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»Oh«, unterbrach er mich, als wäre ich ihm gerade erst wieder eingefallen ... als wäre mein Gewicht so unbedeutend, dass er mich völlig vergessen hatte. »Du bist todmüde, stimmt's? Jared, könntest du bitte die Tür zur Seite nehmen?«

Wortlos und etwas zu energisch zog Jared die rote Tür auf und schob sie über die graue.

Jetzt, wo die Mittagssonne durch die schmalen Spalten in der Decke drang, sah ich Ians Zimmer zum ersten Mal richtig. Es war nicht so hell wie das von Jamie und Jared und auch nicht so hoch. Es war kleiner, besser proportioniert. Rundlich - ähnlich wie mein Loch, nur zehnmal so groß. Zwei Einzelmatratzen lagen rechts und links auf dem Boden, jeweils direkt an der Wand, so dass ein schmaler Gang dazwischen entstand. An der Rückwand stand ein langes, niedriges Holzregal; links lag ein Stapel Kleider darauf, zwei Bücher und ein Kartenspiel. Die rechte Seite war vollkommen leer, obwohl Abdrücke im Staub zu sehen waren, die darauf hindeuteten, dass das noch nicht lange so war.

Ian legte mich vorsichtig auf der rechten Matratze ab, bettete mein Bein darauf und rückte das Kissen unter meinem Kopf zurecht. Jared stand in der Tür und sah hinaus in den Gang.

»Gut so?«, fragte Ian. »Ja.« »Du siehst müde aus.«

»Ich weiß auch nicht, warum - ich habe in letzter Zeit doch so viel geschlafen.«

»Dein Körper braucht Schlaf zur Heilung.« Ich nickte. Ich konnte nicht leugnen, dass es mir schwerfiel, die Augen offen zu halten.

»Ich bringe dir später etwas zu essen - du musst dir keinerlei Sorgen machen.« »Danke. Ian?« »Hm?«

»Das ist dein Zimmer«, murmelte ich. »Du schläfst natürlich hier.«

»Macht dir das nichts aus?«

»Warum sollte es?«

»Ich schätze, das ist das Beste - dann kann ich ein Auge auf dich haben. Schlaf jetzt erst einmal.«

»Okay.«

Ich hatte bereits die Augen geschlossen. Er tätschelte meine Hand und dann hörte ich, wie er aufstand. Ein paar Sekunden später stieß die Holztür sanft gegen den Felsen.

Was hast du dir dabei bloß gedacht?, stellte Melanie mich zur Rede.

Was? Was habe ich denn jetzt schon wieder gemacht?

Wanda, du bist ... hauptsächlich menschlich. Dir muss doch klar sein, wie deine Einladung bei Ian ankommt.

Einladung? Ich begriff jetzt, worauf sie hinauswollte. So ist es nicht gemeint. Das hier ist sein Zimmer. Hier liegen zwei Matratzen. Es gibt nicht genügend Schlafräume, deshalb kann ich kein eigenes Zimmer bekommen. Natürlich ist es das Beste, wenn wir uns das Zimmer teilen. Das ist Ian klar.

Ist es das? Wanda, mach die Augen auf. Er fängt an ... wie erkläre ich dir das bloß? Er fängt an, das Gleiche für dich zu empfinden ... was du für Jared empfindest. Merkst du das nicht?

Zwei Herzschläge lang konnte ich nicht antworten.

Unmöglich, sagte ich schließlich.

»Glaubst du, das, was heute Morgen passiert ist, wird Aarons oder Brandts Verhalten beeinflussen?«, fragte Ian mit leiser Stimme auf der anderen Seite der Tür.

»Du meinst, dass Kyle einen Freibrief bekommen hat?«

»Genau. Bisher mussten sie nichts ... tun. Nicht, solange es so aussah, als würde Kyle das für sie erledigen.«

»Ich weiß, was du meinst. Ich rede mit ihnen.« »Glaubst du, das reicht?«, fragte Ian.

»Ich habe beiden mehr als einmal das Leben gerettet. Sie sind mir etwas schuldig. Wenn ich sie um etwas bitte, werden sie es auch tun.«

»Würdest du ihr Leben darauf verwetten?«

Einen Moment lang herrschte Schweigen.

»Wir behalten sie im Auge«, sagte Jared schließlich. Erneut schwiegen beide.

»Gehst du nichts essen?«, fragte Jared.

»Ich glaube, ich bleibe noch ein bisschen hier ... Wie ist es mit dir?«

Jared antwortete nicht.

»Was ist los?«, fragte Ian. »Willst du mir etwas sagen, Jared?«

»Das Mädchen da drin ...«, sagte Jared langsam.

»Ja?«

»Dieser Körper ist nicht ihrer.« »Worauf willst du hinaus?«

Jareds Stimme klang hart, als er antwortete. »Lass die Finger von ihr.«

Ein leises Lachen von Ian. »Eifersüchtig, Howe?«

»Darum geht es hier nicht.« »Nein?« Jetzt war Ian sarkastisch.

»Wanda scheint mehr oder weniger mit Melanie zu

kooperieren. Es hört sich so an, als wären sie beinahe ... befreundet. Aber offenkundig trifft Wanda die Entscheidungen. Was, wenn du das wärst? Wie würdest du dich fühlen, wenn du Melanie wärst? Wenn du derjenige wärst, der derart ... besetzt worden wäre? Wenn du gefangen wärst und jemand deinem Körper sagen würde, was er zu tun hat? Wenn du nicht für dich selbst sprechen könntest? Würdest du nicht wollen, dass deine Wünsche - soweit sie bekannt wären - respektiert würden? Wenigstens von anderen Menschen?«

»Okay, okay. Eins zu null für dich. Ich behalte es im Hinterkopf.«

»Was soll das heißen, du behältst es im Hinterkopf?«, wollte Jared wissen.

»Das soll heißen, dass ich darüber nachdenken werde.«

»Da gibt es nichts nachzudenken«, erwiderte Jared. Ich konnte am Klang seiner Stimme erkennen, wie er aussah - zusammengebissene Zähne, angespannter Kiefer. »Der Körper und die Person, die darin gefangen ist, gehören mir.«

»Bist du sicher, dass Melanie immer noch ...«

»Melanie ist für immer mein. Und ich für immer der Ihre.«

Für immer.

Melanie und ich befanden uns, was unsere Stimmung anging plötzlich am jeweils entgegengesetzten Ende der Skala. Sie schwebte, war selig. Ich ... nicht.

Ungeduldig warteten wir darauf, dass sie weitersprachen. »Und was, wenn du das wärst?«, fragte Ian nicht viel lauter als flüsternd. »Wenn du in einen Menschenkörper gesteckt und auf diesen Planeten verfrachtet worden wärst, nur um festzustellen, dass du dir unter deinen eigenen Leuten verloren vorkommst? Wenn du so eine gute Person wärst, dass du versuchen würde, das Leben zu retten, das du genommen hast - und bei dem Versuch, sie zurück zu ihrer Familie zu bringen, beinahe gestorben wärst? Wenn du dann plötzlich von brutalen Erdbewohnern umringt wärst, die dich hassen und verletzen und umzubringen versuchen würden, immer und immer wieder?« Er stockte einen Moment. »Wenn du trotzdem weiterhin alles in deiner Macht Stehende tun würdest, um diese Leute zu retten und zu versöhnen? Hättest du nicht auch ein Recht auf ein eigenes Leben? Hättest du das nicht mehr als verdient?«