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Jamies Stimme war schon vom Anfang des Gangs her zu hören und dann, begleitet vom Geräusch seiner laufenden Schritte, direkt vor der Tür.

»Natürlich, Jamie.«

Ich streckte ihm bereits die Hand entgegen, bevor er die Tür zur Seite geschoben hatte. Ich hatte ihn in letzter Zeit längst nicht oft genug gesehen. Bewusstlos oder gehbehindert, war ich nicht in der Lage gewesen, nach ihm zu suchen.

»Hey, Wanda! Hey, Ian!« Jamie strahlte über das ganze Gesicht und sein strubbeliges Haar wippte auf und ab, wenn er sich bewegte. Er steuerte auf meine ausgestreckte Hand zu, aber Ian war ihm im Weg. Daher ließ er sich auf der Kante meiner Matratze nieder und legte seine Hand auf meinen Fuß. »Wie fühlst du dich?«

»Besser.«

»Hast du schon Hunger? Es gibt luftgetrocknetes Rindfleisch und Maiskolben! Ich könnte dir was holen.«

»Im Moment nicht. Wie geht es dir? Ich habe dich in letzter Zeit so wenig gesehen.«

Jamie verzog das Gesicht. »Sharon hat mich nachsitzen lassen.«

Ich lächelte. »Was hast du denn angestellt?«

»Nichts. Ganz ohne Grund.« Seine unschuldige Miene war ein bisschen übertrieben und er wechselte schnell das Thema. »Weißt du was? Jared hat beim Mittagessen gesagt, es war nicht nett, dass du aus dem Zimmer, an das du dich gewöhnt hattest, wieder ausziehen musstest. Er hat gesagt, wir seien keine guten Gastgeber gewesen und du solltest wieder bei mir einziehen! Ist das nicht genial? Ich hab ihn gefragt, ob ich dir das gleich sagen könnte, und er meinte, das wäre eine gute Idee. Er hat gesagt, du wärst hier.«

»Das kann ich mir vorstellen«, murmelte Ian.

»Also, wie findest du das, Wanda? Wir werden wieder zusammenwohnen!«

»Aber Jamie, wo wird denn Jared schlafen?«

»Warte - lass mich raten«, mischte Ian sich ein. »Ich wette, er hat gesagt, das Zimmer wäre groß genug für drei. Hab ich Recht?«

»Genau, woher wusstest du das?« »Das war nur ein Glückstreffer.«

»Ist das nicht toll, Wanda? Es wird wieder genauso sein, wie bevor wir hierhergekommen sind!«

Ich zuckte zusammen. Es fühlte sich so ähnlich an wie eine Rasierklinge, die zwischen meinen Rippen hindurchglitt – ein Schmerz, so glatt und präzise, dass er nicht mit einem Schlag oder Bruch verglichen werden konnte.

Jamie musterte meine gequälte Miene alarmiert. »Oh. Nein, ich meine, noch dazu mit dir. Das wird schön. Wir vier zusammen, stimmt's?«

Ich versuchte den Schmerz wegzulachen; es tat auch nicht mehr weh, als wenn ich nicht lachte.

Ian drückte meine Hand.

»Wir vier zusammen«, murmelte ich. »Schön.«

Jamie krabbelte über die Matratze um Ian herum, um mich zu umarmen.

»Entschuldige. Sei nicht traurig.« »Mach dir deswegen keine Gedanken.«

»Du weißt, dass ich dich auch lieb habe.«

Die Gefühle auf diesem Planeten waren so extrem, so durchdringend. So etwas hatte Jamie bisher noch nie zu mir gesagt. Mein ganzer Körper fühlte sich plötzlich ein paar Grad wärmer an.

So extrem, pflichtete Melanie mir bei, die von ihrem eigenen Schmerz durchzuckt wurde.

»Kommst du wieder zurück in unser Zimmer?«, bat Jamie an meiner Schulter.

Ich konnte nicht gleich antworten. »Was will Mel?«, fragte er.

»Sie will bei euch wohnen«, flüsterte ich. Das musste ich sie nicht fragen.

»Und was willst du?«

»Willst du denn, dass ich bei euch wohne?« »Das weißt du doch, Wanda. Bitte.«

Ich zögerte.

»Bitte.«

»Wenn du es willst, Jamie. Okay.«

»Juhu!«, krähte Jamie mir ins Ohr. »Cool! Ich gehe Jared Bescheid sagen! Ich bringe dir auch was zu essen, okay?« Er war bereits wieder auf den Beinen und hüpfte auf der Matratze herum, was ich an meinen Rippen spürte.

»Okay.«

»Willst du auch etwas, Ian?«

»Und ob. Ich will, dass du Jared sagst, dass er echt skrupellos ist.«

»Häh?«

»Vergiss es. Geh Wanda was zu essen holen.«

»Klar. Und ich frage Wes nach seinem überzähligen Bett. Kyle kann hierher zurückkommen und alles ist wieder so, wie es sein sollte.«

»Wunderbar«, sagte Ian, und obwohl ich ihm nicht ins Gesicht sah, wusste ich, dass er mit den Augen rollte.

»Wunderbar«, flüsterte ich und spürte erneut die Rasierklinge zwischen den Rippen.

Besorgt

Wunderbar, knurrte ich. Einfach wunderbar.

Ian kam herüber, um mir beim Mittagessen Gesellschaft zu leisten. Er hatte ein strahlendes Lächeln aufgesetzt, um mich aufzuheitern ... mal wieder.

Ich habe das Gefühl, dass du es in letzter Zeit mit demSarkasmus etwas übertreibst, sagte Melanie.

Ich werde es mir merken.

In der letzten Woche hatte ich nicht viel von ihr gehört. Keine von uns beiden war im Moment eine besonders angenehme Gesellschaft. Es war besser, wenn wir soziale Kontakte vermieden, sogar untereinander.

»Hey, Wanda«, begrüßte Ian mich und glitt auf den Tresen neben mir. Er hatte eine dampfende Schale Tomatensuppe in der Hand. Meine stand neben mir, kalt geworden und noch halbvoll. Ich spielte an einem Brötchen herum und zupfte es in winzige Stückchen.

Ich antwortete ihm nicht.

»Komm schon.« Er legte mir die Hand aufs Knie. Mels Reaktion war ziemlich lethargisch. Sie war an diese Dinge inzwischen zu sehr gewöhnt, um sich noch richtig darüber aufzuregen. »Heute kommen sie zurück. Noch vor Sonnenuntergang, ganz bestimmt.«

»Das hast du vor drei Tagen auch schon gesagt und vorgestern und gestern wieder«, erinnerte ich ihn.

»Heute habe ich ein richtig gutes Gefühl. Sei nicht eingeschnappt - das ist so menschlich«, zog er mich auf.

»Ich bin nicht eingeschnappt.« Ich war es wirklich nicht. Ich machte mir solche Sorgen, dass ich kaum geradeaus denken konnte. Ich hatte für nichts anderes Energie übrig.

»Das ist nicht der erste Beutezug, bei dem Jamie dabei ist.« »Das tröstet mich ungemein.« Schon wieder dieser Sarkasmus. Melanie hatte Recht - ich übertrieb es wirklich.

»Jared und Geoffrey und Trudy sind bei ihm. Und Kyle ist hier.« Ian lachte. »Also können sie überhaupt nicht in Schwierigkeiten geraten.«

»Ich will nicht darüber reden.«

»Okay.«

Er richtete seine Aufmerksamkeit aufs Essen und ließ mich in Ruhe vor mich hin schmoren. Das war nett an Ian - er versuchte immer, mir zu geben, was ich wollte, auch wenn wir beide nicht wussten, was das eigentlich war. Abgesehen natürlich von seinen dauernden Versuchen, mich von meiner momentanen Angst abzulenken. Ich wusste, dass ich das nicht wollte. Ich wollte mir Sorgen machen; es war das Einzige, was ich tun konnte.

Es war jetzt einen Monat her, dass ich wieder zu Jamie und Jared ins Zimmer gezogen war. Drei Wochen davon hatten wir vier zusammengewohnt. Jared schlief auf einer Matratze, die ans Kopfende des Bettes gezwängt war, auf dem Jamie und ich schliefen.

Ich hatte mich daran gewöhnt - an das mit dem Schlafen zumindest; es fiel mir jetzt schwer, allein in dem leeren Zimmer zu sein. Ich vermisste die Geräusche der beiden anderen atmenden Körper.

Ich hatte mich allerdings nicht daran gewöhnt, jeden Morgen mit Jared im selben Zimmer aufzuwachen. Ich brauchte immer noch eine Sekunde zu lange, um seinen Morgengruß zu erwidern. Ihm war auch nicht ganz wohl dabei, aber er war immer höflich. Wir waren beide sehr höflich.

Es lief inzwischen fast immer nach einem festen Schema ab.

»Guten Morgen, Wanda, wie hast du geschlafen?« »Gut, danke, und du?«

»Gut, danke. Und ... Mel?«