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Jamie wehtun!

»Bitte«, flüsterte ich. »Es ist die einzige Möglichkeit, um ihn zu retten.«

»Geduldig, was?«, stieß Kyle hervor. »Es hat den richtigen Moment abgewartet, meint ihr nicht?«

Ich unterdrückte das erneut aufkeimende Verlangen, ihn zu würgen.

»Doc?«, flehte ich.

Er sah mich nicht an. »Selbst wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, dich hinauszulassen, Wanda ... Ich kann nicht einfach auf Medikamente vertrauen, die ich nicht kenne. Jamie ist ein kräftiger Junge. Sein Immunsystem wird damit fertig ...«

»Wir ziehen wieder los, Wanda«, murmelte Ian. »Wir werden etwas finden. Vorher kommen wir nicht zurück.«

»Das reicht nicht.« Mir traten die Tränen in die Augen. Ich sah den einzigen Menschen an, der vermutlich genauso viel Schmerz empfand wie ich. »Jared. Du weißt es. Du weißt, ich würde niemals zulassen, dass jemand Jamie etwas tut. Du weißt, ich kann es. Bitte.«

Er sah mich lange an. Dann blickte er allen anderen ins Gesicht. Jeb, Doc, Kyle, Ian, Trudy. Zur Tür hinaus auf die schweigende Zuhörerschaft, deren Gesichter Kyles Miene widerspiegelten: Sharon, Violetta, Lucina, Reid, Geoffrey, Heath, Heidi, Andy, Aaron, Wes, Lily, Carol. Meine Freunde und meine Feinde, alle mit Kyles Gesichtsausdruck. Er blickte in die nächste Reihe, die ich nicht mehr sehen konnte. Dann sah er auf Jamie hinab. Im ganzen Raum war kein Atemhauch zu hören.

»Nein, Wanda«, sagte er ruhig. »Nein.«

Ein erleichtertes Seufzen von den anderen war zu hören.

Meine Knie gaben unter mir nach. Ich fiel nach vorn und riss mich aus Ians Griff los, als er versuchte, mich wieder hochzuziehen. Ich krabbelte zu Jamie hinüber und stieß Trudy mit dem Ellbogen zur Seite. Die schweigende Menge sah mir zu. Ich nahm den Umschlag von seinem Kopf und ersetzte das geschmolzene Eis. Ich begegnete keinem der Blicke, die ich auf meiner Haut spüren konnte. Ich konnte sowieso nichts sehen. Meine Augen waren voller Tränen.

»Jamie, Jamie, Jamie«, flüsterte ich. »Jamie, Jamie, Jamie.«

Ich hatte das Gefühl, nichts weiter tun zu können, als seinen Namen zu schluchzen und immer wieder die Eispäckchen anzufassen, während ich darauf wartete, dass sie ausgetauscht werden mussten.

Ich hörte sie in kleinen Gruppen weggehen. Ich hörte, wie ihre meist wütenden Stimmen in den Gängen verhallten. Ich verstand jedoch nicht, was sie sagten.

Jamie, Jamie, Jamie ...

»Jamie, Jamie, Jamie ...«

Ian kniete sich neben mich, als das Zimmer fast leer war.

»Ich weiß, du würdest das nicht tun ... aber Wanda, sie bringen dich um, wenn du es versuchst«, flüsterte er. »Nach dem, was im Krankenflügel passiert ist. Sie haben Angst, du hättest jetzt einen guten Grund, uns zu vernichten ... Außerdem wird er auf jeden Fall wieder gesund. Darauf musst du vertrauen.«

Ich wandte mein Gesicht ab und er ging.

»Tut mir leid, Junge«, murmelte Jeb, als er sich entfernte. Jared ging auch. Ich hörte es nicht, aber ich spürte es, als er weg war. Es kam mir richtig vor. Er liebte Jamie nicht so wie wir. Das hatte er bewiesen. Er sollte gehen.

Doc blieb und sah mir hilflos zu. Ich blickte ihn nicht an.

Das Tageslicht verblasste langsam, wurde orange und dann grau. Das Eis schmolz und war weg. Jamie begann unter meinen Händen bei lebendigem Leib zu verbrennen.

»Jamie, Jamie, Jamie ...« Meine Stimme war gebrochen und heiser, aber ich konnte nicht aufhören. »Jamie, Jamie, Jamie ...«

Der Raum wurde schwarz. Ich konnte Jamies Gesicht nicht mehr sehen. Würde er diese Nacht von mir gehen? Hatte ich sein Gesicht, sein lebendiges Gesicht schon zum letzten Mal gesehen?

Sein Name war jetzt nur noch ein Flüstern auf meinen Lippen, so leise, dass ich Docs gedämpftes Schnarchen hören konnte.

Ohne Unterlass wischte ich mit dem lauwarmen Tuch über seinen Körper. Das verdunstende Wasser kühlte ihn ein wenig. Das Brennen ließ etwas nach. Ich begann zu glauben, dass er noch nicht heute Nacht sterben würde. Aber ich würde ihn nicht ewig hier zurückhalten können. Er würde mir entgleiten. Morgen. Übermorgen. Und dann würde ich ebenfalls sterben. Ich würde nicht ohne Jamie leben.

Jamie, Jamie, Jamie ..., stöhnte Melanie.

Jared hat uns nicht geglaubt, klagten wir beide gleichzeitig.

Es war immer noch still. Ich hörte nichts. Nichts warnte mich.

Dann schrie Doc plötzlich auf. Das Geräusch war seltsam gedämpft, als würde er in ein Kissen schreien.

Meine Augen konnten die Umrisse in der Dunkelheit zunächst nicht deuten. Doc zuckte eigenartig und er sah irgendwie zu groß aus - als hätte er zu viele Arme. Es war furchterregend. Ich warf mich über Jamies unbewegliche Gestalt, um ihn vor was auch immer zu beschützen - ich konnte nicht fliehen, während er hilflos hier lag. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen.

Dann erschlafften die um sich schlagenden Arme. Docs Schnarchen begann von Neuem - lauter und heftiger als zuvor. Er sank zu Boden und der Umriss teilte sich. Ein zweiter Schatten löste sich von seinem und stand über mir in der Dunkelheit.

»Los«, flüsterte Jared. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.« Mein Herz explodierte beinahe.

Er glaubt uns.

Ich zwang meine steifen Knie, sich zu strecken, und sprang auf. »Was hast du mit Doc gemacht?«

»Chloroform. Es wird nicht lange anhalten.«

Ich drehte mich schnell um und goss das warme Wasser über Jamie, durchnässte seine Kleider und die Matratze. Er rührte sich nicht. Vielleicht würde ihn das kühlen, bis Doc wieder aufwachte.

»Komm mit.«

Ich folgte ihm auf den Fersen. Wir bewegten uns leise vorwärts, berührten uns beinahe, rannten beinahe. Jared lief dicht an der Wand entlang und ich tat dasselbe.

Er hielt an, als wir die Helligkeit des mondbeschienenen Gartenraums erreichten. Er lag still und verlassen da.

Erst jetzt konnte ich Jared richtig sehen. Er hatte sich das Gewehr umgehängt und ein Messer durch seinen Gürtel gesteckt. Er streckte eine Hand aus, in der ein langes Stück dunkler Stoff lag. Ich begriff.

Die geflüsterten Worte entschlüpften mir sofort. »Ja, verbinde mir die Augen.«

Er nickte und ich schloss die Augen, während er das Tuch darüberlegte. Ich würde sie sowieso geschlossen halten.

Er verknotete das Tuch eilig und fest. Als er fertig war, drehte er mich schnell im Kreis - einmal, zweimal ...

Seine Hände hielten mich an. »Das reicht«, sagte er. Und dann packte er mich fester und hob mich hoch. Ich keuchte überrascht, als er mich über die Schulter warf. Mein Kopf und meine Brust hingen ihm neben dem Gewehr über den Rücken; seine Arme drückten meine Beine gegen seine Brust und schon waren wir unterwegs. Ich wippte auf und ab, als er lief, und mein Gesicht streifte bei jedem seiner Schritte über sein Hemd.

Ich hatte keinerlei Gefühl dafür, in welche Richtung wir gingen; und ich versuchte auch nicht, es zu erraten, zu erkennen oder zu erspüren. Ich konzentrierte mich nur auf den Rhythmus seiner Schritte und zählte mit. Zwanzig, einundzwanzig,

zweiundzwanzig, dreiundzwanzig ...

Ich konnte spüren, wie er sich vorbeugte, als der Weg abwärts und dann wieder aufwärts führte. Ich versuchte nicht darüber nachzudenken.

Vierhundertzwölf, vierhundertdreizehn, vierhundertvierzehn ... Ich merkte es sofort, als wir draußen waren. Ich konnte die trockene, saubere Wüstenluft riechen. Es war heiß, obwohl es schon fast Mitternacht sein musste.

Er ließ mich von seiner Schulter gleiten und stellte mich auf die Füße.

»Der Boden ist eben. Glaubst du, du kannst mit verbundenen Augen rennen?«

»Ja.«

Er umklammerte meinen Ellbogen und lief schnellen Schrittes los. Es war nicht einfach. Immer und immer wieder fing er mich auf, bevor ich hinfallen konnte. Nach einer Weile begann ich mich daran zu gewöhnen und es gelang mir besser, trotz der kleinen Kuhlen und Steigungen das Gleichgewicht zu halten. Wir rannten, bis wir beide außer Atem waren.