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Jamie schlief tief und fest, am oberen Ende der Matratze zusammengerollt. Normalerweise nahm er mehr Raum ein, aber im Moment war das nicht möglich. Ian belegte ausgestreckt den restlichen Platz, seine Füße und Hände hingen an allen vier Seiten über den Rand der Matratze.

Aus irgendeinem Grund fand ich das ungeheuer komisch. Ich musste auf meine Faust beißen, um das Lachen zurückzuhalten, als ich schnell nach meinem alten, dreckverfärbten T-Shirt und meinen Shorts griff. Ich huschte schnell zurück in den Gang, wobei ich immer noch das Kichern unterdrückte.

Du bist ja total überdreht, erklärte mir Melanie. Du brauchst dringend Schlaf.

Ich schlafe später. Wenn ... Ich konnte den Gedanken nicht zu Ende denken. Er machte mich sofort wieder ernst und alles war wieder still.

Ich beeilte mich immer noch, als ich zum Bad lief. Ich vertraute Doc, aber ... Vielleicht würde er seine Meinung ändern. Vielleicht würde Jared dagegen argumentieren. Ich durfte mir nicht den ganzen Tag Zeit lassen.

Ich glaubte, ein Geräusch hinter mir zu hören, als ich die krakenartige Verzweigung erreichte, wo alle Schlafzimmerflure aufeinandertrafen. Ich sah mich um, aber ich konnte in der spärlich beleuchteten Höhle niemanden sehen. Die Leute begannen langsam aufzuwachen. Bald war es Zeit fürs Frühstück und einen weiteren Arbeitstag. Wenn sie mit dem Mais fertig waren, mussten sie das östliche Feld umgraben. Vielleicht würde ich Zeit zum Helfen haben ... später ...

Ich ging den Gang zu den unterirdischen Flüssen entlang, wobei ich an eine Million andere Orte dachte. Ich schien mich auf nichts konzentrieren zu können. Jedes Mal, wenn ich über eine Sache nachdachte - Walter, Jared, Frühstück, Arbeit, Baden -, lenkte mich ein anderer Gedanke innerhalb kürzester Zeit wieder ab. Melanie hatte Recht, ich brauchte Schlaf. Sie war genauso durcheinander. Ihre Gedanken drehten sich alle um Jared, aber sie konnte sie ebenso wenig ordnen.

Ich hatte mich inzwischen an das Badezimmer gewöhnt. Die völlige Schwärze darin machte mir nichts mehr aus. So viele Orte in diesem Höhlensystem waren schwarz; die Hälfte des Tages verbrachte man hier in Dunkelheit. Außerdem war ich schon oft hier gewesen und es hatte nie etwas unter der Wasseroberfläche gelauert, um mich in die Tiefe zu ziehen, Ich wusste allerdings, dass ich nicht viel Zeit zum Baden hatte. Die anderen würden bald aufstehen und einige von ihnen begangen den Tag gerne mit einem Bad. Ich machte mich an die Arbeit, wusch erst mich selbst und dann meine Kleider. Ich schrubbte energisch mein Hemd und wünschte, ich könnte meine Erinnerung an die letzten beiden Nächte herausschrubben. Meine Hände brannten, als ich fertig war; am schlimmsten waren die Risse auf meinen Fingerknöcheln. Ich spülte sie mit Wasser ab, was jedoch keinen großen Unterschied machte. Seufzend kletterte ich aus dem Becken, um mich anzuziehen.

Meine trockenen Kleider lagen auf den losen Steinen in der hinteren Ecke. Ich stieß versehentlich mit dem nackten Fuß gegen einen Stein, fest genug, dass es weh tat und der Stein laut durch den Raum kollerte, von der Wand abprallte und mit einem Platschen und Gurgeln im Becken landete. Bei dem Geräusch schreckte ich zusammen, obwohl es verglichen mit dem Rauschen des heißen Flusses im Vorraum gar nicht so laut war.

Ich fuhr gerade mit den Füßen in meine abgetragenen Turnschuhe, als meine Zeit um war.

»Klopf, klopf«, rief eine vertraute Stimme vom dunklen Eingang her.

»Guten Morgen, Ian«, sagte ich. »Ich bin gerade fertig. Hast du gut geschlafen?«

»Ian schläft noch«, antwortete Ians Stimme. »Ich bin mir allerdings sicher, dass er das nicht ewig tun wird, also beeilen wir uns besser.«

Eissplitter nagelten meine Gelenke fest. Ich konnte mich nicht von der Stelle rühren. Ich konnte nicht atmen.

Ich hatte es früher schon bemerkt, aber dann während Kyles wochenlanger Abwesenheit wieder vergessen: Ian und sein Bruder sahen sich nicht nur unglaublich ähnlich, sondern wenn Kyle in normaler Lautstärke sprach, was selten vorkam, hatten sie auch genau dieselbe Stimme.

Ich bekam keine Luft. Ich war in diesem schwarzen Loch gefangen, mit Kyle an der Tür. Es gab keinen Ausweg.

Sei still!, kreischte Melanie in meinem Kopf.

Das konnte ich. Ich hatte nicht genug Luft, um zu schreien.

Hör hin!

Ich tat, was sie mir sagte, und versuchte mich durch die Angst hindurch zu konzentrieren, die sich wie Millionen kleiner Eisspeere in meinen Kopf bohrte. Ich konnte nichts hören. Wartete Kyle auf eine Antwort? Schlich er schweigend im Raum umher? Ich lauschte angestrengt, aber das Rauschen des Flusses verschluckte jedes Geräusch.

Schnell, nimm dir einen Stein!, befahl Melanie. Wozu?

Ich sah mich mit einem rauen Stein Kyles Schädel einschlagen.

Das kann ich nicht!

Dann werden wir sterben!, schrie sie mich an. Ich kann es! Lass mich es tun!

Es muss doch einen anderen Weg geben, jammerte ich, aber ich zwang meine festgefrorenen Knie, sich zu beugen. Meine Hände tasteten in der Dunkelheit umher und stießen auf einen großen, spitzen Stein und eine Handvoll Kiesel.

Kämpfen oder fliehen.

Verzweifelt versuchte ich Melanie zu befreien, sie herauszulassen. Ich konnte die Tür nicht finden - meine Hände waren immer noch meine und umklammerten nutzlos die Steine, die ich niemals in Waffen würde verwandeln können.

Ein Geräusch. Ein kleines Platschen, als etwas den Wasserlauf betrat, der vom Becken in Richtung Latrine floss. Nur ein paar Meter entfernt.

Gib mir meine Hände!

Ich weiß nicht, wie! Nimm sie dir!

Ich versuchte dicht an der Wand entlang auf den Ausgang zuzuschleichen. Melanie versuchte angestrengt, einen Ausweg aus meinem Kopf zu finden, aber sie bekam die Tür auch von ihrer Seite nicht auf.

Wieder ein Geräusch. Nicht im Wasserlauf. Ein Atmen, neben dem Ausgang. Ich erstarrte, wo ich war.

Wo ist er?

Ich weiß es nicht!

Dann konnte ich wieder nichts weiter hören als den Fluss. War Kyle allein? Stand jemand an der Tür, um mich abzupassen, wenn er mich um das Becken gescheucht hatte? Wie nah war Kyle jetzt?

Ich spürte, wie sich auf meinen Armen und Beinen eine Gänsehaut bildete. Es war eine Art Druck in der Luft, als könnte ich seine leisen Bewegungen spüren. Die Tür. Ich drehte mich halb um und zog mich in die Richtung zurück, aus der ich gekommen war, weg von dort, wo ich das Atmen gehört hatte.

Er konnte nicht ewig warten. Wie er selbst schon gesagt hatte, blieb ihm nicht viel Zeit. Es konnte jeden Moment jemand kommen. Allerdings hatte er die besseren Karten: Es gab weniger Leute, die ihn zurückhalten würden, als Leute, die das hierfür das Beste hielten. Und von denen, die bereit waren, ihn zurückzuhalten, wäre kaum jemand dazu in der Lage. Nur Jeb und sein Gewehr würden etwas ausrichten können. Jared war mindestens so stark wie Kyle, aber Kyle war entschlossener. Jared würde vermutlich nicht gegen ihn kämpfen.