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»Ich glaube schon. Ich habe allerdings meinen Kopf noch nicht bewegt.«

»Glaubst du, dass das Morphium dir so schlecht bekommt oder Melanies Körper?«

»Mel. Sie verträgt kaum ein Schmerzmittel. Das weiß sie, seit sie sich vor zehn Jahren das Handgelenk gebrochen hat.«

Er dachte einen Moment lang darüber nach. »Das ist so ... seltsam. Es mit zwei Leuten gleichzeitig zu tun zu haben.«

»Sehr seltsam«, stimmte ich ihm zu.

»Hast du inzwischen Hunger?«

Ich lächelte. »Ich glaube, ich rieche Brot. Ja, ich denke, mein Magen hat das Schlimmste überstanden.«

»Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest.«

Sein Schatten ließ sich neben mir nieder. Er tastete nach meiner Hand, bog meine Finger auf und legte ein vertrautes rundes Brötchen hinein.

»Hilfst du mir auf?«, fragte ich.

Vorsichtig legte er mir den Arm um die Schultern und klappte meinen ganzen steifen Oberkörper hoch, um so den Schmerz in meiner Seite möglichst gering zu halten. Ich konnte dort etwas Fremdes auf der Haut spüren, fest und hart.

»Danke«, sagte ich ein wenig atemlos. In meinem Kopf drehte sich alles. Mit meiner freien Hand berührte ich vorsichtig meine Seite. Irgendetwas klebte unter dem Hemd auf meiner Haut. »Sind meine Rippen wirklich gebrochen?«

»Doc ist sich nicht sicher. Er tut, was er kann.«

»Er gibt sich solche Mühe.« »Allerdings.«

»Es tut mir leid ... dass ich ihn anfangs nicht mochte«, räumte ich ein.

Ian lachte. »Natürlich mochtest du ihn nicht. Ich wundere mich, dass du überhaupt irgendeinen von uns mögen kannst.«

»Es ist wohl eher umgekehrt«, murmelte ich und versenkte meine Zähne in das harte Brötchen. Ich kaute mechanisch und schluckte. Dabei legte ich das Brötchen wieder hin, um abzuwarten, wie der Bissen in meinem Magen ankam.

»Nicht besonders lecker, ich weiß«, sagte Ian.

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich will nur erst ausprobieren, ob die Übelkeit wirklich weg ist.«

»Vielleicht willst du lieber etwas Attraktiveres ...«

Ich sah ihn neugierig an, konnte aber sein Gesicht nicht sehen. Ein lautes Knistern und ein reißendes Geräusch waren zu hören ... und dann roch ich es und begriff.

»Käsecracker!«, rief ich. »Wirklich? Für mich?« Etwas berührte meine Lippen und ich biss in die Delikatesse, die er mir anbot.

»Davon habe ich geträumt«, seufzte ich kauend.

Er musste lachen und drückte mir die Tüte in die Hand. Ich leerte die kleine Tüte schnell und aß dann mein Brötchen auf, das von dem Käsegeschmack, den ich immer noch im Mund hatte, gewürzt wurde. Er reichte mir eine Flasche Wasser, bevor ich danach fragen konnte.

»Danke. Nicht nur für die Käsecracker, weißt du. Für so vieles.«

»Das ist mehr als gern geschehen, Wanda.«

Ich sah ihm in die dunkelblauen Augen und versuchte zu dechiffrieren, was er alles mit diesem Satz ausdrückte - die Worte schienen mehr als nur höflich gemeint zu sein. Und dann fiel mir auf, dass ich die Farbe von Ians Augen erkennen konnte; ich warf einen schnellen Blick zu den Spalten hoch. Die Sterne waren verschwunden und der Himmel färbte sich blassgrau. Die Dämmerung brach an. Das Morgengrauen.

»Bist du sicher, dass du das tun musst?«, fragte Ian mit bereits halb ausgestreckten Händen, wie um mich hochzuheben.

Ich nickte. »Du musst mich nicht tragen. Meinem Bein geht es schon besser.«

»Wir werden sehen.«

Er half mir auf, wobei er meine Taille umfasste und sich meinen Arm um den Nacken legte.

»Ganz vorsichtig. Wie geht das?«

Ich humpelte einen Schritt nach vorn. Es tat weh, aber es ging. »Großartig. Gehen wir.«

Ich finde, dass Ian dich zu sehr mag.

Zu sehr? Ich war überrascht, Melanie zu hören, und noch dazu so deutlich. In letzter Zeit hatte sie nur so laut gesprochen, wenn Jared in der Nähe war.

Ich bin schließlich auch noch hier. Interessiert ihn das überhaupt?

Natürlich interessiert ihn das. Er glaubt uns mehr als jeder andere außer Jamie oder Jeb.

Das meine ich nicht. Was meinst du dann? Aber sie war weg.

Wir brauchten lange. Es überraschte mich, wie weit der Weg war. Ich hatte gedacht, wir würden zum großen Platz oder in die Küche gehen - zu einem der üblichen Versammlungsorte. Aber wir durchquerten das östliche Feld und gingen immer weiter, bis wir schließlich die große, stockdunkle Höhle erreichten, die Jeb die Sporthalle genannt hatte. Seit meinem ersten Rundgang war ich nicht mehr hier gewesen. Der stechende Geruch der Schwefelquelle schlug mir entgegen.

Im Unterschied zu den meisten anderen Höhlen war die Sporthalle viel breiter als hoch; das konnte ich jetzt erkennen, weil die gedämpften blauen Lichter von der Decke hingen, anstatt auf dem Boden zu stehen. Die Decke war nicht allzu weit von meinem Kopf entfernt, so hoch wie eine Decke in einem normalen Haus. Aber die gegenüberliegenden Wände konnte ich noch nicht einmal sehen, so weit waren sie von den Lichtern entfernt. Ich konnte auch die stinkende Quelle nicht sehen, die sich in irgendeiner abgelegenen Ecke verbarg, aber ich hörte sie plätschern.

Kyle saß an der hellsten Stelle. Er hatte seine langen Arme um die Knie geschlungen und eine unbewegliche Miene aufgesetzt. Er sah nicht auf, als Ian mir half, hereinzuhumpeln.

Jared und Doc standen auf beiden Seiten neben ihm, ihre Arme hingen in Wartestellung herab. Als wären sie ... Wachen.

Jeb stand neben Jared, das Gewehr über eine Schulter gehängt. Er wirkte gelassen, aber ich wusste, wie schnell sich das ändern konnte. Jamie hielt seine freie Hand ... nein, Jeb hatte seine Hand um Jamies Handgelenk geschlossen und Jamie schien nicht glücklich darüber zu sein. Als er mich hereinkommen sah, lächelte er jedoch und winkte. Er atmete tief durch und sah Jeb vielsagend an. Jeb ließ Jamies Handgelenk los.

Sharon stand neben Doc und Tante Maggie auf ihrer anderen Seite.

Ian führte mich an den Rand der Dunkelheit, die die Szenerie umgab. Wir waren dort nicht allein. Ich konnte die Umrisse vieler anderer sehen, aber nicht ihre Gesichter.

Es war seltsam; auf unserem Weg durch die Höhlen hatte Ian mit Leichtigkeit einen Großteil meines Gewichts getragen. Jetzt schien er dagegen erschöpft zu sein. Sein Arm um meine Taille war erschlafft. Ich schlurfte und humpelte, so gut ich konnte, vorwärts bis er einen Platz für uns ausgesucht hatte. Er half mir, mich auf dem Boden niederzulassen, und setzte sich dann neben mich.

»Autsch«, hörte ich jemanden flüstern.

Ich drehte mich um und konnte Trudy gerade so eben erkennen. Sie rutschte näher an uns heran, gefolgt von Geoffrey und dann Heath.

»Du siehst furchtbar aus«, sagte sie. »Bist du schwer verletzt?«

Ich zuckte mit den Achseln. »Mir geht es gut.« Ich begann mich zu fragen, ob Ian mich absichtlich hatte humpeln lassen, um meine Verletzungen vorzuführen - und mich so wortlos gegen Kyle aussagen zu lassen. Ich runzelte die Stirn, aber er machte ein unschuldiges Gesicht.

Dann kamen Wes und Lily und setzten sich zu unserer kleinen Gruppe von Verbündeten. Ein paar Sekunden später traf Brandt ein, dann Heidi und dann Andy und Paige. Aaron war der Letzte.

»Wir sind vollzählig«, sagte er. »Lucina bleibt bei ihren Kindern. Sie will sie nicht dabeihaben und hat gesagt, wir sollen ohne sie anfangen.«