Geräusch und schnalzte mit der Zunge.

Ian erzählte ihm von der angespannten Stimmung im Unterricht heute, von Geoffreys Fragen.

»Es wäre nicht schlecht, wenn Melanie von einer Heilerin besetzt worden wäre«, dachte Doc laut nach.

Ich zuckte zusammen, aber sie standen hinter mir und bemerkten es anscheinend nicht.

»Wir können von Glück sagen, dass es Wanda war«, verteidigte Ian mich murmelnd. »Niemand sonst ...«

»Ich weiß«, unterbrach ihn Doc gutmütig wie immer. »Wahrscheinlich sollte ich eher sagen, es ist schade, dass Wanda sich nicht stärker fürs Heilen interessiert hat.«

»Tut mir leid«, murmelte ich. Es war wirklich gedankenlos, von perfekter Gesundheit zu profitieren, ohne sich jemals dafür zu interessieren, wo sie herkam.

Eine Hand berührte mich an der Schulter. »Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest«, sagte Ian.

Jamie war auffallend still. Ich sah mich nach ihm um - und entdeckte ihn zusammengerollt auf dem Feldbett, auf dem Doc vorher geschlafen hatte.

»Es ist schon spät«, stellte Doc fest. »Walter ist morgen auch noch hier. Ihr solltet zusehen, dass ihr etwas Schlaf bekommt.«

»Wir kommen wieder«, versprach Ian. »Lass uns wissen, was wir euch beiden mitbringen können.«

Ich legte Walters Hand aufs Bett und tätschelte sie behutsam. Er schlug die Augen auf und musterte mich wacher als zuvor.

»Gehst du schon?«, keuchte er. »Musst du wirklich schon weg?«

Ich griff schnell wieder nach seiner Hand. »Nein, ich muss nicht weg.«

Er lächelte und schloss die Augen wieder. Seine Finger schlossen sich mit letzter Kraft um meine.

Ian seufzte.

»Geh ruhig«, sagte ich. »Es macht mir nichts aus. Bring Jamie in sein Bett.«

Ian sah sich im Raum um. »Warte einen Augenblick«, sagte er und griff dann nach dem Feldbett, das ihm am nächsten stand. Es war nicht schwer - er hob es mit Leichtigkeit an und schob es neben Walters. Ich streckte meinen Arm so weit aus, wie es ging, damit Ian das Feldbett darunter platzieren konnte, und versuchte dabei Walter nicht zu stören. Dann hob Ian mich genauso mühelos hoch und legte mich auf das Feldbett neben ihn. Walter hielt die Augen fest geschlossen. Ich schnappte leise nach Luft. Dass mich Ian so unbekümmert anfasste - als sei ich ein Mensch -, traf mich unvorbereitet.

Ian wies mit dem Kinn auf Walters Hand, die sich um meine klammerte. »Glaubst du, du kannst so schlafen?«

»Ja, ganz bestimmt.« »Dann schlaf gut.« Er lächelte mich an, drehte sich um und hob Jamie von dem anderen Feldbett. »Na, dann los, Junge«, murmelte er und trug den Jungen so mühelos, als wäre er ein kleines Kind. Ians leise Schritte verklangen in der Ferne, bis ich sie nicht mehr hören konnte.

Doc gähnte und setzte sich hinter den Schreibtisch, den er aus Holzkisten und einer Aluminiumtür gebastelt hatte. Die kleine Lampe nahm er mit.

Walters Gesicht lag jetzt im Dunkeln, so dass ich es nicht sehen konnte, was mich nervös machte. Es war, als sei er bereits gestorben. Ich tröstete mich mit seinen Fingern, die immer noch steif um meine geschlungen waren.

Doc begann in einigen Papieren zu blättern und fast unhörbar vor sich hin zu summen. Das leise Rascheln schläferte mich ein.

Am Morgen erkannte Walter mich.

Er wachte erst auf, als Ian auftauchte, um mich zu holen; das Maisfeld musste von den alten Halmen befreit werden. Ich versprach Doc, ihm Frühstück zu bringen, bevor ich mit der Arbeit begann. Erst ganz zum Schluss befreite ich vorsichtig meine tauben Finger aus Walters Griff.

Er öffnete die Augen. »Wanda«, flüsterte er.

»Walter?« Ich war nicht sicher, wie lange er mich erkennen würde oder ob er sich an gestern erinnerte. Seine Hand griff ins Leere, also gab ich ihm meine linke, die noch nicht abgestorben war.

»Du bist mich besuchen gekommen. Das ist nett. Ich weiß ... jetzt, wo die anderen zurück sind ... muss es schwer sein ... für dich ... Dein Gesicht...«

Es schien ihm schwerzufallen, die Sätze zu formulieren, und seine Augen blickten abwechselnd mich an und dann wieder ins Leere. Es sah ihm ähnlich, dass die ersten Worte, die er an mich richtete, voller Besorgnis waren.

»Es ist alles in Ordnung, Walter. Wie fühlst du dich?« »Äh ...« Er stöhnte leise. »Nicht so ... Doc?«

»Ich bin hier«, murmelte Doc dicht hinter mir. »Hast du noch etwas zu trinken?«, keuchte Walter. »Natürlich.«

Doc war vorbereitet. Er hielt die Öffnung einer dickwandigen Glasflasche an Walters schlaffe Lippen und goss ihm die dunkelbraune Flüssigkeit vorsichtig in kleinen Portionen in den Mund. Walter zuckte bei jedem Schluck, der ihm in der Kehle brannte zusammen. Etwas tropfte ihm aus dem Mundwinkel auf des Kissen. Der Geruch stach mir in die Nase.

»Besser?«, fragte Doc, nachdem er ihm eine ganze Weile die Flasche an den Mund gehalten hatte.

Walter grunzte. Es klang nicht wie Zustimmung. Er schloss die Augen.

»Noch mehr?«, fragte Doc.

Walter zog eine Grimasse und stöhnte dann.

Doc fluchte leise vor sich hin. »Wo bleibt bloß Jared?«, murmelte er.

Beim Klang seines Namens spannten sich meine Muskeln. Melanie horchte auf und ließ sich dann wieder treiben. Walters Gesicht erschlaffte. Sein Kopf kippte nach hinten.

»Walter?«, flüsterte ich.

»Seine Schmerzen sind zu stark, um bei Bewusstsein zu bleiben. Lass ihn«, sagte Doc.

Ich verspürte einen Kloß im Hals. »Was kann ich tun?« Docs Stimme klang verzweifelt. »Genauso viel wie ich. Nämlich nichts. Ich bin nutzlos.«

»Sag so was nicht, Doc«, hörte ich Ian murmeln. »Es ist nicht dein Fehler. Die Welt funktioniert nicht mehr so wie früher. Niemand erwartet mehr von dir.«

Meine Schultern fielen herab. Nein, ihre Welt funktionierte nicht mehr so wie früher.

Ein Finger klopfte auf meinen Arm. »Gehen wir«, flüsterte Ian. Ich nickte und begann erneut, meine Hand loszumachen. Walter schlug die Augen auf, ohne etwas wahrzunehmen. »Gladdie? Bist du da?«, flehte er. »Ähm ... ich bin hier«, sagte ich unsicher und ließ ihn seine Finger um meine schließen.

Ian zuckte mit den Schultern. »Ich hole euch beiden was zu essen«, flüsterte er und ging.

Ungeduldig wartete ich auf seine Rückkehr; Walters

Verwechslung machte mich nervös. Er murmelte immer wieder Gladys' Namen, aber er wollte anscheinend nichts weiter von mir, wofür ich dankbar war. Nach einer Weile, einer halben Stunde vielleicht, begann ich auf Ians Schritte im Tunnel zu lauschen und mich zu fragen, warum er wohl so lange brauchte.

Doc stand die ganze Zeit neben seinem Schreibtisch und starrte mit hängenden Schultern ins Leere. Es war deutlich zu sehen, wie nutzlos er sich fühlte.

Und dann hörte ich etwas, aber es waren keine Schritte. »Was ist das?«, fragte ich Doc flüsternd. Walter war wieder ruhig, vielleicht bewusstlos. Ich wollte ihn nicht stören.

Doc drehte sich zu mir um und legte gleichzeitig den Kopf schief, um zu lauschen.

Das Geräusch war ein merkwürdiges Dröhnen, ein schnelles, schwaches Hämmern. Ich hatte den Eindruck, es würde ein bisschen lauter, aber dann klang es doch wieder leiser.

»Komisch«, sagte Doc. »Hört sich fast an wie ...« Er schwieg und runzelte konzentriert die Stirn, während das ungewohnte Geräusch verschwand.

Wir lauschten angestrengt und hörten daher die Schritte, als sie noch weit entfernt waren. Sie passten nicht zu dem erwarteten ruhigen Gang des zurückkehrenden Ian. Er lief - nein, rannte. Das kündigte Schwierigkeiten an, und Doc reagierte augenblicklieh. Er eilte nach draußen, um Ian entgegenzugehen. Ich wünschte, ich könnte ebenfalls nachschauen, was los war, aber ich wollte Walter nicht aufregen, indem ich erneut meine Hand losmachte. Ich versuchte stattdessen mitzuhören, was draußen vor sich ging. »Brandt?«, hörte ich Doc überrascht sagen.